Wenn Chef und Belegschaft an einem Strag ziehen

22.04.1999

MÜNCHEN: Die Beteiligung der Belegschaft am Unternehmen und seinen Erfolgen ist in Deutschland bisher kaum verbreitet. Während in den USA 16 Millionen Mitarbeiter Beteiligungen in Höhe von mehr als 700 Milliarden Mark an ihren Betrieben halten, sind es hierzulande erst zwei Millionen Arbeitnehmer. Auch in Frankreich ist die Beteiligung der Arbeitnehmer weiter fortgeschritten. Dort sind bereits fünf Millionen Beschäftigte Teilhaber ihrer Betriebe. In Deutschland besteht also erheblicher Nachholbedarf.Vor allem mittelständische Unternehmen schreckten bislang davor zurück, ihren Angestellten Einblick in die Geschäftsbücher sowie Mitbestimmungsrechte zu gewähren oder sie am Wachstum des Betriebs partizipieren zu lassen. Anders die Situation bei Großunternehmen: Die Beteiligung der Mitarbeiter in Form von Belegschaftsaktien hat eine lange Tradition und wird derzeit von etwa 1,6 Millionen Aktionären wahrgenommen. Sie halten zusammen Anteile in Höhe 22 Milliarden Mark. Weitere Beteiligungsmodelle sind in der Bundesrepublik aber eher die Ausnahme, obwohl gerade den letzten Jahren eine erfreuliche Entwicklung zu verzeichnen ist, und dies aus gutem Grunde.

Beteiligung schafft Bindung

Die Teilhabe am eigenen Betrieb und dessen wirtschaftlichen Erfolgen motiviert Mitarbeiter und schafft eine intensivere Bindung an den Brötchengeber. Die Angestellten werden selbst zu Unternehmern und identifizieren sich stärker mit den Zielen der Firma. Sie entwickeln ein ausgeprägteres Verständnis für wirtschaftliche Zusammenhänge und oftmals ein vollkommen neues Kosten- und Verantwortungsbewußtsein.

Leistungsbereitschaft und Engagement wachsen und erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Die Möglichkeit der Mitbestimmung fördert die Aufgeschlossenheit gegenüber betrieblichen Problemen und kann sich belebend auf das Betriebsklima auswirken. Die Zusammenarbeit verbessert sich, das "Wir-Gefühl" wird nachhaltig gestärkt. In vielen Fällen folgt diesem neuen Bewußtsein eine Erhöhung der qualitativen und quantitativen Arbeitsleistung.

Doch die Beteiligung der Mitarbeiter am Unternehmenskapital ist noch kein Garant für einen gewaltigen Motivationsschub. Michael Lezius, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft (AGP), öffnet seinen Erfahrungsschatz: "Firmen, die ihre Mitarbeiter materiell beteiligen wollen, sind gut beraten, wenn sie zuerst ihre Unternehmenskultur unter die Lupe nehmen und erst dann die Kapitalbeteiligung aufsetzen."

Gerade bei Unternehmen der IT- und Telekommunikationsbranche, die sowohl händeringend nach neuen Mitarbeitern als auch nach Möglichkeiten zur langfristigen Bindung ihrer bereits auf der Gehaltsliste stehenden Spezialisten suchen, sind Beteiligungsmodelle gefragt. Dies gilt insbesondere für Start-up-Companys, die keine hohen Anfangsgehälter zahlen können, andererseits aber gerade in den ersten Jahren ihres Bestehens qualifizierte Mitarbeiter mit Unternehmergeist suchen. Beteiligungen in Form von Aktienoptionen erhöhen die Attraktivität der angebotenen Arbeitsplätze.

Eberhard Färber, Vorstandssprecher der 1997 in eine Aktiengesellschaft umgewandelten Ixos Software AG, weiß zu berichten: "Durch ein attraktives Beteiligungsmodell ist es uns gelungen, unternehmerisches Denken und Handeln bei unseren Mitarbeitern zu fördern und sie zum Erfolg zu motivieren. Dadurch konnten wie vor allem Topleute langfristig an uns binden", faßt Färber die Ergebnisse seines Börsengangs zusammen.

Die Möglichkeit der Kapitalbildung im eigenen Unternehmen erfreut sich vor dem Hintergrund stagnierender Gehaltssteigerungsraten und ungewisser Rentenerwartungen zunehmender Beliebtheit. Im Laufe der Zeit entsteht somit aus der ursprünglich rein finanziellen auch eine soziale Bindung. Mitarbeiter ausschließlich über höhere Gehälter oder einen teuren Firmenwagen mit privater Nutzung zu ködern, mag zwar kurzfristig zum Erfolg führen, eignet sich jedoch gerade in der IT-Branche nicht als Dauerlösung. Aufgrund der Personalmisere bleiben Spezialisten und Führungskräfte heißumworben und können bei einem Arbeitsplatzwechsel Gehaltsaufbesserungen von 20 Prozent und mehr einstreichen.

Demnach müssen ausschließlich finanzielle Anreize zwangsläufig ins Leere zielen beziehungsweise nur Mitarbeiter ansprechen, die hohe finanzielle Sicherheit verlangen. Engagierte Nachwuchskräfte, die Verantwortung übernehmen und die Geschicke des Betriebs mitgestalten wollen, werden sich von Beteiligungsmodellen ohne Mitbestimmungsmöglichkeiten kaum ködern lassen.

Beteiligung stärkt Finanzkraft

Insbesondere Softwarehäuser haben erhebliche Schwierigkeiten, die zur Entwicklung von Produkten wie Unternehmen dringend benötigten Finanzmittel von ihren Banken zu erhalten. Die Kreditwürdigkeit scheitert meist an fehlenden Sicherheiten wie am mangelnden Verständnis der Banker für die Bedürfnisse der Branche.

Die Beteiligung der Mitarbeiter bietet den IT-Unternehmen einen Ausweg. Dabei sind folgende Beteiligungsmodelle denkbar:

Mitarbeiterdarlehen

Die Mitarbeiter gewähren dem Unternehmen ein Darlehen zu einem festen oder erfolgsabhängigen Zinssatz. Abgesichert ist das Darlehen durch eine Bankbürgschaft oder einen Versicherungsvertrag. In diesem Modell erhält die Belegschaft kein Mitspracherecht. Während die Aushandlung eines Gewinnanteils - nicht zuletzt aufgrund der hohen Vertragsfreiheit der Partner - möglich ist, wird die Beteiligung an einem eventuell auftretenden Verlust ausgeschlossen. Durch die Inanspruchnahme der Mitarbeiterdarlehen verschlechtert sich jedoch für das Unternehmen selbst das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital.

Stille Beteiligung

Während die Aufnahme neuer Gesellschafter in eine GmbH immer auch den Gang zum Notar und einen Eintrag im Handelsregister nach sich zieht, ist eine stille Beteiligung von Mitarbeitern relativ einfach herbeizuführen. Das Verfahren zeichnet sich durch hohe Vertragsfreiheit aus. Die stillen Gesellschafter erhalten Anspruch auf Gewinnbeteiligung und Kontrolle über die Ertragslage des Unternehmens. Eine Verlustbeteiligung kann ausgeschlossen werden. Die an die Gesellschafter auszuschüttenden Gewinnanteile stellen für das Unternehmen gewinnmindernde Betriebsausgaben dar. Bei einer stillen Beteiligung verliert das Unternehmen jedoch seine Unabhängigkeit: Für die Veräußerung der Firma oder eine Umwandlung in eine andere Rechts- oder Gesellschaftsform ist die Zustimmung der stillen Gesellschafter erforderlich.

Genußschein

Mit Genußscheinen - einer Mischform zwischen Aktien und festverzinslichen Wertpapieren - erwerben Mitarbeiter eine Beteiligung am Jahresgewinn, die zinsbringend angelegt wird. Sie erhalten jedoch keinerlei Kontroll- oder Stimmrechte. Hierbei kann das Unternehmen die Gewinnanteile ebenfalls als gewinnmin-dernde Betriebsausgaben geltend machen. Das sogenannte Zwitterkapital ist betriebswirtschaftlich betrachtet als Eigenkapital anzusehen, stärkt somit die Liquidität des Unternehmens und dessen Unabhängigkeit gegenüber den Banken.

Belegschaftsaktie

Belegschaftsaktien haben eine lange Tradition in Deutschland und sind die derzeit verbreitetste Form der Unternehmensbeteiligung. Sie sind zumeist stimmlos und nicht börsennotiert. Der Erwerb von Beleg-

schaftsaktien durch die Mitarbeiter - meist zu besonders günstigen Konditionen - stärkt die Eigenkapitalbasis des Unternehmens. Belegschaftsaktien dienen vor allem der Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand. Die Ausgabe von Belegschaftsaktien wird durch steuerliche Vergünstigungen gefördert.

Anteile an einer GmbH

Gesellschaften mit beschränkter Haftung können ihren Führungskräften anbieten, Gesellschaftsanteile zu zeichnen. Dabei verzichten die Manager auf einen Teil ihrer Bezüge - zum Beispiel auf ihre Gewinntantiemen -, bis der Nominalwert der Stammeinlage erreicht ist. Für das Unternehmen bedeutet dies zweierlei: zusätzliches Eigenkapital und stärkere Bindung von führenden Mitarbeitern. (uk)

Vorstandssprecher Eberhard Färber preist das Beteiligungsmodell der Ixos Software AG: "Wir konnten das unternehmerische Denken und Handeln unserer Mitarbeiter fördern."

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