Wenn Mitarbeiter häufig fehlen

05.04.2000
Nicht immer ist es für ein Unternehmen tragbar, Mitarbeiter zu beschäftigen, die aufgrund von Krankheit lange Zeit ausfallen. Welche Voraussetzungen dann für eine krankheitsbedingte Kündigung erfüllt sein müssen, zeigt Wolfgang Hegels* an drei Fallbeispielen auf.

Der neue Personalleiter der Firma Modern Times, Kai Forsch, will, um Kosten einzusparen, alle Möglichkeiten zur Personalreduzierung ausschöpfen. Auf seiner Kündigungsliste stehen unter anderem:

- Katrin Schwach, Einkaufssachbearbeiterin, 35, seit 15 Jahren im Unternehmen, seit eineinhalb Jahren wegen einer schweren Magenerkrankung arbeitsunfähig.

- Thorsten Kühn, 29, seit drei Jahren bei Modern Times, Leiter IT, begeisterter Kickboxer und Extremskifahrer, der sich bei seinen sportlichen Aktivitäten in den vergangenen Jahren mehrfach verletzt hat und deshalb regelmäßig längere Zeit ausgefallen ist, 1999 insgesamt acht Wochen.

- Dieter Pech, 48, seit elf Jahren im Unternehmen beschäftigt, Gruppenleiter Organisation, der in den vergangenen Jahren des öfteren für kürzere Zeit gefehlt hat, im Jahr durchschnittlich mehr als sechs Wochen, unter anderem wegen Unfällen im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz, mehrmals auch aufgrund schwerer Grippeerkrankungen sowie einige Male aufgrund einer inzwischen überwundenen Depression.

Eine Kündigung wegen Krankheit soll nicht ein Fehlverhalten des zu Kündigenden in der Vergangenheit wie etwa eine ungenügende Arbeitsleistung sanktionieren. Vielmehr stellt sich die Frage, ob es dem Unternehmen zumutbar ist, einen Mitarbeiter weiter zu beschäftigen, der in Zukunft voraussichtlich entweder für lange Zeit oder häufiger für kurze Zeit ausfallen wird.

Krankheitsbedingt kündigen können Sie nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts also nur dann, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:

1. Eine Prognose über den künftigen Gesundheitszustand fällt negativ aus. Bei einer lang anhaltenden Krankheit ist nicht mit einer baldigen Besserung zu rechnen, oder die bisher schon häufigen Kurzerkrankungen werden voraussichtlich auch weiterhin auftreten.

2. Die betrieblichen Interessen werden durch das krankheitsbedingte Fehlen des Mitarbeiters erheblich beeinträchtigt, etwa dadurch, dass die Arbeitsabläufe stark gestört werden und der Arbeitgeber nur durch nicht mehr zumutbare Maßnahmen Abhilfe schaffen könnte.

3. Das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses (insbesondere, wenn das Unternehmen sich in einer angespannten finanziellen Lage befindet) ist höher einzustufen als das Interesse des Arbeitnehmers am Erhalt seines Arbeitsplatzes (abhängig von der Dauer der Firmenzugehörigkeit, etwaigen Unterhaltspflichten oder der Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt).

Grundsätzlich ist diese Voraussetzung zu bejahen, wenn die Arbeitsunfähigkeit mehrere Jahre hintereinander jeweils länger als sechs Wochen (gemessen an der Dauer der Entgeltfortzahlung) bestanden hat. Die gegensätzlichen Interessen sind jeweils in einer sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls abzuwägen. Ihren Handlungsspielraum sollten Sie mit einem Arbeitsrechtler ausloten. So wie Kai Forsch, der zu folgenden Erkenntnissen kommt:

- Katrin Schwach kann gekündigt werden, wenn die medizinische Einschätzung ergibt, dass sie in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht wieder gesund wird, und wenn darüber hinaus keine geeignete, der Firma zumutbare Vertretungsregelung gefunden werden kann. Und schließlich muss geprüft werden, ob nicht die Interessen von Frau Schwach den Interessen der Firma an ihrer Kündigung vorgehen, immerhin hat sie schon 15 Jahre im Unternehmen gearbeitet.

- Thorsten Kühn hat eine Kündigung zu befürchten, wenn er seinen riskanten sportlichen Aktivitäten auch weiterhin nachgeht. Denn es ist mit weiteren häufigen verletzungsbedingten Ausfällen zu rechnen, wenn er nicht nachweisen kann, dass er die Verletzungsgefahr durch geeignete Vorkeh-rungen oder angepasste Verhaltensweisen verringert. Seine Gesundheitsprognose wäre negativ. Seine zu erwartenden Ausfälle könnten in Anbetracht seiner Schlüsselposition bei Modern Times voraussichtlich nicht ohne größeren Aufwand abgefangen werden.

- Bei Dieter Pech wird eine Kündigung wohl daran scheitern, dass die zukünftig zu erwartenden Ausfallzeiten pro Jahr kaum länger als sechs Wochen sein dürften. Die von den Spätfolgen des Arbeitsunfalls herrührenden Ausfälle dürfen bei der Gesundheitsprognose von vornherein nicht berücksichtigt werden. Die Depression ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt als Ursache möglicher weiterer Fehlzeiten weggefallen, und dem Verkehrsunfall sowie den Grippeerkrankungen in der Vergangenheit lassen sich keine Anhaltspunkte für künftige Erkrankungen entnehmen.

*Dr. Wolfgang Hegels ist Rechtsanwalt und als Personaltrainer Mitinhaber des Weiterbildungsinstituts SLS Alstertal in Hamburg.

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