Zwei Cognacs zu viel

04.05.2007
Von Herbert Lefering
In der heutigen Folge unserer Serie "Geschichten aus dem Channel" zeigt Herbert Lefering, dass Arroganz ganz schön teuer werden kann.

Als Vertriebsleiter von Tobit wurde ich regelmäßig zu irgendwelchen Golf-Events von Herstellern oder Verlagen eingeladen. Persönlich habe ich bis heute maximal den Status "privater Minigolfer" erreicht. Aber auf solchen Golf-Events wird eben "Socializing" betrieben - und manchmal werden dort wirklich die dicksten Geschäfte gemacht. Mein damaliger Chef hatte seinerzeit einen Standardspruch bezüglich Golfen: Spielst du schon Golf oder hast du noch Sex?

Jedenfalls war ich wieder einmal zu einem Golf-Event eingeladen, und zwar ins schöne München. Eingeladen wurde ich persönlich von einem Sponsor dieser Veranstaltung, von der Firma Eicon, einem Hersteller von ISDN-Karten (Danke nochmals, Gerhard, diese Geschichte widme ich Dir). Unter den geladenen Gästen war auch ein sehr guter Freund von mir, der selbst (wenn auch kein besonders guter) Golfer war. Wir hatten - wie schon öfter bei anderen Events - verabredet, dass ich ihn an diesem Tage als Caddy begleitete.

Bei dem Event in München wurden die Gruppen nach dem Zufallsprinzip zusammengelost. In unserer Gruppe befanden sich unter anderem der Geschäftsführer eines Systemhauses aus dem Ruhrgebiet und ein Mitarbeiter eines sehr großen Softwareherstellers (die Firma möchte ich an dieser Stelle lieber nicht nennen). Diese Person wurde zum negativen Höhepunkt des Tages und zum Zentrum dieser Geschichte.

Ich habe in den ganzen mittlerweile 14 Jahren in der IT-Branche weder vorher noch nachher jemanden kennengelernt, der derart arrogant war beziehungsweise ist. Bereits nach fünf Minuten war mir klar, dass ich mit dem Typen kein Bier zusammen trinken wollte oder würde. Den Regeln der Höflichkeit folgend, habe ich aber meine Meinung ihm gegenüber nicht (richtig) mitgeteilt.

Ein Absacker an der Bar

Die Golfrunde wurde für meinen Freund und mich zur Qual, und wir sehnten das letzte Loch herbei. Nach einigen Stunden hatten wir dieses Ziel endlich erreicht. Meine Hoffnung, dass diese Person abends nicht an meinem/unserem Tisch sitzen würde, erfüllte sich. Glücklich verlebten wir dann einen doch recht amüsanten Abend mit anderen Gästen. Der "Idiot" ward mehr oder minder vergessen.

Nach sehr gutem Essen und einer großen Anzahl an mittel- bis hochprozentigen Getränken suchten wir den Weg zu unserem Hotel. Bevor wir ins Bett gingen, beschlossen wir, nach guter, alter Tradition noch einen letzten Absacker an der Bar zu uns zu nehmen. Dort war bereits eine Gruppe von acht Leuten von dem Golf-Event vertreten, die uns gleich in ihre Runde aufnahmen. Zu spät bemerkten wir, dass auch unser "Tagesfreund" anwesend war. Als Höhepunkt war auch mein Freund gedanklich viel schneller als ich unterwegs, sodass ich nur noch einen Platz neben "Mr. Allwissend" bekam.

Seine Arroganz war auch hier unverändert auf einem extrem hohen Niveau, meine Höflichkeit begann allerdings abzubröckeln. Runde um Runde wurde von dem einen oder anderen bestellt - da wollte auch er nicht zurückstehen. Ich hatte bereits meine Runde aufs Zimmer schreiben lassen und war mehr oder minder auf dem Weg ins Bett. Aber ich wurde dann von ihm regelrecht genötigt, einen letzten Drink zu nehmen. Mehrmalige Hinweise von mir (gut gemeint und mehr als deutlich), dass ich mit ihm und vor allen Dingen von ihm nichts mehr trinken wolle, blieben unerhört beziehungsweise unverstanden. Widerwillig ließ ich mir (noch ohne Vorgedanken) die Getränkekarte geben.

Mein Blick fiel dann auf die Rubrik "Cognac". Dort waren mehrere Getränke aufgelistet, der günstigste Cognac begann bei acht D-Mark. Es waren aber noch etwa sieben weitere Sorten aufgelistet, die sich preislich bis zirka 100 D-Mark "entwickelten". Etwas abgesetzt gab es noch eine letzte Position: Bei halber Menge im Vergleich zu den anderen Cognacs ergab sich ein Preis von 195 DM.

Alle anderen bestellten dieses und jenes, dann war ich als Vorletzter an der Reihe. Meinem "Ich hätte gerne den Cognac XYZ" entgegnete der Barkeeper mit einem sehr freundlichen "Sehr wohl!".

Ende einer "Freundschaft"

Nun musste als Letzter mein besagter "Freund" bestellen. Mehr als verwundert nahm ich zur Kenntnis, dass er die Idee, einen Cognac zum Abschluss zu nehmen, extrem toll fand. Ganz einfach sagte er zum Kellner: "Ich werde auch einen Cognac nehmen, wie mein Freund hier neben mir!", natürlich ohne überhaupt in die Getränkekarte gesehen zu haben. Er war zwischenzeitlich viel zu beschäftigt gewesen, zu allen Themen der recht vielseitigen Gespräche seine eigene Meinung kundzutun.

Unsere Getränke kamen, es wurde geprostet und getrunken. Irgendwann bezahlten dann auch die Letzten ihre Getränke, und mein "Spezi" bekam seine Rechnung. Sofort erfolgte - noch gut gelaunt - die Beschwerde an den Barkeeper, dass die Gesamtrechnung für ihn in Höhe von knapp 520 DM wohl nicht sein könne. Es müsse sich hier doch ganz sicher um ein Versehen handeln. Der Kellner allerdings rechnete ihm daraufhin vor, dass 2 x 195 DM plus alle weiteren Getränke ganz einfach diesen Betrag ergeben. Das war nicht einmal höhere Mathematik. Aber für ihn war es gleichzeitig das Ende einer (nie existierenden) Freundschaft mit mir.

Nachdem ich am nächsten Tag wieder einigermaßen bei klarem Verstand war, stellte ich mir die Frage, ob ich grundsätzlich etwas falsch gemacht hätte. Aber ich hatte für mich den Cognac unter der Rubrik "Schmerzensgeld" verbucht. Auch die Reaktionen aller anderen Teilnehmer dieses denkwürdigen Schauspiels an der Hotelbar bestätigten mich: "Wenn es einer verdient hat, dann der!" Tja, Arroganz (gepaart mit Dummheit) kann teuer sein.

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