Workflow in Europa

14.06.1996
MÜNCHEN: Workflow ist keine US-Technologie. Europäische Unternehmen entwickeln und implementieren Workflow-Lösungen bereits seit Jahren. Dabei ist der europäische Markt von Sättigungserscheinungen weit entfernt. Er bietet ein großes Wachstumspotential für Produkte und Dienstleistungen aus dem Bereich Workflow, schreibt Autor Jack Lacy, Präsident des Internationalen Dokumentenmanagement-Verbandes (IMC) in dem folgenden Beitrag.Ein Workflow-System führt die Personal- und Informationsressourcen zusammen, die für die Erledigung einer Aufgabe benötigt werden. Workflow-Software unterstützt die Konzeption und den Ablauf von betrieblichen Prozessen. Damit bilden Workflow-Systeme das Rückgrat jeglicher Arbeitsprozeß-Kon-trolle.

MÜNCHEN: Workflow ist keine US-Technologie. Europäische Unternehmen entwickeln und implementieren Workflow-Lösungen bereits seit Jahren. Dabei ist der europäische Markt von Sättigungserscheinungen weit entfernt. Er bietet ein großes Wachstumspotential für Produkte und Dienstleistungen aus dem Bereich Workflow, schreibt Autor Jack Lacy, Präsident des Internationalen Dokumentenmanagement-Verbandes (IMC) in dem folgenden Beitrag.Ein Workflow-System führt die Personal- und Informationsressourcen zusammen, die für die Erledigung einer Aufgabe benötigt werden. Workflow-Software unterstützt die Konzeption und den Ablauf von betrieblichen Prozessen. Damit bilden Workflow-Systeme das Rückgrat jeglicher Arbeitsprozeß-Kon-trolle.

Prozeßmanagement bedeutet jedoch mehr als bloße Prozeßkontrolle. Prozeßmanagement beinhaltet auch die Fähigkeit, die Prozesse zu ändern - entweder um die verfügbaren Ressourcen in der bestmöglichen Weise zu verwerten, oder um auf geänderte Bedürfnisse schnell zu reagieren. Viele europäische Workflow-Systeme unterstützen sowohl Prozeßkontrolle als auch Prozeßmanagement.

Implementierung von Workflow-Systemen

Es existieren drei Wege zur Implementierung von Workflow-Systemen:

1.) Aufbau eines völlig neuen Systems unter Verwendung von 3GL- oder 4GL-Entwicklungs-Tools.

2.) Benutzung eines Mehrzweck-

Tools und seine Integration mit externen, aufgabenbezogenen Anwendungen und Daten.

3.) Kauf einer Business-Anwendung mit integrierten Workflow-Fähigkeiten.

In Europa dominiert gegenwärtig die zweite Möglichkeit. Die dritte Option wird aber in den nächsten fünf Jahren mehr und mehr an Bedeutung gewinnen.

Workflow-Architekturen

Der Großteil der Mehrzweck-Workflow-Tools verwenden eine der beiden folgenden Architekturen:

- Elektronische Formulare bilden die Aufgaben-Schnittstellen und werden mit elektronischer Post durch die einzelnen Aufgabenstufen weitergeleitet

- Externe, aufgabenbezogene Anwendungen liefern die Aufgaben-Schnittstellen, und die Prozeß-Umgebung wird von einem Workflow-Gerät gesteuert, das heißt, einer Datenbank, die den Prozeß in jeder Stufe verfolgt. Diese Architektur ist in Europa am verbreitetsten.

Jede dieser Architekturen hat ihre starken Seiten. Die auf der Workflow-Geräte-Architektur basierenden Produkte ermöglichen ein fortgeschrittenes Prozeß-Management. Diejenigen Produkte, die auf der Formular-Architektur aufgebaut sind, unterstützen den Aufbau der Anwendungen, die für die Erledigung der einzelnen Aufgaben verwendet werden.

Die Unterschiede in der Architektur verlieren in Europa jedoch stark an Bedeutung. Denn die Anbieter von Formular-Lösungen verändern ihre Systeme, um sie mit besseren Prozeßkonzeptions- und Prozeßmanagement-Fähigkeiten auszustatten.

Weitere Vergleichskriterien

Die Evaluation und der Vergleich von Workflow-Produkten in Europa stützt sich auch auf die Analyse der Kern-Kompetenzen von Workflow-Systemen:

- wirksame Zusammenführung von Mitarbeitern und Aufgaben

- Lieferung von aufgabenbezogenen Informationen

- Konzeption von Prozessen

- Management von Prozessen

- Umfang der Prozeßumgebung, die mit dem System geschaffen werden kann

Merkmale europäischer Workflow-Anbieter

Die europäischen Workflow-Hersteller bieten kaum Produkte mit Workflow als "Zusatzwerkzeug (added workflow") an. Dabei ist Workflow ein Zusatz zu den angebotenen Imaging- oder Dokumentenmanagement-Systemen vom selben Anbieter. Die Konzepte europäischer Hersteller tendieren zu autonomen Workflow-Systemen, aus denen heraus Imaging- und Dokumentenmanagement-Funktionen aufgerufen werden können.

Ein Teil der europäischen Unternehmen (wie ICL oder Cap Gemini) liefert Workflow-Produkte, die aus der Entwicklung von integrierten Projekt-Support-Umgebungen stammen. Dieser Systemtyp ist typisch für den europäischen Markt. Zudem sind die Workflow-Funktionalitäten nicht in andere Produkte integriert. Diese Situation wird sich jedoch in Zukunft ändern. Führende europäische Hersteller von Business-Anwendungen (SAP, CGI, QSP) planen, Workflow in ihre Produkte zu integrieren.

Architektur und Organisationsaspekte

Der Großteil der europäischen Anbieter verwendet eine Datenbank-gestützte Geräte-Architektur. Nur wenige Hersteller arbeiten mit einer auf einfachen Formularen und elektronischen Nachrichten basierenden Architektur. Dies ist zum Teil auf die Infrastruktur zurückzuführen: Der Verbreitungsgrad von LAN-Netzen und LAN-gestützter E-mail ist in den USA doppelt so hoch wie in Europa. Viele europäische Workflow-Tools beschäftigen sich intensiv mit dem detaillierten Aufbau einer Organisationsstruktur: die Zusammenführung von Mitarbeitern und Aufgaben ist ihre starke Seite. Dies betrifft vor allem deutschsprachige Anbieter (WorkParty von Siemens, Workflow von CSE, Flowmark von IBM oder COSA von Software Ley).

Bezüglich der Zusammenführung von Mitarbeitern und Aufgaben ist das Bild differenzierter. Produkte wie WorkParty von Siemens bieten zwar leistungsfähige Management-Funktionen; diese Fähigkeiten sind jedoch relativ selten.

Im Vergleich zu den amerikanischen Konkurrenten entwickeln die europäischen Workflow-Hersteller eine größere Aktivität bei der Schaffung von Standards. Europa stellt etwa die Hälfte der Mitglieder der Workflow Management Coalition, dem bedeutsamsten Gremium für die Entwicklung von Workflow-Standards.

Der europäische Workflow-Markt

In den nächsten fünf Jahren wird der europäische Workflow-Markt um das sechsfache wachsen. Die Ausgaben für Workflow-Produkte steigern sich europaweit von zirka 150 Millionen Mark 1995 auf 900 Millionen Mark im Jahr 2000. Der europäische Anteil am Weltumsatz wird im Jahr 2000 über 50 Prozent betragen. Die weiter fortbestehende Überschneidung zwischen High-end-Produkten auf Basis der Geräte-Architektur und Lower-end-Produkten auf Basis der Formular-Architektur wird jedoch einen gehörigen Druck auf die Preise ausüben. Die Produkte auf Formular-Basis stehen womöglich vor einem ähnlichen Boom, wie sie bereits der US-Markt erlebt hat.

Workflow ist ein Dienstleistungsmarkt. Die Ausgaben für Workflow-Dienstleistungen waren 1995 zirka fünfmal größer als die Ausgaben für Workflow-Produkte. An dieser Relation wird sich auch im Jahr 2000 wenig ändern. Die hohen Systemintegrations-Anforderungen, verbunden mit einem ziemlich schlechten Entwicklungs-Support begünstigen diese Entwicklung.

Aufteilung des Marktes

Die Zahl der Hersteller wird sich konsolidieren: Die Angebotsseite des Marktes ist extremen Schwankungen unterworfen, und dies wird auch so bleiben. In den USA wird der Schrumpfprozeß der Anbieter wahrscheinlich ausgeprägter sein. Das europäische Workflow-Segment der Formular-Architektur mit ihren niedrigen Preisen wird in Zukunft von amerikanischen Anbietern beherrscht werden. Dieser Markt ist auf einen hohen Mengenabsatz, ein auf die USA zugeschnittenes Marketing und einen englisch-sprachigen Standort angewiesen. Europäische Hersteller werden es daher sehr schwer haben, in dieses Marktsegment einzudringen.

Europäische Anbieter haben dagegen im oberen Marktsegment eine stärkere Position. Je "reifer" der Markt, desto schwieriger wird es für europäische Unternehmen, ohne starke Partner auf dem amerikanischen Markt zu expandieren. Kundennähe ist jedoch für den Service-Teil dieses Geschäfts von besonderer Bedeutung. Die Fähigkeit, Prozeß-Schablonen auf die Bedürfnisse von spezifischen Kunden zuzuschneiden, wird ein Standortvorteil für die europäischen Hersteller bleiben.

Beziehungen mit etablierten Technologien

Die Beziehungen der Workflow-Technologie zu anderen, etablierten Technologien wie Business-Anwendungen und Client-Server-Entwicklungs-Tools werden sich ebenfalls verändern. Workflow wird sich innerhalb von Business-Anwendungen als eine integrierte Funktion mit begrenzter Erweiterungsfähigkeit entwickeln. Workflow-Funktionen von wichtigen Entwicklungsumgebungen werden für Anwendungen in erster Linie über Kooperationen weiterentwickelt.

Die Aufnahme von Workflow-Funktionen in die Entwicklungs-Tools für Client-Server-Anwendungen wird dazu beitragen, den Markt zu erweitern. Die Aufnahme von Workflow-Funktionen durch die Anbieter von Business-Anwendungen wird ebenfalls dem Markt zu mehr Wachstum verhelfen und wird bis zum Jahr 2000 einen Anteil von 20 Prozent am Gesamt-Umsatz für Workflow-Software erreichen.

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