Zwei unterschiedlich ausgebaute Wege für Domino

06.02.2003
Lotus-Partner und -Kunden hatten die Lotusphere 2003 mit Spannung erwartet. Big Blue sollte klären, welchen Weg Domino künftig einschlagen würde. Das tat der IT-Riese auch - er präsentierte den 5.000 Besuchern zwei Wege.

Die Ankündigung der IBM-Software-Tochter Lotus, sie werde in diesem Jahr dafür sorgen, dass die Vielzahl ihrer Produkte einem "Rebranding" unterzogen würden, hatte die Lotus-Partner schon im November hellhörig gemacht. Eine Neuordnung des Produktkranzes nach funktionalen Kriterien wie E-Mail, Zusammenarbeit, Wissensmanagement, elektronisches Lernen und Anwendungsentwicklung konnte dem Groupware-Spezialisten nicht schaden. Zumal, nachdem die fortschreitende Lotus-Integration in die Middleware "Websphere" für eine Namenskonfusion gesorgt hatte.

Doch was die Partner noch viel mehr interessierte, war, was der neue Lotus-Chef und Websphere-Spezialist Ambuj Goyal über den künftigen Weg des Lotus-Flaggschiffes Domino sagen würde. Entwickelt IBM eine neue Version? Oder blühte Domino, trotz seines Namens, sang- und klanglos in Websphere als Frontend-Applikationskit - in der Sprache Big Blues als "Collaboration-Tool" - aufzugehen? Für diese vage Vermutung sprach immerhin, dass der Armonker IT-Riese seit gut 18 Monaten für Websphere all seine Kräfte einsetzt, sie für Lotus dagegen nur sehr bescheiden nutzt.

Doch in dieser Hinsicht versuchte Goyal die Partner in Orlando, Florida, zu beruhigen. Domino werde nicht verschwinden. Im Gegenteil, es werde noch in diesem Jahr eine neue, jedoch nicht näher beschriebene Version des Servers geben - und dadurch die alten Anwendungen der weltweit rund 3.500 Partner geschützt.

Allerdings gab er zu bedenken, dass sich die IBM-Strategie in Sachen Software deutlich geändert habe. "Next Generation" nannte er dieses Programm, und es steht für die Integration von Lotus beziehungsweise Domino in die von IBM angepriesene und mit viel Geld vorangetriebene Infrastruktur-Plattform Websphere.

Als Grund dafür nannte er vor allem, dass IBM mit dieser Software die Möglichkeit habe, eine einzige Plattform für alle Märkte und für jede Unternehmensgröße anbieten zu können. Daran werde die Entwicklung Dominos ausgerichtet, sodass in Zukunft der Platz von Domino in diesem Szenario eindeutig sei: Es soll die (Frontend-)Plattform für die spontane und zugleich strukturell verankerte Unternehmenskommunikation sein.

Um dafür geeignet zu sein, werde IBM Domino in Richtung Java, Java Beans Portlets und Komponenten treiben. Beispielsweise durch das "Domino Toolkit" für "Websphere Studio", das im zweiten Quartal dieses Jahres auf den Markt kommen werde. Mit diesem Werkzeugkasten könnten Anwender Domino-Elemente direkt in J2EE-Code übersetzen. Ferner werde es im zweiten Halbjahr ein Entwicklungswerkzeug für Websphere geben, sodass "Domino Designer"-Entwicklungen in die Infrastruktur-Softwarearchitektur eingebunden werden könnten. Im Übrigen werde es im zweiten Quartal ein neues, radikal abgespecktes, E-Mail-System für Schlichtnutzer geben.

Zwei Wege für Domino

Der alte monolithische Server, für den Entwickler Lotusscript-Anwendungen schrieben, werde dagegen nur mehr "gepflegt". Damit bestätigte Goyal, was angesichts der enormen Domino-Basis - IBM selbst spricht von rund 100 Millionen Domino-Nutzern (Client und Server) weltweit - nahe lag. Man werde zwei gangbare Wege anbieten: einen dergestalt, dass Domino zwar für alle IBM-Serverplattformen verfügbar sein wird, doch keine nennenswerte Entwicklungsperspektive mehr habe. Den zweiten Weg aber, von IBM deutlich besser ausgeleuchtet, habe man hoffentlich klar gemacht: Er geht in Richtung Websphere, in Richtung Anwendungen für vertikale Märkte, in Richtung Wissens-, Lern- und Zusammensarbeits-Portale, unternehmensinterne und externe, sowie in Richtung Webservices. Für diesen Weg müssten sich die Partner, gleich welcher Größenordnung, entscheiden, wollten sie weiter mit IBM Geschäfte machen.

Weshalb ihre diesjährige Aufgabe heiße, ihre Domino-Kunden von diesem Weg zu überzeugen.

www.lotus.com

ComputerPartner-Meinung:

IBMs Willen, mit der Software "Websphere" - und mit den Abteilungen Lotus, DB2 und Tivoli - die gesamte IT-Infrastruktur von Unternehmen abbilden zu können, wurde auf der Hausmesse "Lotusphere" bestätigt. Ebenso, dass Domino weiter in Richtung Frontend-Applikation wandert und dort für alle Zwecke der Kommunikation eingesetzt werden soll. Mit dieser Entwicklung hatten viele Partner gerechnet.

Es steht also der Abschied von Domino als isolierter Backend-Server für Unternehmens-Kommunikation an. Stattdessen sollen Partner nun die Java- und Portlets-basierende Integration von Domino in die Unternehmens-IT betreiben. Gehen die Partner diesen Weg mit, können sie mit der Unterstützung durch IBM rechnen. Wer aber allein bei Domino bleibt, wird das mit sich selbst ausmachen müssen. Die Tür zu alter Lotus-Herrlichkeit wurde auf der Hausmesse definitiv zugeschlagen. (wl)

Zur Startseite