Wer klickt, der zahlt?

08.03.2000
Software-Patentierung: Business-Modell aus dem Mittelalter

Im Mittelalter war es üblich, zu einer nahegelegenen Straße zu ziehen, um dort von durchreisenden Kaufleuten einen Beitrag einzuziehen. Wegelagerei nannte man diese Boombranche. Heute können die Straßen in der westlichen Welt als relativ sicher gelten. Auf digitalen Pfaden, auf denen Rohstoffe der New Economy gehandelt werden, sieht es schon anders aus. Hier werden neue Wertschöpfungsformen erprobt. Einige erinnern verdächtig an das Business-Modell aus dem Mittelalter.

Zum Beispiel Software-Patente: Aus Wissen soll "Intellectual Property" werden, aus Ideen und mathematischen Formeln "geistiges Eigentum". Also, ich habe eine Idee für ein Computerprogramm, melde die notwendigen Algorithmen, technisch verklausuliert, zum Patent an und habe für die nächsten 20 Jahre das alleinige Recht, die Idee kommerziell zu Nutzen. Monopoly!

Konzernjuristen von British Telecom hatten etwa in ihren Archiven ein älteres Patent wiedergefunden, das einen Anspruch auf eine Kerntechnologie des Internet begründete: den Hyperlink. "Das kann nicht sein!", mag hier manch ein Software-Entwickler einwerfen. Das Europäische Patentamt hat doch versichert, dass Software nicht patentierbar ist. Vielmehr unterliegt sie wie ein Buch dem Urheberrecht. Das konkrete Werk ist geschützt, die Algorithmen und Ideen sind frei. Doch die gängige Praxis der Rechtsprechung tendiert in den letzten Jahren dazu, ein neues Computerprogramm als technische Erfindung zu patentieren.

In diesem Rechtstreit will nun die EU-Kommission für Klarstellung sorgen - indem sie das alte Gesetz an die neue Rechtsprechung anpasst, statt umgekehrt. Unterstützt wird dieses Vorhaben von Patentämtern und Software-Konzernen. Letztere können sich mit Patenten Konkurrenten vom Hals halten.

Auch wenn viele Patente, wie das der British Telecom auf Hyperlinks, einer Überprüfung kaum standhalten, werden allein die drohenden Prozesskosten innovative mittelständische Unternehmen abhalten, gegen diese zweifelhafte Praxis vorzugehen. Startups haben nun mal keine Anwälte, die alle Algorithmen eines Software-Projektes auf etwaige Patentverletzungen überprüfen. Und für das boomende Modell der OpenSource-Software gilt schlicht: nicht kompatibel mit Software-Patenten. Im Gegenteil: Bei lizenzfreier Software bleibt nichts übrig, was als Gebühr an den Patentinhaber abgeführt werden könnte.

Patentierbarkeit von Software ist eine Frage des gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Nutzens. Hier müssen die EU-Politiker entscheiden: Sollen Software-Patente den Fortschritt und die Innovation der Informationsgesellschaft im Keim ersticken oder nicht? Der wirtschaftliche Schaden durch Software-Patente wird einen immensen Umfang erreichen, sollte die EU den Vorgaben der Patent-Lobby folgen. Da ist es wahrlich kein Trost, dass ein derartiges Patentsystem immerhin 20.000 Spezialisten Beschäftigung bieten würde.

ID-Pro.de

www.freepatents.org

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