Workstation-2000-Chef Vogt: "Die Anforderungen an das Systemhaus steigen"

15.06.2000
Er steht immer ein wenig im Schatten der großen Mutter Computer 2000: der Value-Added-Distributor Workstation 2000 in München. Das hat dem Spezialisten fürs Komplizierte bisher nicht geschadet.

Seit zehn Jahren gibt es die Workstation 2000 GmbH in München - man feiert in diesem Jahr einen runden Geburtstag -, und fast die gesamte Zeit über war Roland Vogt der Boss. 1991 wurde er zum Geschäftsführer ernannt, nachdem er zuvor zwei Jahre als Vertriebsleiter bei der Mutterfirma Computer 2000 "gelernt" hat. Schnauzbartträger Vogt hat das in ihn gesetzte Vertrauen nicht enttäuscht: Workstation 2000 oder W2000, wie der Value-Added-Distributor abgekürzt wird, entwickelte sich unter seiner Leitung zum Top-Unternehmen in diesem Segment mit einem Umsatz von zuletzt 260 Millionen Mark. Zur Belohnung gab es eine Beförderung: Seit 1997 ist Vogt für alle Workstation-2000-Gesellschaften in Europa verantwortlich.

"Wir sind mit unseren Kunden groß geworden", sagt Vogt. Und dann fällt ihm noch ein schöner Satz ein: "W2000 ist der Spiegel von erfolgreichen Vertriebspartnern." Das ist für jemanden wie Vogt, der Nachrichtentechnik studiert und ein Diplom erworben hat, fast schon Lyrik. Gut, wer von den rund 400 Stammkunden seit wann dabei ist und wie sich die Unternehmen im Einzelnen entwickelt haben, hat Vogt nicht im Kopf.

Aber der Herr Klepper von HCS in Hamburg, der sei schon lange dabei, seit 1993. Nun ist Klaus Klepper nicht nur Geschäftsführer des bereits seit 1981 bestehenden Sys-temhauses HCS Hanseatischer Computer Service GmbH (30 Mitarbeiter, 15 Millionen Mark Umsatz), sondern als Nordlicht zu überschwenglichen Äußerungen schon rein genetisch nicht in der Lage. Entsprechend seine Antwort auf die Frage, ob sich sein Unternehmen auch so gut entwickelt hat wie W2000: "Wir haben uns am Markt positiv behaupten können." Na ja, denkt der Gesprächspartner, ist ja auch schon etwas. Andere Firmen, die dieselben Buchstaben im Namen trugen, nur in einer anderen Reihenfolge, konnten das nicht von sich behaupten. Wie die Zusammenarbeit mit Workstation sich so gestaltet? "Wenn man wie wir sieben Jahr nicht fremdgeht, ist man sehr zufrieden mit seinem Distributor. Die Zusammenarbeit mit Workstation 2000 war immer ausgezeichnet", schickt er einen netten Gruß von Nord nach Süd.

Workstation 2000 - eine Erfolgsstory? Ja, das kann man sagen. Sicher auch ein Grund dafür, dass die Übernahme des Computer-2000-Konzerns durch den amerikanischen Distributor Tech Data vor zwei Jahren bei W2000 kaum Spuren hinterlassen hat. Man muss Vogt auch schon selbst auf dieses Thema ansprechen, sonst geht es unter. Dann sagt er, dass er mit Tech-Data-Boss Steven Raymund zu Beginn ein sehr langes Gespräch gehabt habe, und dass er sehr davon angetan gewesen sei, wie viel Verständnis der Amerikaner für das Business von W2000 mitbrachte. Nennenswerte Auswirkungen? Nein, die habe die Übernahme eigentlich nicht gehabt. Sicher ist es ein Vorteil für Vogt, dass Tech Data in den USA nicht im VAD-Bereich engagiert ist. Da ist die Gefahr, dass sich ein Amerikaner in das Geschäft in Europa einmischt, nicht so groß. So lange die Zahlen stimmen, versteht sich.

Natürlich gibt es auch einige Themen, über die man in der Münchener Wolfratshauser Straße 84 nicht so gerne spricht. Zum Beispiel die Geschäftsbeziehungen mit Sun und Digital Equipment/Compaq Alpha, die sich nicht so entwickelt hatten wie erhofft und beendet wurden. "Sun ist als Distributionspartner nicht so geeignet", erklärt Vogt. Die Distributoren heißen bei Sun "Mas-ter Reseller", und ihre Aufgabe sei im Wesentlichen die eines reinen Outsourcers, zu deutsch: Befehlsempfänger. W2000 dagegen verstehe sich als "New Business Developer" (Vogt). Das Geschäft mit Sun lief zwar gut, versichert Vogt, aber das Ziel, dem Sun-Top-Distributor DNS Marktanteile abzunehmen, wurde verfehlt.

Und bei Compaq? Compaq heißt bei W2000 eigentlich Digital Equipment. Bereits ein Jahr vor der Übernahme von Digital durch Compaq kam immer mehr Sand ins Getriebe. Nach der Übernahme durch Compaq hat man das Thema gar nicht erst wieder aufgenommen.

Stattdessen setzt man mehr auf IBM. Big Blue sorgt für den größten Umsatz, und die Hälfte davon kommt von der AS/400. Leider lief das Geschäft zu Beginn dieses Jahres etwas schleppend, weil IBM eine neue Linie angekündigt hatte, weshalb zahlreiche Kunden erst einmal abgewartet haben. Möglicherweise kommt mit Fujitsu Siemens ein neuer Hersteller ins Boot. Die Allianz zwischen Fujitsu Siemens und Computer 2000 sorgt für Nähe auch im Midrange-Geschäft.

Der älteste und "stabilste" (Vogt) Partner von Workstation 2000 ist aber HP. Und auf diesen Hersteller läßt der W2000-Geschäftsführer auch nichts kommen. Für HP fertigt W2000 in Bischofsheim Server und Workstations für ganz Europa.

Kein Erfolgskapitel ist auch das W2000-Engagement in Großbritannien. Weil es der britischen Tochter nicht gelungen ist, die wichtigsten Hersteller ins Boot zu bekommen, wird die W2000-Fahne auf der Insel wieder eingerollt. Man suche nach einem Käufer für die Division, heißt es. Ob man hierbei mehr Erfolg haben wird, wird sich zeigen.

Was sind die Trends, was treibt das Geschäft derzeit an? Natürlich, wie kann es anders sein: das Internet. Nicht nur brauchen die vielen Firmenneugründungen in diesem Bereich entsprechende Rechner und Software. Sondern das gesamte Thema Speicher wird immer wichtiger. Dann Windows NT: Der Hauptgrund für den Umsatzsprung im vergangenen Geschäftsjahr war der in dem Jahr aufgenommene Vertrieb von NT-Workstations und Highend-Servern. Weil Linux mehr und mehr kommt, sind die Münchener jetzt eine Allianz mit Red Hat eingegangen. Stolz ist W2000-Chef Vogt auch auf die Partnerschaft mit SAP. "Wir sind der einzige Distributor weltweit, der SAP-Mittelstandspartner ist", wirft er sich in die Brust. Sein Job: im Wesentlichen die Gewinnung (neudeutsch: Recruiting) von SAP-Systemhäusern.

Und die nächsten zehn Jahre? Grundsätzlich ist für Vogt, wen wundert’s, "kein Ende des Erfolgs in Sicht". Richtig ist sicher, dass die lösungsorientierten VADs nicht unter einem ähnlich starken Druck stehen, ihr Geschäftsmodell zu überdenken, wie die großen, auf das Massengeschäft ausgerichteten Broadliner. Deshalb ist E-Commerce für Vogt auch kein angstbesetztes Thema. Im Gegenteil: Rund 70 Prozent des Geschäftsverkehrs mit seinen Kunden und Lieferanten laufe bereits auf elektronischem Wege, und das elektronische Bestell- und Informationssys-tem Wintouch 2000 sei schon eine große Hilfe.

Das Business, in dem sich W2000 bewegt, und das auch die Kunden aus dem Systemhausbereich betreiben, ist ein People-Business. Und das wird auch so bleiben, davon ist Westenträger Vogt überzeugt. Allerdings: Die Anforderungen steigen. Das Internet hat für eine zunehmende Preistransparenz gesorgt. Nicht nur bei den Produkten, sondern - schlimmer noch - auch bei den Dienstleistungen, also den eigentlichen "Mehrwerten". Für das Systemhaus bedeutet dies vor allem eins: Es muss beim Kunden einen Top-Job machen, wenn es ihn halten will. Das Know-how der Mitarbeiter, aber auch ihr Auftreten dem Kunden gegenüber, ist dazu der Schlüssel. Keine grundsätzlich neue Erkenntnis, sicher, aber aufgrund der Transparenz und der Vergleichbarkeit fällt dem Kunden die Suche nach Alternativen leichter. Grundsätzlich aber gilt, da gibt es für Vogt gar kein Vertun: "Der Vertriebspartner zumindest aus unserem Kundenkreis ist gefragter denn je."

Allerdings wird sich die Art und Weise ändern, Geschäfte zu machen, meint Vogt und hat dabei vor allem solche neuen potenziellen Kunden im Auge, die sich als ASP aufstellen. "Der Vertriebspartner muss nicht unbedingt immer einkaufen und verkaufen, sondern er kann auch auf Basis einer Provision reine Kundenakquise und -Betreuung leisten", überlegt er. W2000 kümmere sich dann um die Details. Also das gesamte Fulfillment inklusive Rechnungslegung, dies allerdings "im Auftrag" des Vertriebspartners. Warum man das macht? "Es gibt Geschäfte", sagt Vogt, "die sind aufgrund der vor allem durchs Internet möglichen Preistransparenz einfach nicht mehr zu subventionieren." Glauben Sie nicht, dass Ihre Vertriebspartner bei Ihnen Sturm laufen? "Wenn wir unseren Partnern Geschäft wegnehmen wollten, hätten wir das schon immer machen können", sagt er, und dann benutzt er einen Ausdruck, den man heute nur noch selten hört: "Fachhandelstreue". "Wir geben unsere Fachhandelstreue nicht auf", verspricht Vogt, und das hört sich so an wie ein Satz aus einer Zeit, die lange vorbei ist. Dennoch: Vogt ist jemand, dem man abkauft, dass er es auch so meint. Letztlich hat er auch keine andere Wahl, als diesen Weg zu gehen. "Die Hersteller drängen uns in diese Richtung", erklärt er.

Und sich gegen seine Hersteller zu stellen, das kann sich ein Unternehmen wie W2000 nicht leisten. Auch wenn es immer mal wieder ganz schön wehtut. Hier lautet das Motto: Was uns nicht sofort umbringt, härtet uns ab. Ein Beispiel ist das Thema Direktvertrieb der Hersteller. Fast alle, mit denen Vogt zusammenarbeitet, tun es. Sowohl in Richtung seiner Kunden (also den Systemhäusern, indem sie mit den Großen direkt zusammenarbeiten wollen) als auch in Richtung der Kunden seiner Kunden (also den Anwenderunternehmen). "Wir leben mit einem ständigen Kanalkonflikt", sagt Vogt. Früher habe er sich immer mächtig darüber aufgeregt, aber heute reagiere man auf solche Situationen viel entspannter.

Letzten Endes brauchen die Hersteller uns doch, ist sich Vogt sicher. Zumindest so lange die VADs Leistungen erbringen, die selber aufzubauen die Hersteller einfach zu viel Geld kosten würde. Dennoch wird auch bei den VADs ausgesiebt werden. Die Hersteller, erzählt Vogt, wollen nur noch wenige, international operierende Distributoren. In den USA hat der Ausleseprozess bereits stattgefunden. So hat zum Beispiel IBM die Zahl der Distributionspartner innerhalb der letzten drei Jahre von 30 auf drei radikal heruntergefahren. Ähnliches erwartet Vogt auch in Europa.

Für ihn - welche Überraschung - steht fest, dass W2000 die kommenden Stürme überleben wird. Noch die ein oder andere gezielte Verstärkung im Ausland (Frankreich zum Beispiel und Italien, auch Großbritannien ist noch nicht endgültig abgehakt), dann sei man perfekt aufgestellt. Vogt rechnet jedenfalls auch für die kommenden Jahre mit Umsatzzuwächsen im zweistelligen Prozentbereich.

Und Roland Vogt, wird der in zehn Jahren noch immer auf dem Chefsessel von Workstation 2000 sitzen? "Ja klar", schmunzelt er, "wenn mir nichts dazwischenkommt." (sic)

www.workstation2000.de

Zur Startseite