Wie ich andere für meine Ideen gewinne

08.05.2003
Nicht selten fehlt es auch geschicktesten Verkäufern am letzten verbalen Schliff. Rainer Baber hat Rat parat: Er liefert wissenschaftliche Antworten aus der klassischen Rhetorik zum Prozess der Überzeugung.

Andere Menschen zu überzeugen, die eigene Meinung durchzusetzen, Standpunkte zu vertreten, eigene Ziele auch zu den Zielen anderer zu machen, das ist es, was viele von der Rhetorik lernen wollen. Doch wie ist dabei vorzugehen? Der griechische Philosoph und Rhetoriker Aristoteles empfiehlt einem Redner drei Dinge zu berücksichtigen und zu signalisieren, um andere Menschen von seinem Anliegen zu überzeugen:

- Glaubwürdigkeit, (ethos, arete)

- Kompetenz (phronesis) und

- Sympathie (eunoia).

Aristoteles meinte, in der Glaubwürdigkeit das wichtigste Element zu erkennen. Diese Erkenntnis aus dem Zeitalter des Altertums wird durch moderne Forschungen bestätigt. Untersuchungen der amerikanischen Psychologen Carl Hovland, Irving Janis und Harold Kelley haben in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts ergeben, dass wir entgegen der landläufigen Meinung andere Menschen nicht primär mit guten Argumenten überzeugen, sondern mit der glaubwürdigen und selbstbewussten Darstellung dieser Argumente.

Besonders zu Beginn einer Rede/eines Gesprächs ist der Vertrauensfaktor ausschlaggebend. Dies leuchtet ein, denn ich kann noch so gute Argumente vorbringen: Wenn mir nicht geglaubt wird, werde ich niemanden überzeugen können. Daraus folgt aber auch, dass eine Person, die schlechte Argumente gut und glaubwürdig vorbringt, eher überzeugt, als eine andere, die bessere Argumente nicht oder nur wenig überzeugend darstellt!

In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Rhetorik davon ausgeht, dass ein Sprecher lediglich kompetent und sympathisch wirken solle, ohne dies tatsächlich sein zu müssen; dies glaubwürdig anderen zu vermitteln reiche aus, ja sei viel wichtiger. Das Optimum ist selbstverständlich auf allen drei Gebieten maximal zu punkten.

Glaubwürdigkeit

Damit stellt sich die interessante Frage: Wie entsteht Glaubwürdigkeit? Hierfür finden sich in der Rhetorik unterschiedliche Ansätze. Das Wichtigste scheint mir die Erzeugung von Kongruenz hinsichtlich des dargestellten Inhalts, der Körpersprache (Gestik und Mimik), der Prosodie (Tonhöhe) und Intonation (Klang der Stimme, Betonung und Rhythmik) sowie das vergangene und künftig zu erwartende Verhalten des Redners bezüglich der von ihm getroffenen Aussage. Treten hierbei Unstimmigkeiten auf, vermindert dies die Glaubwürdigkeit - unabhängig von der Wahrhaftigkeit der Botschaft.

Der amerikanische Kommunikationspsychologe Albert Mehrabian hat das Verhältnis und den prozentualen Anteil der Bedeutung von Inhalt, Körpersprache und Klang der Stimme bei Aussagen, deren Wahrheitsgehalt in Zweifel gezogen wird, untersucht. Er kam zu dem Ergebnis, daß bei einer Face-to-Face-Situation lediglich zu 7 Prozent auf den Inhalt, zu 55 Prozent auf die Körpersprache und zu 38 Prozent auf den Klang der Stimme geachtet wird, um herauszufinden, ob der Gesprächspartner lügt.

Hierbei ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die von Mehrabian gewählte Versuchsanordnung keineswegs direkt in die Praxis umsetzbar ist, weshalb die Zahlen von Psychologen und Kommunikationsexperten in Zweifel gezogen werden, beispielsweise von Heinrich Lenhart und Stefan Wachtel. Nichtsdestotrotz spiegeln sie eine Tendenz wider, die es im Hinterkopf zu behalten gilt.

Kompetenz oder Sympathie?

Noch einmal zurück zu Aristoteles. Die beiden weiteren Überzeugungsmittel macht er in der dargestellten Kompetenz und dem sympathischen Auftritt des Redners aus. Lenken wir den Fokus deshalb auf die Frage: Wann soll sich ein Redner eher um eine kompetente, wann eher um eine sympathische Wirkung bemühen? Selbstverständlich hängt dies auch vom Charakter des Redners, von den Erwartungen sowie der Stimmung der Zuhörer und vom Thema ab.

Doch die Rhetorik und Psychologie gehen weiter: Sie unterscheiden zwischen zentraler und peripherer Route der Argumentation. Als zentrale Route wird dabei das kognitive, auf Rationalität ausgerichtete Argumentieren verstanden. Die periphere Route versucht durch nonverbale Mittel, wie Gestik, Mimik, Bilder zu überzeugen. Dies ist in doppelter Hinsicht von Bedeutung.

1. Bei Empfängern von Informationen besteht die Neigung, den Weg des geringsten Widerstandes zu gehen. Das heißt, sachlich hochmotivierte und befähigte Rezipienten setzen auf die veranker-te Vorteilsargumentation; weniger befähigte Empfänger stehen rein geistiger Informationsverarbeitung noch unwilliger gegenüber! Darum kommt bei einer Rede der peripheren Argumentation die entscheidende Bedeutung zu, denn hier werden Informationen/Argumente gleichzeitig auf dem zentralen und dem peripheren Weg verarbeitet, meint der Tübinger Rhetorik-Professor Joachim Knape.

2. Für die periphere Route ist aber eine Präsenz des Redners nötig oder anders formuliert: Bei der schriftlichen Form einer Rede spielen Gestik und Mimik keine Rolle. Daraus folgt, dass je entfremdeter und indirekter das Medium ist (in abnehmender Reihenfolge: Rede, Film, Bilder mit Text, schriftlicher Text), desto mehr gewinnt die zentrale Route an Bedeutung. Deshalb ist bei der schriftlichen Form stärker auf eine schlüssige und gute Argumentation zu achten (zentrale Route) als beim direkten Vortrag. Es ist also ein großer Unterschied in der Wirkung einer Rede zu beobachten, wenn ich sie vortrage und anschließend in schriftlicher Form veröffentliche. Werbefachleute bedienen sich deshalb gerne der Bilder auf Plakaten et cetera.

Der Prozess der Überzeugung

Der rhetorische Fachbegriff für Überzeugung lautet Persuasion. Dies ist insofern erwähnenswert, da sich dieser Terminus von dem Lateinischen persuadere ableitet, was gleichzeitig "überzeugen" und "überreden" im Deutschen bedeuten kann. Und in der Tat unterscheidet man in der Rhetorik nicht, ob der Persuasionsprozess auf tatsächlicher Überzeugung basiert, das heißt durch reflektierte Übernahme von Argumenten, oder auf Überredung, also durch nicht-reflektierte, manipulative oder den Gesprächspartner überfordernde respektive überrumpelnde Methoden zustande kommt. (Kritisch wird es erst, wenn die Handlung vom Empfänger als Zwang empfunden wird.) Bedeutend ist lediglich die Etablierung des eigenen Anliegens beim Zuhörer.

Selbstverständlich kommen hier weitere Komponenten ins Spiel, beispielsweise die moralische Vertretbarkeit der angewendeten Techniken sowie das Streben nach dauerhafter Übernahme des eigenen Ziels durch den Zuhörer, was häufig nur auf der Grundlage eines fundierten Persuasionsprozesses mit entsprechenden Argumenten gelingt. Im Übrigen entscheidet einzig der Zuhörer über die Qualität der Argumente - gute Argumente sind, die ihm sinnvoll erscheinen, unabhängig von ihrer tatsächlichen Qualität und Wahrhaftigkeit.

Der Prozess der Überzeugung selbst setzt sich aus mehreren Stufen zusammen. Hovland beschreibt folgenden Ablauf:

1. Opinion Change (Veränderung der Meinung)

2. Attitude Change (Veränderung der Haltung/Einstellung)

3. Behavior Change (Veränderung des Verhaltens)

Erst wenn alle drei Stufen durchlaufen sind, kann von einer geglückten Persuasion gesprochen werden.

Problematisch ist allerdings, dass damit keine Stabilität gewährleistet ist, denn selbstverständlich kann dieser Prozess mehrmals bezüglich eines Sachverhalts durchschritten und die Meinung erneut gewechselt werden. Deshalb weist Joachim Knape darauf hin, dass nach geglücktem Persuasionsprozess die Stabilisierung der übernommenen Meinung - denn unser Zuhörer/Kunde soll nun von keiner anderen Seite mehr überzeugt werden und einen erneuten Standpunktwechsel vollziehen - das Ziel ist, sofern es sich nicht um einen Einzelverkauf handelt. Dies bezeichnet Knape als prozessua-le Persuasion. Entscheidend ist, dass nach Knapes Ansicht eine Stabilisierung des Standpunktes eine permanente Persuasion erfordert. Diese hat weitblickend die nächsten Prozessschritte einzukalkulieren, beispielsweise wie man sich verhält, wenn der Kunde erste Erfahrungen mit dem neuen Produkt gemacht haben wird.

www.lorenz-seminare.de

Zur Startseite