Vorreiter mit Korrekturbedarf

30.05.2003

Als mir ein Produktmanager von Acer vor wenigen Tagen voller Stolz den "Aspire 1700" (siehe Artikel auf Seite 26) vorstellte, habe ich zuerst ungläubig den Kopf geschüttelt. Das Gerät sah aus wie ein Notebook - aber nicht wie irgendeines von der Stange, wie man sie zuhauf sieht. Vielmehr präsentierte mir das Unternehmen einen Rechner, der derzeit noch seinesgleichen auf der Welt suchen dürfte: Ausgestattet mit einem 17 Zoll großen Bildschirm beansprucht das Gerät eine Stellfläche von 38 x 32 Zentimeter (und ist damit fast so groß wie ein DIN-A3-Blatt). Außerdem ist es zusammengeklappt stattliche fünf Zentimeter hoch und satte 7,1 Kilogramm schwer. Mit dieser Rechenmaschine und ihren ungewöhnlichen Maßen will Acer eine Vorreiterrolle für einen neuen Computertyp übernehmen.

Prinzipienreiter werden sich wahrscheinlich erst einmal darüber in die Haare kriegen, ob das Aspire 1700 überhaupt ein Notebook ist. Natürlich ist es das, meinen die einen. Was wie ein Notebook aussieht, muss auch eines sein. Es ist einfach nur deutlich größer geraten, als man es von herkömmlichen Notebooks gewohnt ist. Andere wiederum verneinen das. Weil die wichtigsten Komponenten des Aspire 1700 eben nicht Notebook-typisch sind. Prozessor, Speicher, Festplatte und optisches Laufwerk - bei allen handelt es sich um reine Desktop-PC-Komponenten, die aufgrund ihres Formats, ihrer Leistung oder Kapazität und des Energieverbrauchs für Desktop-Rechner entwickelt wurden.

Ob Notebook oder nicht - wichtig ist doch nur, dass das neue Produkt eine Daseinsberechtigung hat. Und die hat es: als so genanntes Desktop-Replacement. Damit ist ein Rechner in Form eines Notebooks gemeint, der anstelle eines herkömmlichen Desktop-PCs zur festen Einrichtung in einer Wohnung gehört. Und der in der Regel nur selten transportiert wird. Vielleicht einmal vom Arbeits- ins Wohnzimmer, aber nur sehr selten aus der Wohnung heraus.

Acer hat erkannt, dass es hier zu Lande Millionen von Studenten und/oder Singles gibt, die in Ein-Zimmer-Appartements oder kleinen Wohnungen leben und einen Computer brauchen. Dort ist aber von Haus aus - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes - nicht viel Platz für ein herkömmliches Computer-Komplettsystem. Hier würde sich das Acer-Gerät als ein Äquivalent für Tower-PC, Röhrenmonitor, Tastatur, Maus, Lautsprecher und Modem eignen. Und nach Gebrauch lässt es sich auch noch zusammenklappen.

Der Anwender hätte somit einen Teil seines Platzproblems gelöst - und außerdem weniger Kabel auf seinem Schreibtisch herumliegen. Acer ist mit dem Aspire 1700 kein Einzelkämpfer. Schon im vergangenen Jahr brachte das Unternehmen Elitegroup verschiedene Modelle eines vergleichbaren Gerätes auf den Markt: den "Desknote". Wie die Namenszusammensetzung aus "Desktop" und "Notebook" erkennen lässt, handelte es sich auch hier um einen Rechner in Notebook-Format auf Basis von Desktop-Komponenten. Elitegroup ging sogar so weit, im Desknote auf einen Akku komplett zu verzichten. Darauf wollte sich Acer nicht einlassen, sodass der Aspire 1700 zur Not auch einmal mobil eingesetzt werden kann.

Die Nachteile des Acer-PCs dürfen jedoch nicht außer Acht gelassen werden. Zum Beispiel das Gewicht: Sieben Kilo sind für den Anwender eine bittere Pille. Das könnte manch einen Interessenten vom Kauf abschrecken. Einen Kompromiss konnten die Entwickler hier nicht machen. Denn gleichzeitig ein großes Display zu haben und den Computer bequem mit sich herumzutragen ist angesichts der heutzutage verbauten Materialien ein Ding der Unmöglichkeit. Stark verbesserungsbedürftig ist auch das Betriebsgeräusch: Der Aspire 1700 erzeugt eine Lautstärke von 38 Dezibel, was auf die Dauer ziemlich nervig sein kann. Hier war für die Ingenieure die Leistung des Rechners (Pentium4-Prozessor mit maximal 3,06 GHz) wichtiger als seine Ergonomie. Um die Wärme, die solch eine CPU erzeugt, abzuführen, bedarf es eben mehr als nur eines Standardlüfters. Und damit sind auch schon die zwei wichtigsten Punkte genannt, an denen Acer und andere Hersteller in Zukunft den Hebel ansetzen müssen.

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