Workstation 1997: "Der deutsche Markt ist knallhart"

20.06.1997
MÜNCHEN: Im Workstation-Markt herrscht Krieg. Zwei Parteien fechten ihn aus: Die ehrwürdigen RISC- beziehungsweise UNIX-Anbieter auf der einen Seite, die Phalanx von NT-Newcomern und konvertierten UNIX-Rittern auf der anderen. Zwar geht es in diesem Jahr um ein Marktvolumen von lediglich zirka 400.000 Workstations: 67.000 "Traditional"- und 336.000 "Personal"-Workstations. Doch Workstations stehen im Zentrum von unternehmenskritischen Anwendungen, und Hersteller erhalten hier die Ordensplakette ihrer IT-Kompetenz überhaupt.Vergessen Sie nicht: Im Workstation-Markt herrscht längst Krieg", faßt am späteren Abend ein ungenannt bleiben wollender Branchenkenner seine Workstation-Beobachtungen seit Mitte 1996 zusammen (siehe Seite 96, "Was sind Workstations?").

MÜNCHEN: Im Workstation-Markt herrscht Krieg. Zwei Parteien fechten ihn aus: Die ehrwürdigen RISC- beziehungsweise UNIX-Anbieter auf der einen Seite, die Phalanx von NT-Newcomern und konvertierten UNIX-Rittern auf der anderen. Zwar geht es in diesem Jahr um ein Marktvolumen von lediglich zirka 400.000 Workstations: 67.000 "Traditional"- und 336.000 "Personal"-Workstations. Doch Workstations stehen im Zentrum von unternehmenskritischen Anwendungen, und Hersteller erhalten hier die Ordensplakette ihrer IT-Kompetenz überhaupt.Vergessen Sie nicht: Im Workstation-Markt herrscht längst Krieg", faßt am späteren Abend ein ungenannt bleiben wollender Branchenkenner seine Workstation-Beobachtungen seit Mitte 1996 zusammen (siehe Seite 96, "Was sind Workstations?").

NT/Pentium marschiert gegen RISC/UNIX im Sturmschritt

Der Beginn des Krieges läßt sich leicht datieren: Im Sommer 1996 hatten eine Reihe von PC-Spezialisten, darunter Marktführer Compaq, ihren Eintritt in den Workstation-Markt angekündigt.

Das Billett, das den Zugang zu diesem bis dahin unerschütterlich hochprofitablen UNIX-Markt garantieren sollte, war von Chiphersteller Intel und PC-Softwareriesen Microsoft ausgestellt worden. Das "Wintel"-Duo machte sich 1996 mit der Kombination Windows NT 4.0 plus Pentium Pro-Rechner daran, die UNIX-Hersteller um den Preis ihrer fast zehnjährigen Anstrengungen zu bringen. Dabei waren die UNIX-Hersteller vorgewarnt: Im Low-end-Bereich eilte die Kombination Pentium-PCs und Windows NT. 3.5 bereits seit 1995 von einem Workstationerfolg zum nächsten. Die Riege der selbstbewußten UNIX-Workstation-Hersteller mußte erlebten, daß auch in ihrem Markt Hard- und Software-Upgrades im Halbjahrestakt möglich waren, und ihre Kunden auf einmal nicht mehr erfreut waren, wenn sie alle zwei Jahre mit Releasewechseln versorgt wurden.

Bereits bereits Ende 1995 hatte Intels Europa-Chef Hans Geyer getrommelt: "Das Thema RISC versus CISC ist tot", und Marktforscher IDC belegt, daß in Deutschland in diesem Jahr bereits mehr als ein Drittel der ausgelieferten Workstations unter NT liefen: 20.000 der ausgelieferte 38.240 Personal-Workstations. Der klassische Markt für UNIX-Workstation brachte es auf insgesamt 55.231 ausgelieferte Rechner (siehe Grafik, Seite 94 oben).

Doch diese Warnung hatten UNIX-Hersteller offensichtlich für Marketinggeklingel gehalten, das sie aus dem vor allem belächelten PC-Markt gewohnt waren. "Die UNIX-Hersteller waren nicht in der Lage, sich entsprechend schnell umzustellen", erinnert sich der zitierte Branchenkenner.

NT 4.0 + Pentium Pro schlägt im Markt ein

Doch als dann im Sommer 1996 die Gates-Programmierer das bis dahin eher im Front-end-Bereich angesiedelte Betriebssystem NT Version 4.0 mit Netzwerk- und Managementfunktionen aufgebohrt hatten und mit dem Versprechen der Skalierbarkeit auslieferten, verlor der Workstation-Markt schlagartig seinen Anschein exklusiver UNIX/RISC-Aufgabenstellung. Wider alle Erwartung und Erfahrung hatten die Redmonder, nicht zuletzt für ihre souveräne Gleichgültigkeit gegenüber PC-Software-Macken berühmt geworden, ein Betriebssystem auf den Markt gebracht, das sich in Kombination mit dem ebenfalls belächelten Hersteller Intel, Marktführer bei PC-Chips, bei Unternehmen in den Zentren der IT-Anwendungen so selbstverständlich ausbreitete wie ein Tintenfleck auf einem Löschblatt. Und als Anfang 1997 Intel den Pentium II-Chip präsentierte, machten sich die UNIX-Hersteller mit der Erfahrung vertraut, daß - ohne Anfrage bei ihnen - innerhalb eines Jahres der Kriterienkatalog für unternehmenskritisches Workstation-Computing umgeschrieben worden war.

IT-Entscheider wollen homogenen Umgebungen

Eine wesentliche Konsequenz dieser Entwicklung ist, daß beschaulich lang dauernde Investitonsmeetings in Unternehmen nun von kurz entschlossenen Businessmanagern mit NT-Schlagseite dominiert werden. Diese verlangen angesichts der immer kürzer werdenden Investitionszyklen und dem Machtwort "kurzfristige Wettbewerbsvorteile" zwar hohe Rechenleistung und einigermaßen exzellente IT-Lösungen, doch das zu einem aggressiv heruntergehandelten Preis. Letzterer versetzt UNIX-Hersteller in Erstaunen und wird nur notdürftig mit dem Hinweis auf Stabilität

des Rechners und der Softwarelösung gekontert. "Ganz klar", tritt Axel Luedeke, bei Sun Microsystems GmbH in Grasbrunn Produktmarketing-Spezialist für Server und Storage Technologies, den Rückzug an, "NT kommt von unten, aus dem Workgroup-Bereich. Die Grenzen für Workstations werden nach oben, in Richtung Mainframe-Leistung, verschoben."

Mit anderen Worten: Im Workgroup-Bereich hat die Kombination Intel/NT Unternehmen seit 1995 überzeugen können. Und da NT-Software zunehmend auch im Backoffice-Bereich eingesetzt werden kann, beispielsweise mit Serversoftware, Anbindung an Datenbanken und große Speicherplatten sowie UNIX-Emulationen, und somit wenigstens eine gewisse Harmonisierung der IT-Landschaft ins Auge fassen läßt, ist der Workstation-Markt auch für Softwareentwickler interessant geworden.

Dagegen hilft der Hinweis der RISC-Hersteller nicht, daß sie integrierte, also Hard- und Softwarelösungen in einem anbieten können. "Wir sind Herr unseres Betriebssystems", wird in UNIX/RISC-Kreisen bis heute im Brustton der Überzeugung vorgetragen.

Aber dieses Argument kommt in Unternehmen nur bei IT-Manager an. Diese sind aber in der Unternehmenshierarchie nachgeordnet.

Business-Manager entscheiden über IT-Investitionen

Die Entscheidung über IT-Investitionen fällen zu mehr als 80 Prozent ausschließlich die Business-Manager", hat Carl Mühlner, Geschäftsführer des Marktforschungsunternehmens Gartner Group GmbH mit Sitz in München, ermittelt.

Unabhängig davon, ob er diese Entscheiderpriorität für richtig hält, schließt er daraus, daß UNIX-Anbieter sich der "Herausforderung schneller IT-Zyklen stellen müssen".

Da diese aber kaum die dafür notwendigen Volumen bei der Herstellung von Chips, Rechnerarchitekturen oder Software-Integration, etwa bei der Zusammenarbeit mit Frontend-Applikationen, leisten können, sieht er den Markt "aufgeteilt in Nischen, wo UNIX-Hersteller überleben werden", und "den Massenmarkt, in dem NT dominieren wird".

Damit stimmt er mit ungefähr allen Workstation-Marktbeobachtern überein. Drastischer formuliert es Joe Clabby, Director Transitions Technologies bei Marktforscher Aberdeen Group im amerikanischen Boston: "Der UNIX-Workstation-Markt hat seinen Zenit 1996 überschritten. Zwar werden UNIX-Workstations dank ihrer breiten Basis und momentanen Überlegenheit bei Berechnungen, wie sie in intensiven CAD/CAM- oder 3D-Grafik-Berechnungen (Floating-point-Berechnungen) verlangt werden, durch NT-Workstations in den nächsten drei Jahren nicht ersetzt werden, doch die Hersteller- und Unternehmens-Tendenz im Markt ist eindeutig: NT-Workstations."

Welche Bereiche deckt NT ab?

Seitdem das Duo Intel/NT bei Geschwindigkeit und Software-verfügbarkeit mit RISC-Rechnern annähernd gleichziehen kann, ist die Frage, welche Segmente des Workstation-Marktes kommen neben dem Low-end-Markt für eine NT-orientierte Entscheidung in Betracht. Denn daß der Low-end-Markt fest in NT-Hand ist, bestreitet niemand mehr. "Der Händler ist nicht in der Lage, meinungsbildend zu sein. Der Endkunde hat sich seine Meinung gebildet. Und die lautet im Low-end-Bereich: NT", stellt Uwe Stein fest, Leiter Marketing Services bei der C2000-GmbH-Tochter Workstation 2000 GmbH in München. Die Antwort der NT-Hersteller lautet selbstverständlich: In so gut wie allen Bereichen des Workstation-Marktes.

Dazu zählen sie beispielsweise "Mechanical"- und "Eletronic Design Automation" (MDA; EDA), "Computer Automation Design" (CAD) und "Computer Automation Manufacturing" (CAM), "Digital Content Creation" (DCC), "technische Softwareentwicklung" (TCASE), "Finance and Trading" und "Geografischer Informationssysteme" (GIS) (siehe Seite 98, "Die wichtigsten Marktsegmente").

Immerhin geben NT-Hersteller zu, daß es bei der Verarbeitung sehr großer, im Terrabyte-Bereich angesiedelter Datenmengen, wie sie etwa im Bereich Geografischer Informationssysteme (GIS) oder in Data-Warehouse-Anwendungen verlangt werden, noch zu Problemen bei Clustering und Skalierbarkeit kommt.

Aber auch dazu gibt es eine Microsoft-Roadmap namens "Wolfpack", die Ende Mai von Microsoft-Chef Billy Gates an die erste Stelle der Zusagenliste der Redmonder gehievt wurde. Dazu kommen Anstrengungen von Herstellern wie Sequent, Tandem, Data General oder DEC hinzu, Clustering und Skalierbarkeit auf ihre proprietäre Weise zu lösen.

Des weiteren räumen NT-Hersteller die Schwäche ihrer Workstations bei "Floating-point"-Berechnungen ein. Diese bilden die Hauptaufgabe von Workstations in den Bereichen CAD/CAM oder MDA, da hier rechnerintensive Volumenmodellierung oder komplette Planungsablaufsteuerung von Unternehmen an der Tagesordnung sind. Doch auch hier will Intel noch in diesem Jahr, spätestens Anfang 1998 nachziehen.

Grafik-Spezifikationen wie "Accelerated Graphics Ports" (AGP) versprechen entsprechenden Grafikdurchsatz und die Zusammenarbeit zwischen Grafik-Subsystemen und Systemspeicher im GB-Bereich, so daß man bei Intel "in den nächsten zwei Jahren mit einem Workstation-Zuwachs von über 100 Prozent rechnet", so Stephan Negre, Produktmanager Pentium II Processor Europe bei der Intel GmbH in Feldkirchen.

ISVs erkennen die Marktveränderung

Und da beispielsweise CAD/CAM-Software-Anbieter wie Autocad, Parametrics Technologies (PTC) oder EDS Unigraphics, EDA-Anbieter wie Viewlogic oder DDC-Anbieter wie Alias neuerdings auf die NT-Karte setzen, scheint es momentan ganz so, als wäre der Rückzug der UNIX-Anbieter in Workstation-Nischen wie zum Beispiel den kommerziellen Markt ("Finance and Trading") beschlossen. Mit "die Grenzen zwischen UNIX und ,Wintel' sind fließend", umschreibt IBM- Chefdesigner Joseph Reger diesen Sachverhalt. Hans-Peter Scherrn, Produktmanager Workstation bei Silicon Graphics Deutschland in München, formuliert das UNIX-freundlicher, doch es läuft auf das Gleiche hinaus: "Die Nachfrage nach unseren Produkten ist ungebrochen. Der Kunde braucht jetzt eine Lösung seiner Probleme, nicht in einem Jahr." Allerdings, gibt er zu, "verkaufen wir auch nicht im Massenmarkt, sondern im High-end-Bereich."

Unser Branchenkenneraber setzt in Anbetracht dieses Rückzugs auf UNIX-Inseln provokant hinzu: "In der Branche wird immer wieder darüber diskutiert, ob es UNIX in zwei Jahren noch geben wird".

Das ist zwar selbst in Augen von NT-Enthusiasten wenig wahrscheinlich. Denn es würde für NT-Anbieter bedeuten, den im lukrativen Workstation-Markt notwendigen Support und Service ähnlich effektiv aufbauen zu können, wie es RISC-Anbieter seit Jahren tun. "Entscheidend für NT-Anbieter ist, daß sie die Struktur des Workstation-Marktes in ihrem Unternehmen aufnehmen und abbilden können. Das bedeutet, neben schneller Portierung von Anwendungen eine klare Channel- und Support-Strategie", erklärt Andreas Zilch, Market Research Director bei der deutschen Filiale von Marktforscher Meta Group in München, mit erhobenem Zeigefinger Richtung NT-Workstation-Newcomer wie etwa Compaq.

Doch richtig ist an der provokanten These, daß sich UNIX-Hersteller damit abfinden müssen, einen proportional zum NT-Markt immer kleiner werdenden RISC-Markt zu adressieren. Oder in den Worten von Chefdesigner Reger von IBM: "Die Domäne von UNIX wird der Bereich hochperformanter Anwendungen bleiben.".

Welche Bereiche deckt UNIX ab?

Ebenso sicher ist sich der IBM-Denker, daß "es für UNIX-Anbieter in den nächsten Monaten spannend wird". Ob damit die UNIX-Anbieter zu erfreuen sind, die nach Meinung vieler Marktbeobachter von einer Krisensitzung zur nächsten hasten und im übrigen mit Ausnahme von Sun NT-Workstation in ihr Produktportfolio aufgenommen haben, sei dahin gestellt.

Immerhin sind sie sich darin einig, daß "NT erst in zwei Jahren dort sein wird, wo wir jetzt schon stehen", hofft Luedecke. Denn "die Applikationsseite bestimmt den Einsatz von Workstations", versichert er. Das müßte allerdings praktisch bedeuten, daß die von NT angegangenen Märkte sich dann noch weitgehend in RISC-Händen befänden.

Doch selbst wenn das zutreffen würde: Nach übereinstimmender Ansicht von Marktforschern steht fest, daß Workstations, zusammen mit Server- und Netzwerksoftware, im Zentrum der strategischen, also längerfristigen IT-Entscheidungen von Unternehmen stehen. Deshalb bildet ein zentrales Kriterium bei der Implementation von Workstations ihre Zusammenarbeit mit der restlichen DV-Landschaft.

"Die Integration von Workstations ist entscheidend", verfeinert Reger das Applikationsargument. "Hier muß gewährleistet sein: Stabilität, hohe Perfomance, wie sie 64-Bit-Systeme bieten, und Anbindung an die DV-Landschaft. Denn was mache ich, wenn ich wichtige Daten durch das Unternehmensnetz schleusen will?"

Integration, Support und Service bei UNIX-Herstellern

Mit dieser Problemstellung vertraut zu sein ist deshalb für RISC-Hersteller ein entscheidendes Argument zugunsten ihrer Workstations. "UNIX ist ein bewährtes System. Es gibt insgesamt mehr als 12.000 Anwendungen, die seit Jahren stabil laufen, und es gibt so viele Connectivity-Tools, so daß es kein Problem macht, Workstations in DV-Netze einzubinden", ist sich Einhard Schmätzke, Inhaber des Systemhauses Schmätzke in Großostheim und seit zehn Jahren UNIX-Anbieter, sicher. "Das sind auch die wirklichen Vorteile von UNIX. Denn wenn Sie bedenken, daß Hardware nur 20 Prozent der Investitionen bei Workstations ausmachen, macht sich der nachträgliche Supportaufwand schnell bemerkbar. Als NT-Händler können Sie zwar über den Preis verkaufen, doch der Post-Sales-Aufwand frißt ihnen die Marge schnell weg."

Mit dieser Ansicht steht er nicht allein. Denn wenn auch NT-Installationen zunächst einfacher erscheinen als die von UNIX (siehe Seite 96, oben), so kann das nicht darüber hinwegtäuschen, daß vielen NT-Adepten, "die Installations-Folgekosten, der Support und Service noch nicht bewußt sind", ist sich Schmätzke sicher.

Ihn bestätigt Hermann Krämer, Geschäftsstellenleiter des Münchener Systemhauses "Mac for you". Er ist gerade dabei, leise eine NT-Abteilung aufzubauen, nachdem er von seinem Hersteller, was Workstation angeht, durch den Verzicht einer MacOS-Portierung auf IBMs UNIX-System AIX im Stich gelassen wurde. "Bei Einarbeitung, Wartung, Peripherieanbindung und Kompatibilität schneidet NT weitaus schlechter ab als UNIX oder Apple. Für kleine Händler ist es nach meiner Erfahrung nicht möglich, dem erhöhten Supportaufwand bei NT nachzukommen. Deshalb stellt sich für sie die Entscheidung für NT so dar, daß sie entweder nur NT machen oder aber gar nicht", weiß Krämer. Und er hakt mit einem weiteren Argument wider die NT-Euphorie nach: "Bei UNIX kaufen Sie eine Lösung und selbstverständlich ein Servicepaket dazu. Wenn Sie bei NT ein Servicepaket verkaufen wollen, müssen Sie erklären, wozu das gut sein soll. Denn bei NT nehmen viele an, daß es sowieso läuft. Das ist aber definitiv nicht der Fall."

Für Händler ist NT "schwieriger"

Insofern nimmt er die zuerst von Sun im Zusammenhang mit dem Netzwerk Computer (NC) ins Leben gerufene "Total-Cost-of-ownership"-Debatte, die mittlerweile von Microsoft und NT-Anbietern für eigenen Zwecke dienstbar gemacht wurde, wenig ernst. "Aus Händlersicht heißt Gesamtkosten bei NT: Sie erhalten fünf bis sieben Prozent Marge bei Hardware, aber elf bis 13 Prozent bei Service. Wenn Sie nun ständig nachbessern müssen, kommen Sie auf Null Prozent Marge" ist er sich sicher.

Selbstredend findet sich dieses Argument bei NTUNIX-Herstellern : "Wir wollen eigenen Value Ad bieten - auch bei Support und Service", erklärt SGI-Manager Scherrn. "Bei NT ist das nicht möglich." Ebenso argumentiert Sun-Manager Luedecke "Alles wird mehr vernetzt und zusammengepackt. Ohne entsprechende Expertise haben Sie in diesem Markt wenig Chancen."

Daß er mit diesem Argument nicht falsch liegt, bestätigt ihm Workstation-Newcomer Compaq. Dort versucht man, für die Geschäftseinheit "Workstation" "ein qualitativ hochwertiges Vertriebs- und Unterstützungsnetz" aufzubauen, trommelt Günther Martin, bei Compaq Deutschland in München verantwortlich für die Workstation-Abteilung. "Wir wissen als PC-Company, wie man Volumen handhabt. Doch um im Workstation-Markt erfolgreich zu sein, müssen wir unsere Partner bei Service und Support unterstützen, wie sie es von UNIX-Anbietern gewohnt sind", lautet seine Devise.

"Richtig", bestätigt ihn Manfred

Willem, bei Hewlett-Packard (HP) in Böblingen Marketing Manager

Technische Computersysteme und Technologien. Er verweist auf den Vorteil, den HP als Anbieter von RISC- und NT-Workstation

bieten kann: "Wir haben die Erfahrungen mit Dienstleitungen, wie

sie im Workstation-Markt gebraucht werden." Und da DEC mit dem

nämlichen Argument wirbt, setzen UNIX-Anbieter auch darauf, daß "die Wintel-Anbieter hier erst lernen müssen, was bei Workstations notwendig ist: Wenig Post-Sales-Support bei Hard- und Software, aber viel Service. Workstations stehen nun mal in Mischumgebungen und nicht, wie Microsoft glauben machen will auf der grünen Wiese", versichert Sun-Händler Schmätzke.

Wie entwickelt sich der Markt?

Der Workstation-Markt geht auf seiner gesamten Breite in Richtung NT", resümiert Marktforscher Joe Clabby. Er erwartet, wenn Microsoft hält, was es in Sachen Clustering, Skalierbarkeit und Stabilität verspricht, eine "weitere, durchgängige Erosion des UNIX-Marktes bis zum Jahr 2000 durch NT". Immerhin gesteht er den UNIX-Anbietern "dank ihrer installierten Basis" zu, daß sie auch weiterhin ihren Platz in DV-Landschaft haben werden, In ähnlicher Weise interpretiert Elmar Selbach, Leiter Marketing, Visual Computing Segment, bei Multivendor-Anbieter Digital Equipment in München, den Markt: "Ende der achtziger Jahre haben Unternehmen proprietäre Betriebssysteme gegen UNIX ausgetauscht. Diese Neuinvestitionen werden heute noch fortgesetzt und liegen also noch in der Abschreibungsfrist."

Es liegt jedoch auf der Hand, daß allein mit dieser Situation UNIX-Hersteller keinen Staat machen können, Denn "der allgemeine Übergang zu NT macht in Zweifelsfall auch Firmen mürbe, die sich UNIX-überzeugt zeigen", glaubt der anonyme Branchenkenner. "Hier spielen psychologische Gründe eine Rolle. Begründen Sie mal, warum Sie auf einer UNIX-Insel sitzen, wenn es um Datenaustausch mit einer NT-Filiale geht!"

So müssen UNIX-Anbieter auf die Karte setzen, die sie seit 1996 gegen NT hochhalten: UNIX-Workstations und -Server erledigen Aufgaben, denen NT nicht gewachsen ist. Im Mittelpunkt dieser Argumentation stehen höhere Rechenleistungen, also 64-Bit-Power und der Hinweis auf die UNIX-Server in den meisten Unternehmen", erklärt IBM-Denker Reger. Ob davon die RISC-Workstation-Hersteller gut leben können, ist noch nicht ausgemacht.

Doch erwächst ihnen womöglich Rettung aus einer anderen Ecke, nämlich dem NC-Bereich. Denn mit diesem werden Anwendungen wieder über Hochleistungsserver laufen, eine klassische UNIX-Domäne, und außerdem verspricht die derzeit als plattformunabhängige Software am meisten diskutierte Software Java, die Abhängigkeit von welchen Betriebssystemen auch immer zur IT-Historie machen zu können.

Bis dahin aber werden die Hersteller von UNIX-Workstation noch viele Verluste im Kampf um Kunden hinnehmen müssen. Auch wenn Sun-Chef Scott McNealy allseits beteuert: "Von Intel-Prozessoren und flimmrigen Windows-Oberflächen haben wir nichts zu befürchten." Der Markt gibt ihm jedenfalls im Jahr 1997 nicht recht. (wl)

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