WM-Traumfinale: Marke und Design

20.06.2006

VON ULRIKE GORESSEN

Die Erwartungen an die WM in Deutschland sind enorm. Die Deutschen sollen Weltmeister werden - beim Fußball und beim Konsum. Hatte nicht schon die WM 1974 die TV-Verkäufe hochschnellen lassen? Damals kauften sich viele Deutsche einen "Buntfernseher". Im WM-Jahr 2006 setzen Industrie und Handel auf die großformatigen Flachmänner aus dem LCD- und Plasma-Lager.

CE-Business fragte nach, ob die WM einen TV-Kaufrausch oder doch eher Katzenjammer auslöst.

Vorm offiziellen Startpfiff zeigten viele Händler ganz offen ihren Frust. Laut Online-Umfrage der CE-Business hatte mehr als die Hälfte der Fachhändler deutlich mehr Auftrieb durch die WM erwartet. Andererseits: Rund ein Drittel der Händler verkaufte mindestens so viele TV-Geräte wie zuvor oder gar mehr. Und das ist gar nicht so schlecht, wenn man bedenkt, dass seit 2005 ein unglaublicher Hype um Flachbildfernseher entbrannt ist. Allein im ersten Quartal 2006 stiegen die Absatzzahlen von LCD-TVs um 135 Prozent und die von Plasmas um 82 Prozent. Damit sorgen diese beiden Flachbild-Technologien für rund 40 Prozent der verkauften Stückzahlen und für mehr als drei Viertel des TV-Umsatzes im deutschen Fachhandel.

Durch gezielte Nachfragen bei Handelsorganisationen und der Industrie relativierte sich der erste Frust-Eindruck. So vermeldet die Expert AG einen Umsatzanstieg bei Flach-TVs von 270 Prozent. Oliver Haubrich, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Electronic Partner, spricht ebenfalls von "rekordverdächtigen Absatzzahlen". Aber auch der fran-zösische CE-Internetanbieter registrierte in Westeuropa seit April ein erhöhtes Interesse an Plasma- und LCD-TVs. Laut Katja Zeidler, Managing Director Central Europe, stiegen die Verkäufe drei Wochen vor der WM sprunghaft an. Durch das Fußball-Großereignis werde der E-Tailer wohl mindes-tens 150 Prozent mehr als in normalen Zeiten verkaufen.

Die Händler haben dabei eine besonders starke Nachfrage nach Markenprodukten bemerkt. Die Kunden erwarten selbst bei einer gewissen Preissensibilität hohe Qualität und attraktives Design.

Das Gleiche gilt für Händler, wie Actebis Peacock und Ingram Micro bestätigen. Beide konnten eine gestiegene Nachfrage feststellen. Besonders gut liefen bei Ingram 32-Zoll-HD-ready-TVs, wie Peter Silberhorn, Director Consumer Channel, berichtet. Bei einzelnen Modellen kam es sogar zu Lieferengpässen. Diese gleichte Ingram durch Alternativ-Geräte aus.

Bei Actebis Peacock wurden LCD-TVs bis zu einer Größe von 37 Zoll stärker nachgefragt. Einen "Run" gab es jedoch nicht. Großformatige TVs wurden dagegen in kleineren Stückzahlen geordert, wie Volker Schwellenberg, Bereichsleiter VAD und Marketing, berichtete. Grundsätzlich gilt seiner Erfahrung nach, dass Kunden bei einer solchen Anschaffung auf hohe Qualität, klingende Markennamen und zukunftssichere Features, wie HD-Fähigkeit, achten.

Das können auch die meisten Hersteller bestätigen. So ist sich Frank Bolten, Sharp-Geschäftsführer, sicher, dass die WM ihren Teil zu dem "unglaublich großen Marktwachstum im Bereich LCD-TV beigetragen hat", vor allem im 37-Zoll-LCD-TV-Bereich. Der Kunde vollzieht laut Bolten bei einer Neuanschaffung den Sprung zum größeren Gerät. Auch Geräte mit nativer HDTV-Auflösung würden vermehrt nachgefragt.

Freude empfinden auch Marktführer Philips und sein stärkster Konkurrent Samsung. Beide konnten Absatz und Umsatz mit Flach-TVs noch mehr steigern als der Gesamtmarkt, Philips allerdings erst während der Weltmeisterschaft.

Das gilt auch für LGElectronics. Laut Heinz H. Fischer, CE-Direktor bei LG Electronics, lag der Grund für diesen Auftrieb nicht nur in den massiven Marketingmaßnahmen mit dem DFB, sondern in erster Linie an den aufgerüsteten Produktneuheiten zur WM. Luc Graré, Director Information System Products bei LG, bestätigt, dass das Unternehmen im ersten Quartal 2006 die Zahl der verkauften LCD-TVs um 64 Prozent und den Umsatz um 68 Prozent steigern konnte.

Dr. Rainer Hecker, Vorstandsvorsitzender der Loewe AG, berichtet, dass sich im Q1/06 die Umsätze mit Flach-TVs verdoppelten. Vor allem die LCD-TV-Serie Individual 32 Selection mit integriertem Festplattenrekorder sei das meistverkaufte Modell und eines der umsatzstärksten.

Damit widerspricht der Loewe-Erfolg mit Highend-Geräten der Einschätzung von Pioneer. Für Willicher macht sich die WM nur im Einstiegssegment bemerkbar. Und selbst hier sei die Nachfrage deutlich überschätzt worden. Da HDTV die Schwelle zum Massenmarkt noch lange nicht erreicht habe, werde sich der Premium- Bereich von Pioneer unabhängig von der WM entwickeln.

Auch Grundig gibt sich vorsichtig. "Die Fußball-WM im eigenen Land hat sicherlich entscheidende Impulse gegeben, um das Geschäft mit Flat-TVs zu forcieren", ist sich Britta Rürup, Marketingmanagerin von Grundig, sicher. Zu Beginn der WM seien aber die hochgesteckten Erwartungen noch nicht überall erfüllt worden, sodass die Bevorratung manch eines Händlers an der obersten Grenze angelangt sei.

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