Wunderwaffe im Verdrängungswettbewerb?

11.04.1999
DÜSSELDORF: Die sich immer weiter verschärfende Wettbewerbssituation ist für Handel und Industrie die Hauptbedrohung des nächsten Jahrzehnts. Gewinner dieses Kampfes ist der Verbraucher. Er kann aus einem Überangebot frei wählen, was er wann bei wem zu welchem Preis kaufen möchte. Der Handel ist dabei jedoch nicht automatisch der Verlierer, meint Gabriele Hunstiger*.

Längst vorbei sind die Zeiten der sogenannten USPs (einzigartige Produktvorteile), die Produkte aber auch Ladengeschäfte voneinander unterscheidbar machten. Jetzt ist die Zeit der "me toos", die Marken und Shops austauschbar macht. Unser Kunde hat gelernt, daß fast alle Produkte und Leistungen von ähnlicher oder gar gleicher Qualität sind, und der Preis ist häufig Kaufentscheidungsfaktor Nummer eins geworden.

Vielen Händlern fehlten in der Vergangenheit neben dem Preis weitere Profilierungsfelder. Der zunehmende Preiskampf führte häufig eher zu einer sinkenden Ertragssituation des Handels als zur Kundengewinnung oder -bindung. Daher wird für die Zukunft auf stärkere Differenzierung durch Verkaufsförderung gesetzt.

VERNETZUNG VERKAUFSFÖRDERNDER MASSNAHMEN

Da sich diese steigende Bedeutung der Verkaufsförderung in allen Branchen - sowohl in der Industrie als auch im Handel - abzeichnet, führt die Düsseldorfer Agentur Frey Beaumont-Bennett seit einigen Jahren eine Studie zu den Entwicklungen in der Verkaufsförderung durch. Eine der Haupterkenntnisse dieses "VKF-Trendreports" ist, daß VKF-Konzepte immer weniger durch isolierte Einzelaktionen, sondern vor allem durch die Vernetzung verschiedener VKF-Mittel, kundenindividuelle VKF-Maßnahmen und Kooperationen in der Verkaufsförderung zum Erfolg führen.

Die traditionelle reine "Display-Preis-Promotion" kann zwar zu einem kurzfristigen Absatzerfolg führen, zur so dringend notwendigen Profilierung des Händlers führt sie aber nicht. Deshalb sei den Händlern empfohlen, statt auf die herkömmlichen VKF-Aktionen auf vernetztes POS-Marketing zu setzen. POS-Marketing bedeutet dabei nicht, daß sich die Maßnahmen auf das Geschäft vor Ort oder den Verkaufsraum beschränken. Die POS-Marketing Association definiert POS-Marketing sehr viel weitreichender: POS-Marketing ist der effiziente Einsatz aller Ideen, Mittel, Maßnahmen und Methoden, die dazu dienen, den Durchverkauf von Produkten, Sortimenten und Dienstleistungen aus dem Handel zu forcieren und die Einkaufsstätten-Treue zu unterstützen. POS-Marketing ist verantwortlich für Distribution am POS, Frequenz zum POS und Abverkauf am POS.

DER KAMPF UM DIE GUNST DER KUNDEN

Zwar ist der Computerhandel im Vergleich zu vielen anderen Märkten hinsichtlich der Wachstumsraten noch ein optimistisch zu sehender Markt, aber auch hier findet ein zunehmender Verdrängungswettbewerb statt. Neben den großen Multimediaketten und dem Fachhandel einerseits und preisaggressiven PC-Discountern andererseits, die um die Gunst der Kunden kämpfen, gibt es seit einigen Jahren auch noch neue konkurrierende Vertriebslinien. Einerseits erzielen die "Exoten" im Computerverkauf, wie zum Beispiel Aldi oder Tchibo, erstaunliche Quoten im Verkauf einfach geschnürter, extrem preisaggressiver Einsteigerangebote. Anderseits aber kann natürlich der Computerhandel im Internet mit weiter steigenden Zuwachsraten glänzen. Schaut man sich die E-Com-merce-Statistiken der letzten Jahre an, so liegt der Kauf von Computersoftware immer direkt hinter Büchern an zweiter Stelle und die PC-Hardware an vierter Stelle der online eingekauften Waren. Kein Wunder, daß sich diese Entwicklung laut aller Prognosen weiter fortsetzt, sind doch Kunden gerade durch ihre Computeraffinität die prädestinierten E-Commerce Kunden.

VOM WETTBEWERB DIFFERENZIEREN

Die Luft wird also auch für jeden einzelnen Computerhändler im Markt dünner. Die Hauptfrage, die sich ein Händler bei einer solchen Wettbewerbsdichte stellen muß ist: "Wie differenziere ich mich von meinen direkten Wettbewerbern vor Ort und den indirekten Wettbewerbern, um mein Marktpotential möglichst hoch auszuschöpfen?"

Neben den wichtigen Handelsfaktoren "das richtige Sortiment am richtigen Ort zum richtigen Preis" anzubieten, kommt daher vor allem dem gezielten Einsatz von POS-Marketing eine immer größere Bedeutung zu. Nur so kann sichergestellt werden, daß alle Stufen im Verkaufsprozeß von der ersten Ansprache über die Gewinnung von Neukunden bis hin zur Stammkundenbindung mit entsprechenden Maßnahmen konsequent durchdacht und ausgearbeitet werden.

EIGENEN NAMEN WIE MARKENARTIKEL POSITIONIEREN

Neben dem zur Verfügung stehenden Budget wird die Auswahl der POS-Marketing-Instrumente natürlich davon abhängen, wie jeder einzelne Händler sich positioniert hat und welche Kundenstruktur er mit dieser Positionierung ansprechen will. Bei allen Aktivitäten ist die entscheidende Frage: Wie unterscheide ich mich von meinen Wettbewerbern.

Der allgemeine Trend im Handel geht zur Zeit dahin, Handelsunternehmen wie einen Markenartikel zu positionieren und zu vermarkten. Hierzu gehören natürlich der Sortimentsmix, der Bedienungs- und Beratungsanteil, der Servicegrad genauso wie die Preisstellung. Je eindeutiger den Kunden durch POS-Marketing gezeigt wird, um welchen Typ von Geschäft es sich handelt und was er im Inneren erwarten kann, um so einfacher ist es, definierte Zielgruppen erfolgreich auf sich aufmerksam zu machen und an das Geschäft zu binden.

UNDURCHSCHAUBARE, LAUNENHAFTE KUNDEN

Kunden suchen für sich ganzheitliche, individuelle Problemlösungen und nicht einzelne Sortimentsteile oder Warengruppen. Allerdings ist der Kunde schon lange nicht mehr der bekannte Kunde, sondern er ist undurchschaubarer und geradezu launenhaft geworden. Mal legt er mehr Wert auf den Preis als auf qualifizierte Beratung, bei seinem nächsten Kauf ist es vielleicht genau umgekehrt. Der Kaufentscheidungs-Prozeß des Kunden entwickelt sich daher zu einer immer wichtiger werdenden Information für den Handel, aber auch für die Industrie.

Dieses berücksichtigen mittlerweile schon einige Unternehmen bei der Aufteilung ihrer Marktforschungsbudgets. Beispielsweise werden neben den Werbewirkungsstudien sogenannte "Shopper Studies" erstellt, die Auskunft darüber geben, welche Faktoren den Ausschlag geben, ein bestimmtes Produkt oder in einem bestimmten Geschäft zu kaufen oder eben nicht zu kaufen.

DIE ACHILLESFERSE DES KUNDEN TREFFEN

Erst ein detailliertes Wissen über die Kunden ermöglicht eine zielgerichtete, effiziente Positionierung und deren Kommunikation gegenüber dem Verbraucher. Je detaillierter ein Händler weiß, wie seine Kunden bezüglich des Computersortimentes denken und handeln und was sie von "ihrem Computerhändler" erwarten, desto eher kann in der Erstansprache die "Achillesferse" des Kunden getroffen werden. Gleiches trifft auf die so wichtige Kundenbindung zur Erhöhung der Wiederkaufsrate zu.

Was die Analyse und das Wissen um Kaufentscheidungs-Faktoren betrifft, hat ein Händler durch den direkten Kundenkontakt gegenüber der Industrie einen großen Vorteil. Er muß seinen Kunden einfach nur befragen oder in seinem Verhalten beobachten, während der Käufer für die Industrie nur anonymisiert aus der Vogelperspektive zu sehen ist. Dennoch sollten aber Industrie-Marktforschungsdaten mit in die eigene Analyse einfließen, da sie Auskünfte über generelle Einstellungen zur PC-Welt, zu Marken und so weiter geben.

KUNDENANALYSE LEICHTGEMACHT

Um das Wissen über Kunden, ihre Kaufmotive und Barrieren zu verbessern, muß nicht unbedingt ein hoher Marktforschungsaufwand betrieben werden. Zum Beispiel können verschiedene Kundengruppen zu einem Frühstück/Imbiß/Umtrunk eingeladen werden. In einer lockeren Atmosphäre können sie nach ihren Wünschen und Anregungen befragt werden. Relativ einfach und sehr aufschlußreich sind auch Bon-Analysen, die zeigen, welche Produkte die Kunden häufig zusammen kaufen, also sogenannte Verbundanalysen. Oder dem Verkaufspersonal wird pro Woche eine bestimmte Frage an die Kunden mit auf den Weg gegeben, deren Beantwortung schriftlich festgehalten wird. Nach einigen Wochen läßt die Auswertung ganz klare Stärken und Schwächen der Handelsleistung erkennen.

Auch bezüglich der Kundenstruktur - um zu erfahren, wer was einkauft - muß nicht unbedingt eine Kundenkarte angeboten werden, sondern das kann ebenfalls auf standardisierten Bögen durch das Verkaufspersonal erfaßt werden. Bei all diesen Aktivitäten muß unbedingt vermieden werden, daß sich die Kunden belästigt oder "ausgefragt" fühlen.

STÄRKEN-SCHWÄCHENANALYSE

Dann können bestimmte Kernzielgruppen geclustert werden, auf die Handelsleistungen entsprechend abgestimmt und kommuniziert werden. Dazu werden Kunden in verschiedene Kundentypen eingeteilt und deren Anforderungen definiert. Es muß entschieden werden, welche Kundentypen die meisten Potentiale bieten und durch welches Angebot oder welche Leistung sie fasziniert werden können. Durch diese Vorgehensweise kristallisiert sich ein klares Anforderungsprofil der Kunden heraus, das mit dem eigenen heute praktizierten Handelsmarketing hinsichtlich Sortiment, Beratung, Service, Preis und dergleichen verglichen wird. Hieraus läßt sich eine einfache Stärken-Schwächen-Analyse ableiten. Dann kann konsequent an der Verbesserung der Schwächen gearbeitet und die Stärken aus Kundensicht können in der Kommunikation genutzt werden. Das gesamte POS-Marketing wird entsprechend den Anforderungen der Kernzielgruppen aufgestellt. Welche Instrumente dazu zur Verfügung stehen und wie sie effizient entwickelt und eingesetzt werden können, verrät der zweite Teil zum Thema POS-Marketing.

*Gabriele Hunstiger ist Deputy General Manager bei der Marketingberatung Frey Beaumont-Bennett in Düsseldorf.

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