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Warum und wie Smart TVs ihre Nutzer belauschen

Stephan Wiesend schreibt für die Computerwoche als Experte zu den Themen Mac-OS, iOS, Software und Praxis. Nach Studium, Volontariat und Redakteursstelle bei dem Magazin Macwelt arbeitet er seit 2003 als freier Autor in München. Er schreibt regelmäßig für die Magazine Macwelt, iPhonewelt und iPadwelt.
Moderne TV-Geräte protokollieren unter anderem die auf ihnen abgespielten Inhalte, was Hersteller wie Vizio verteidigen.
Moderne TV-Geräte können aufzeichnen, welche Inhalte die Nutzer ansehen.
Moderne TV-Geräte können aufzeichnen, welche Inhalte die Nutzer ansehen.
Foto: Alextype - shutterstock.com

TV-Geräte machen immer häufiger Abspielgeräte wie FireTV und Apple TV überflüssig, beim Thema Datenschutz gibt es bei manchen Herstellern einige Problemfelder. Nicht nur bei europäischen Nutzern hat dies für Irritationen gesorgt: So kommunizieren Smart-TV-Geräte nicht nur mit Mediatheken, sondern auch überraschend intensiv mit Hersteller-Servern.

Indiskret: Sogar die Bildschirminhalte können neuere Geräte analysieren, eine Technologie namens ACR oder Automatic Content Recognition. Interessant ist ACR vor allem für die Werbeindustrie: Auftraggeber von Werbespots können ja bisher kaum nachprüfen, ob ihre teuren Spots überhaupt beim Kunden ankommen. Eine von der Apple-Tochter Shazam entwickelte Methode basiert etwa auf einem akustischen Fingerabdruck, andere Methoden basiert auf einem "video fingerprinting" oder Wasserzeichen.

Bei allen Geräten ist diese Funktion zwar deaktivierbar, bleibt aber bei der Einrichtung eines TV-Gerätes oft unerkannt eingeschaltet. Laut Forbes soll das Geschäft mit ACR-Daten bis 2021 auf 5 Milliarden Dollar Umsatz steigen und in den USA herkömmliche Messverfahren wie Nielsen ablösen.

Zwischen den Herstellern gibt es dabei aber große Unterschiede, so wunderte sich etwa der Journalist Nilay Patel über die extrem hohen Netzwerkaktivitäten eines Smart TV von Vizio. In einem längeren Interview mit "The Verge" hat der in den USA sehr erfolgreiche TV-Hersteller diese Datensammelwut verteidigt. Vizios CTO Bill Baxter zufolge wäre sein Unternehmen sogar führend, wenn es um die Information der Kunden über den Umgang mit Daten sei.

Das Geschäft mit TV-Geräten sei aufgrund der geringen Marge von etwa 6 Prozent aber ein "cutthroat business". Würde man auf die Einnahmen durch Inhaltevertrieb, Werbung und Datengeschäfte verzichten, müsste man deutlich höherer Preise verlangen. Kauft man in naher Zukunft einen auffallend günstigen Smart-TV, kann es also durchaus sein, dass man einen Teil des Verkaufspreises mit seinen Daten zurückzahlen soll.

Unsere Meinung:

Die Position von Vizio ist nach unserer Einschätzung etwas problematisch und Baxter macht es sich da etwas zu einfach. So ist der in den USA sehr bekannte TV-Hersteller Vizio vor allem durch niedrige Preise erfolgreich. Der in den USA mit Vizio konkurrierende TV-Hersteller Samsung soll dagegen Kundendaten nur intern nutzen. Ebenfalls wenig vorbildlich: Vizio musste erst 2015 2,2 Millionen Dollar Strafe zahlen – Vizio hatte über seine TV-Geräte gesammelte Kundendaten an Werbeanbieter verkauft. In Zukunft wird das Interesse an diesen Daten aber weiter steigen.

Schade: Aktuell sind viele Kunden ungenügend informiert und es gibt beim Thema Datenschutz viele offene Baustellen. So ist in Deutschland wohl vielen Anwendern nicht bekannt, dass TV-Sender per HbbTV Nutzer und Nutzungszeit erfassen können oder welche Hintergrundanwendungen auf ihren Geräten eigentlich aktiv sind. Ob allerdings der deutsche Kunde bereit wäre, für Datenschutz höhere Gerätepreise zu akzeptieren, ist dann doch zweifelhaft. (Macwelt)

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