Wenn Führungskräfte professionalle Hilfe suchen

15.04.1999

MÜNCHEN: Manager zu sein, ist bekanntlich nicht einfach. Die knüppeldicken Quartalsvorgaben und die tägliche Informationsflut lassen viele laut aufstöhnen - was sich nicht selten in vegetativen Befindlichkeitsstörungen kanalisiert. Immer öfter führen die Big Bosse deshalb Coaches im Schlepptau, um sich auf Vordermann bringen zu lassen.In nur einem Jahr arbeitete sich der 35jährige Marian W. zum Vertriebsleiter eines mittelständischen Softwarehauses hoch und führte das achtköpfige Team binnen kurzer Zeit zu neuen Höchstmarken. Als er unerwartet zum Geschäftsführer aufrückte und es plötzlich mit 85 Mitarbeitern zu tun hatte, bekam der Jung-Manager ein flaues Gefühl. Er einen professionellen Coach, der ihn einige Tage intensiv in seiner neuen Funktion beobachtete und ihm mit Rat und Tat zur Seite stand, zum Beispiel Günter Planitzer.

Durchschnitt und Exzellenz

Der gebürtige Österreicher war zunächst Hochleistungssportler und Coach im Spitzensport. Vor genau acht Jahren übertrug er die Coaching-Prinzipien des Sports auf die Anforderungen des Managements in der Wirtschaft. Mit Erfolg, wie ein Blick auf seine Referenzliste zeigt, die Namen der Geschäftsführer von Autodesk, Sanyo, Network Equipment Technologies und Bosch/Siemens Hausgeräte enthält. Ausgehend vom ganzheitlichen Ansatz versucht der 50jährige, Führungskräfte aus der Wirtschaft zur - wie er es nennt - "Exzellenz" zu führen. Zwei Drittel aller Menschen bewegen sich im durchschnitt-lichen Bereich, behauptet Planitzer. Sein Bewertungsmaßstab basiert dabei auf der Gaußschen Normalverteilung (siehe unten). Unter 100 Menschen seien nur zwei exzellent, im absoluten Spitzenbereich gar nur einer von 100.

Ob im Sport oder in der Wirtschaft - Planitzer versteht Coaching als fördernde Begleitung zur Exzellenz. Um im Business zur Spitze zu gehören, muß der zeitgemäße Manager - Planitzer nennt ihn "Entrepreneur"- Manager, Leader und Coach in einer Person sein (siehe rechts).

Feuerentfacher und Wanderprediger

Erfahrungsgemäß sind die Management-Komponenten in den Chefetagen am besten ausgeprägt. Dabei wird zwischen externen und internen Parametern unterschieden. Zum externen Managementbereich gehört alles, was mit der Organisation und dem Ablauf der direkten und indirekten Wertschöpfungskette zusammenhängt - beginnend bei der Strategie bis hin zum Controlling. Internes Management betrifft die Organisation des Privat- und Arbeitslebens - angefangen bei der Lebens- und Jobplanung über Zeit- und Selbstmanagement, Zielsetzung, Prioritäten bis zur Erreichung der Ziele. Nicht unbedingt auf den Leib geschnitten ist vielen Managern die Rolle des Visionärs oder Leaders. Hier kommt es vor allem auf Glaubwürdigkeit an: "Ein Leader sagt das, was er tut und tut das, was er sagt", lautet Planitzers einfache Formel. Genau so wichtig ist es, Spannung zu erzeugen, mehr noch, eine Vision anzustreben und mit Begeisterung an schier unerreichbar scheinenden Zielen festzuhalten. Planitzer: "Als Visionär ist ein Manager Feuerentfacher, Feuerverbreiter, Wanderprediger und Missionar."

Forderung Nummer drei ist die des Coach. Hier gilt es, Schlüsselpersonen und Mitarbeiter in ihrer Begabung und Leistung zu fördern beziehungsweise zu fordern. Das beginnt beim einzelnen Beschäftigten und setzt sich in der Teambildung fort.

Lebensbaum mit vier Ästen

Als Coach konzentriert sich Planitzer auf den ganzen Menschen und vergleicht diesen mit einem Baum, bestehend aus vier Ästen. Da gibt es zum einen den Leistungsast: Ähnlich wie Spitzensportler scheitern auch Manager an ihrer Zielsetzung, wenn sie nicht regelmäßig ihre überdurchschnittliche Leistung bringen. Als Gegengewicht ist der soziale Ast gedacht. Der Bereich Familie und Gesellschaft wird jedoch vielfach vernachlässigt: "Es ist nichts Ungewöhnliches, daß einem exzellenten Geschäftsführer die Frau davonläuft", weiß Planitzer von Managern zu berichten, die sich im Büro wohler fühlen als zu Hause.

Oft können bereits kleinste gesundheitliche Probleme zum Absturz führen. Aus diesem Grund darf auch im Management der Ast Gesundheit nicht verkümmern. Eine solide und gesunde Lebensweise ist für Planitzer Bedingung, um über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren eine weit über dem Durchschnitt liegende Leistung zu erbringen: "Je mehr Raubbau ich kurzfristig an meinem Körper betreibe, desto eher werde ich in meiner Leistung absinken, und die Fehlerquote wächst mit der Müdigkeit im Quadrat." Gesundheit fängt bei der Ernährung an, geht über die Hygiene bis hin zur Freizeitbeschäftigung. "Auch hier muß ich als Coach schauen, was ich machen kann", so Planitzer.

Die Frage nach dem tieferen Sinn

Sollten diese drei Lebensbereiche im Gleichgewicht sein, kann es immer noch sein, daß ein Ast nicht so recht weiß, in welche Richtung er sich recken soll. Immer dann stimmt das philosophisch-ethische Fundament nicht. So steht beispielsweise bei einem Geschäftsführer in den ersten Jahren in der Regel das Finanzielle und das Leistungsdenken im Vordergrund. Doch sehr schnell stellt sich auch die Frage nach dem Sinn und Zweck.

Wer glaubt, sich nach einer einmal erbrachten Spitzenleistung zurücklehnen zu können, hat ebenfalls das Prinzip Exzellenz nicht verstanden. Wie Planitzer in der Praxis immer wieder beobachtet, kann der sogenannte Lorbeereffekt fatale Folgen haben. Denn die einmal erbrachte Spitzenleistung zu verteidigen und nicht wieder von der Konkurrenz überholt zu werden, gehört mit zum Schwierigsten.

Der Salzburger, der seine "Coachees" on the Job begleitet, muß natürlich nicht bei Null anfangen. Um was es in der Praxis oft geht, sind Verfeinerungen, die es allerdings in sich haben, etwa Umstrukturierungen in der Arbeitsmethode, in der Strategie oder im Prozeßablauf. Im Mittelpunkt steht häufig auch die Frage: "Was können wir tun, um auch ein hohes Maß an Kundenzufriedenheit zu erreichen?"

Die Hauptdefizite bei Führungskräften liegen Planitzer zufolge in den Führungs- und Coaching-Komponenten. Vor allem in einem Punkt hapert es bei vielen Führungskräften: im richtigen Umgang mit den Mitarbeitern.

Als schwierig können sich auch Konfliktsituationen erweisen, und zwar immer dann, wenn alte Rechnungen noch offen sind oder sich unvereinbare Positionen gegenüberstehen. Die berühmten Gockel also, die bei der geringsten Kleinigkeit aufeinander losgehen. Grenzen sind für viele, wie Planitzer beobachten konnte, oft die Grenzen des eigenen Denkens: "Die meisten Manager wissen nicht, was sie tun. Sie stecken so in ihrem Tagesgeschäft, in ihrer Quartalsdenke drin, daß der Blick für das Weite verlorenging." (god)

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