WLANs profitieren vom steigenden Mobilitätsanspruch

17.08.2000
Jahrelang eine wenig beachtete Nische, erfreut sich der Markt für drahtlose Netzwerkanbindungen in Unternehmen (Wireless LANs) heute wachsender Aufmerksamkeit - und das gleichermaßen bei Anwendern und Herstellern. Intel, IBM, Compaq, Cisco und Lucent sind inzwischen mit eigenen Produkten oder über Kooperationen in den WLAN-Markt eingestiegen.

Der Wunsch, mobile und stationäre Geräte wie Handys, PDAs, Webpads, Notebooks und PCs untereinander sowie mit dem Internet zu verbinden, wird stärker. Nach Vorhersagen des Marktforschers Interscape Research werden im Jahr 2002 bereits 65 bis 70 Prozent der Handybenutzer über einen schnurlosen Zugriff auf Multimedia- und Daten-Applikationen verfügen sowie E-Mail oder andere Internet-Dienste nutzen.

"Die rasche Ausbreitung von Wireless-Geräten wird den Zugang zum Internet und die Web-Nutzung radikal ändern", prognostiziert Mikael Nilsson von Axis Communications. Eine Beurteilung, die von Ron Smith von Intel geteilt wird: "Der drahtlose Zugang zum Internet wird einer der wichtigsten Trends der kommenden Jahre."

Unklare Standards

Drahtlose Datenübertragungsverfahren wie Bluetooth, Wireless LAN und Wireless Local Loop (WLL), also die Richtfunkstrecke für die letzte Meile, versprechen großes Marktpotential. Während Bluetooth-Technologien aufgrund ihrer bis dato vergleichsweise geringen Leistungsfähigkeit eher in so genannten "Personal Area Networks" im Privat- und Soho-Bereich eine Schlüsselrolle spielen werden, liegt der Einsatzbereich von WLAN-Lösungen vorzugsweise im kommerziellen IT-Umfeld.

Aufgrund veränderter Arbeitsbedingungen in den Abteilungen, steigender Mobilität der Mitarbeiter und einer schnelleren drahtlosen Datenübertragung bei sinkenden Preisen fürs Equipment sind WLAN-Lösungen für den Soho-Markt, für mittelständische Firmen und auch für große Unternehmen gleichermaßen attraktiv. Nach Prognosen des Marktforschers IDC soll die weltweite WLAN-Installationsbasis von heute 1,9 Millionen Anschlüssen auf 11,8 Millionen im Jahr 2003 anwachsen. Dies würde einem jährlichen Wachstum von mehr als 60 Prozent entsprechen.

Dennoch ist die Stimmung im WLAN-Markt nicht ungetrübt. Einer problemlosen Markterschließung steht die Verunsicherung potentieller Anwender entgegen, hervorgerufen durch eine schwer überschaubare Anzahl unterschiedlicher Technologien und Standards. Zusätzlich kompliziert wird die Suche nach einer leistungsstarken und einheitlichen Wireless-LAN-Basistechnologie durch die fortschreitenden Bemühungen der Entwickler, künftig in ihren drahtlosen Lösungen auch noch Sprach- und Datenverkehr zu kombinieren.

Die besten Karten beim Ringen um einen verbindlichen Standard hat derzeit die Wireless Ethernet Compatibility Alliance (Weca), die von 3Com, Aironet, Intersil, Lucent, Nokia und Symbol gegründet wurde. Der von der Weca proklamierte IEEE-802.11-Standard wird mittlerweile auch von Marktgrößen wie Intel, Compaq, Cisco und Xircom unterstützt. IEEE 802.11b oder 802.11 HR ("High Rate") heißt die momentan aktuelle Variante. Entsprechende WLAN-Produkte lassen Transferraten von bis zu 11 Mbit/s zu und werden neuerdings unter dem Wifi-Logo (Wireless Fidelity) vertrieben. Zur Zeit wird an der Entwicklung einer 25 Mbit/s schnellen Variante ("Hiper LAN/2") gearbeitet.

Gleichzeitig wächst der Druck auf das konkurrierende Wireless-LAN-Interoperability-Konsortium (WLI-Forum), das vom WLAN-Pionier und Marktführer Proxim angeführt wird. Mit der eigenentwickelten "Range LAN"-Technologie ging Proxim jahrelang auf Kollision mit dem IEEE-802.11-Standard, mittlerweile zeigt sich das Unternehmen kompromissbereit. Nach Vorstellung der dort Verantwortlichen wird es in Zukunft unterschiedliche WLAN-Technologien und -Standards für verschiedene Einsatzbereiche geben, sei es im Business-Umfeld oder für Heimanwender.

Dieser Entwicklung soll Proxims neue drahtlose Multinorm-Netzwerk-Lösung "Harmony" gerecht werden. Sie unterstützt nach Angaben des Herstellers alle aktuellen und derzeit in Entwicklung befindlichen WLAN-Standards - einschließlich "Open Air", IEEE 802.11b sowie des Verfahrens 10-Mbit/s-"Frequency-Hopping" und der 5-GHz-Technologien.

Unterdessen beginnt das Ringen um Startpositionen und -anteile im WLAN-Markt. Welche Bedeutung dieser Technologie in Zukunft zugebilligt wird, lässt sich daran erkennen, dass Cisco Ende des vergangenen Jahres die Firma Aironet, einen der Gründer der Weca-Allianz, komplett übernommen hat.

Als Vermarkter der Aironet-Produkte hat sich Cisco inzwischen Xircom ausgeguckt. "Das Abkommen erlaubt es, unsere Führungsrolle im Bereich des schnurlosen Datenzugriffs mit Ciscos Vorherrschaft im Internet-Infrastrukturmarkt zu verbinden", freut sich Xircom-Chef Dirk Gates. "Unser erklärtes Ziel ist es", so Gates, "das gesamte Spektrum der Wireless-Technologien abzudecken - von Bluetooth über WLAN bis hin zu WLL-Anwendungen." Sogar Mobilkommunikation via GSM (Global System for Mobile Communication) sowie über GPRS (General Packet Radio Service) wird in die Überlegungen von Xicrom mit einbezogen.

Ebenfalls kräftig am Rudern im WLAN-Fluss ist Intel. Im Dezember hat der IT-Gigant einen neuen Geschäftsbereich, die Wireless Communications and Computing Group, ins Leben gerufen. Diese soll neue Geschäftsfelder in der drahtlosen Kommunikation erschließen helfen.

Einen Schritt weiter ist da schon Compaq. Die mit Symbol gemeinsam entwickelte WLAN-Produktfamilie auf Basis des IEEE-802.11b-Standards ist bereits verfügbar.

Indirekter Vertrieb wichtig

Die rasante Entwicklung des WLAN-Marktes spiegelt sich in den Vertriebsstrategien der beteiligten Hersteller wider. Während Großunternehmen wie Xircom bereits über umfangreiche Partnerprogramme für den indirekten Kanal verfügen, befindet sich die Vertriebsstruktur der vergleichsweise kleinen Anbieter, die in der Vergangenheit den WLAN-Markt dominierten, noch im Aufbau.

"Die steigende Nachfrage hat uns dazu motiviert, zusätzliche Ressourcen für den indirekten Vertrieb freizusetzen", verkündete Proxims Europachef Bernard Picot anlässlich der Eröffnung der ersten deutschen Niederlassung der Company in Berlin. Durch die lokale Präsenz will man Vertriebspartner intensiver als bisher unterstützen und das Serviceangebot verbessern.

Ebenfalls wenig Lust, seine mühsam erworbenen Marktanteile an die nachziehenden IT-Größen abzu-geben, verspürt WLAN-Pionier Breezecom. "Der deutsche Wireless-Markt wächst sehr schnell, insbesondere bei der letzten Meile (WL) und im WLAN. Wir haben deshalb beschlossen, innerhalb der nächsten sechs Monate eine Niederlassung in Deutschland zu er-öffnen", erklärte Benny Glazer, Breezecoms Vertriebschef. Ähnlich wie Proxim erhofft sich der israelische Anbieter dadurch Vorteile bei Key-Account-Kunden und positive Einflüsse auf das beginnende Channel-Business mit Distributoren, autorisierten Wiederverkäufern und dedizierten Partnern.

Eine feste Größe im deutschen WLAN-Markt stellt die Ulmer Artem GmbH dar. Vor drei Jahren gegründet, ist man dort vom Potential des WLAN-Marktes überzeugt. Da-rauf deutet auch das Umsatzziel für dieses Jahr hin: eine Steigerung um mindestens 100 Prozent auf etwa 25 Millionen Mark.

Resultieren soll der kräftige Umsatzschub nach Vorstellung von Artem-Geschäftsführer Markus Deisböck allerdings nicht aus klassischen Einsatzbereichen der WLAN-Technologie. "Mit Ausnahme des Transportwesens, das anhaltend boomt, ist in traditionellen Branchen wie Einzelhandel, Lagerverwaltung und Krankenhauswesen eine gewisse Sättigung festzustellen. Die Wachstumszahlen haben sich dort bei etwa 15 Prozent eingependelt", erklärt Deisböck.

Seiner Meinung nach ist der fehlende Innovationsdruck in diesen drei Segmenten ausschlaggebend für diese Sättigung. "Dort besteht kein Bedarf an WLAN-Technologien jenseits von 11 Mbit/s", so der Artem-Geschäftsführer gegenüber ComputerPartner. Ferner würden die derzeit verfügbaren Produkte einem starken Preisdruck unterliegen, und die Hersteller seien sehr bemüht, ihre Hardware mit gleicher Basistechnologie auszustatten und die Geräte möglichst kompatibel zueinander zu gestalten. Deutlich bessere Marktaussichten prognostiziert Deisböck dafür gänzlich anderen Anwendungsbereichen, etwa dem Office-Segment: "Hier spielt der Datendurchsatz eine maßgebliche Rolle und entspricht bereits heute mit 11 Mbit/s dem von verkabelten Ethernet-Lösungen."

Im Mittelpunkt der Artem-Aktivitäten steht die eigenentwickelte IEEE-802.11b-kompatible Produktfamilie "Onair". Dabei handelt es sich um eine systemübergreifende drahtlose Kommunikations-Plattform, die Daten und Sprache gleichzeitig übertragen kann. Die Synthese aus WLAN-Zugang, ISDN-Router und schnurloser Telekommunikations-Anlage bietet nach Deisböcks Worten Unternehmen jeder Größenordnung eine hochvariable Infrastruktur. Die Funktionen reichen von Voice-over-IP-Telefonie bis zum drahtlosen Zugang zum Internet.

Im Zusammenwachsen von Sprach- und Dateninformationen sieht Deisböck eindeutig die Zukunft der Wireless-Technologie: "Universelle drahtlose Kommunikations-Plattformen sind zum Beispiel für die Automobilindustrie interessant." Eine verständliche Argumentation, war doch der Daimler-Chrysler-Konzern an der Gründung von Artem mit eigenem Venture-Kapital beteiligt. (sd)

www.aironet.com

www.xircom.com

www.proxim.com

WLAN-STANDARDS

Vieles noch offen

In Deutschland erhältliche Funknetze operieren im vom Normierungsgremium ETSI (European Telecommunications Standard Institute) europaweit festgelegten Frequenzband zwischen 2,4 und 2,5 GHz. Sie gelten als nichtöffentliche Funkanwendungen und sind daher nicht anmeldepflichtig. Die meisten Systeme halten sich an die im Standard ETS 300328 festgelegte Sendeleistung, die mit 100 mW deutlich unter der von Mobiltelefonen liegt (2 W im D-Netz). Sämtliche Richtlinien bezüglich gesundheitlicher Beeinträchtigungen werden deutlich unterschritten.

Immer mehr Produkte basieren auf dem neuen Standard IEEE 802.11 für die drahtlose Schnittstelle von WLANs. Doch es gibt hier drei untereinander inkompatible Übertragungstechnologien: via Infrarot, im Direct-Sequence- (DS) und im Frequency-Hopping-Verfahren (FH). DS ist zwar unempfindlicher gegen Störungen, jedoch teuerer zu implementieren und mit vergleichsweise hohem Stromverbrauch verbunden. Deshalb kommt vorzugsweise Frequency Hopping zum Einsatz. Immer stärker nachgefragte Funktionen wie Roaming oder Power-Management sind zwar vorgesehen, aber noch nicht standardisiert. Bisher angebotene Services sind herstellerabhängig und zueinander inkompatibel. (sd)

www.wirelessethernet.org

www.homerf.org

Zur Startseite