Warnung vor Nebenwirkungen

12.02.2004
Wer gegen das Finanzamt gesündigt hat und Reue zeigt, dem wird als Allheilmittel oft und gerne die Selbstanzeige empfohlen. Dass man sich dadurch aber tatsächlich von der Schuld befreien kann, stellt sich in den meisten Fällen schnell als pure Illusion heraus.

Die Selbstanzeige hat nur einen einzigen Zweck: Sie bewahrt den Steuerhinterzieher vor Strafe. Die dazugehörige Regelung in § 371 Abs. 1 AO (Abgabenordnung) lautet: "Wer in den Fällen des § 370 AO unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder unterlassene Angaben nachholt, wird insoweit straffrei."

Vor der Frage "Selbstanzeige oder nicht?" ist demnach zunächst einmal zu prüfen, ob es sich überhaupt um einen Fall des hier genannten§ 370 AO handelt. Diese Bestimmung sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor, wenn gegenüber den Finanzbehörden unrichtige oder unvollständige Angaben über "steuerlich erhebliche Tatsachen" gemacht oder unterlassen werden (§ 370 Abs.1 AO).

Sind die falschen oder unterbliebenen Angaben also nicht "steuerlich erheblich", so entfällt auch die Grundlage für eine strafbare Steuerhinterziehung und damit die Notwendigkeit einer Selbstanzeige.

Ist davon auszugehen, dass eine Steuerhinterziehung vorliegt, so sind vor Erstattung einer Selbstanzeige weitere Aspekte zu prüfen. Die im Rahmen einer Selbstanzeige gemachten Angaben müssen vollständig, wahr und umfassend sein. Die Finanzbehörde muss aufgrund der nachgeholten Angaben des Steuerpflichtigen ohne weiteren Aufwand die tatsächliche Situation erkennen und einen entsprechenden Steuerbescheid erstellen können. In diesem Zusammenhang spricht man im Finanzjargon von der Pflicht des Steuerpflichtigen zur "Materiallieferung".

Wenn schon beichten, dann alles!

Hieran kann die Wirksamkeit einer Selbstanzeige scheitern! Ist der Steuerpflichtige nicht in der Lage, die entsprechenden Unterlagen beziehungsweise Zahlen zu liefern, weil er zum Beispiel keine ordnungsgemäße Buchführung hat oder schlicht "vergessen" hatte, Rechnungen zu schreiben etc., so würde er nach seiner erfolgten Selbstanzeige zwar steuerlich und steuerstrafrechtlich verfolgt werden - die eigentlich gewünschte Befreiungswirkung der Selbstanzeige entfiele jedoch.

Weiterhin ist darauf zu achten, dass die Straffreiheit nur in Hinblick auf die im Rahmen der Selbstanzeige offenbarten Steuersünden gilt. Sollten die Finanzbehörden andere Steuerhinterziehungen entdecken, so würden diese strafrechtlich verfolgt werden können. Hieraus folgt, dass die Selbstanzeige alle Angaben, die zur Entdeckung von Steuerhinterziehungen führen können, beinhalten sollte, um eine umfassende Straffreiheit zu erlangen.

Außerdem ist zu prüfen, ob die Selbstanzeige noch rechtzeitig erstattet werden kann. Gemäß § 371 Abs. 2 AO tritt die Straffreiheit nicht ein, wenn die Steuerhinterziehung bereits entdeckt oder ein Amtsträger zur steuerlichen Prüfung beim Steuerpflichtigen erschienen ist.

Zu diesem Zeitpunkt tritt die oben beschriebene Sperrwirkung ein, sodass die Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung mehr hat. Allerdings greift diese Sperrwirkung nur für die in der Prüfungsanordnung genannten Steuerarten und Zeiträume.

Schließlich muss die sich durch die Selbstanzeige ergebende Steuernachzahlung geleistet werden. Nach § 370 Abs. 3 AO ist Voraussetzung der Strafbefreiung, dass die hinterzogene Steuer in angemessener Frist bezahlt wird. Die Frist wird von der Finanzbehörde festgesetzt.

Zusammenfassung

Die Selbstanzeige empfiehlt sich nur bei eindeutig vorliegender Steuerhinterziehung und rechtzeitiger Anwendung. Die Wirkung der Selbstanzeige ist die Straffreiheit hinsichtlich der eingeräumten Steuerhinterziehung sowie die Zahlungsverpflichtung der hinterzogenen Steuern. Die Nebenwirkung einer fehlerhaften Selbstanzeige ist der Verlust der Strafbefreiung.

Rechtsanwalt Dr. Benno Grunewald, Bremen, ist Justitiar des Berufsverbandes Selbständige in der Informatik (BVSI).

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