Als Mitarbeitergesellschaft durchgesetzt, als Systemhaus etabliert

11.12.1998

MÜNCHEN: Wirtschaftlich stabil, strategisch und produktpolitisch sauber aufgestellt, Expansion im Visier: Für Vorstandschef Wolfgang Stübich steht eine rosige Zukunft der Ditec Informationstechnologie außer Frage. Tatsächlich erscheint der einstige Digital-Ableger nach wirren Zeiten gefestigt und als Systemhaus für den Mittelstand etabliert.Mitten im Sommer herrschte 1994 bei der deutschen Digital Equipment GmbH ein frostiges Klima. Knapp 2.000 Mitarbeiter fürchteten um ihren Arbeitsplatz, wollten das Feld aber nicht kampflos räumen. Sie streikten mehr als zu arbeiten. Gleichzeitig lieferten sich Geschäftsleitung, Betriebsrat und Gewerkschaften in nächtelangen Verhandlungen einen heftigen Schlagabtausch bei dem Versuch, für alle Beteiligten eine akzeptable Lösung zu finden.

Start-Up-Company mit 1.300 Leuten

Im Oktober 1994 war sie gefunden - und zwar in Form einer Mitarbeitergesellschaft, wie es sie bis dato in Deutschland noch nie gegeben hatte. Die Digital-Oberen gaben die von der Auflösung betroffenen Geschäftsbereiche - Mittelstand,

Kienzle Datentechnik, Philips Data Systems, Schulung, Service und technischer Support - in die Hand von rund 1.300 Mitarbeitern und leisteten anstelle von Abfindungen eine Anschubfinanzierung von 148 Millionen Mark. Darüber hinaus bekam die Ditec Informations-technologie, wie sich die Ausgründung nannte, ein Auftragsvolumen von 60 Millionen Mark und einen komfortablen Kundenstamm von 20.000 mit auf den Weg.

Es folgten Jahre der Profil- und Strategiesuche, der wirtschaftlichen Unsicherheit, des Auf-, Um- und Abbaus. "Im Grunde genommen sind wir damals eine Start-up-Company mit umgekehrten Vorzeichen gewesen", konstatiert Wolfgang Stübich, seit 1. Juli 1997 Vorstandschef des Systemhauses und selbst 14 Jahre bei Digital gewesen, heute. "Normalerweise startet ein Newcomer mit zwei bis drei Leuten, einem Produkt oder einer Idee und baut sich dann schrittweise auf. Wir haben mit 1.300 Leuten begonnen, die zwar hochmotiviert waren, aber keine klare Strategie hatten. Und es waren schlichtweg zuviele bei zuwenig Umsatz. Als problematisch erwies sich zudem, daß die Führungsspitze der Ditec nicht aus IT-Profis bestand. Die Leitung übernahmen Klaus Lutz, der ehemalige Arbeitsdirektor von Digital, und Dieter Jung, bis dahin DEC-Gesamtbetriebsrat. "Das hat unsere Entwicklung verzögert", sagt Stübich.

Von Digital längst abgenabelt

Die wirren Zeiten gehören der Vergangenheit an. "Heute", erklärt der Ditec-Vormann zufrieden, "schwimmt das Schiffchen schön oben." Die Mitarbeitergesellschaft befinde sich "in der stabilsten Phase seit ihrer Gründung - und das sowohl in puncto betriebswirtschaftlicher Rahmenbedingungen, Motivation, Produktpolitik, Strategie und Selbstsicherheit". Für das laufende Geschäftsjahr (Ende: 30. Juni 1999) rechnet er fest mit schwarzen Zahlen in der Größenordnung von zwei bis drei Millionen Mark, die erstmals rein aus dem operativen Geschäft kommen. Der Umsatz soll von den letztjährigen 133,2 auf rund 146 Millionen Mark zulegen.

Das Tätigkeitsspektrum ist klar defininert, aus der anfänglichen geschäftlichen Abhängigkeit von Digital hat man sich gelöst. Heute versteht sich die Ditec als Lösungsanbieter für den Mittelstand mit Schwerpunkt betriebswirtschaftliche Standardsoftware und bundesweit flächendeckener Präsenz. Daneben unterhält man sieben Bildungszentren, in denen pro Jahr an die 31.000 IT-Profis geschult werden. Und schließlich liefert man auch technischen Service. Dieser umfaßt neben der Wartung von Rechnern und Druckern diverser Hersteller auch Netzwerkplanung, -installation und die Einrichtung von Call-Centern.

Gestrafft wurde auch der Personalstamm. Insgesamt beschäftigt Ditec derzeit rund 550 Mitarbeiter, von den 1.300 "der ersten Runde" sind heute laut Stübich noch 420 bis 450 an Bord. "Es hat aber kein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz verloren", betont der Ditec-Chef. Der Abbau sei in Form von Management-Buyouts beziehungsweise Verkäufen von Unternehmensteilen an andere Firmen erfolgt. Selbst bei der jüngsten Reduzierung - im letzten Geschäftsjahr standen noch 600 Leute auf der Gehaltsliste - habe es sich nicht um Entlassungen gehandelt. Gemeinsam mit dem Münchner Arbeitsamt vereinbarte man eine Qualifizierungsmaßnahme, nach deren Abschluß in spätestens zwei Jahren sich die dort eingebrachten Mitarbeiter einen neuen Arbeitgeber suchen müssen.

Keine Angst vor dem Wettbewerb

Der harte Wettkampf unter den deutschen Systemhäusern um die Gunst des Mittelständlers scheint Stübich kein Kopfzerbrechen zu bereiten. Selbstbewußt schreibt er Ditec auf die Fahnen, "der Partner für den Mittelstand" zu sein und nennt als Trümpfe neben der flächendeckenden Präsenz auch die "gute synergetische Mischung", die durch die drei Geschäftsfelder und die langjährige Mittelstandserfahrung der Mitarbeiter zustande komme. Zahlreiche ehemalige Kienzle- und Philips-Kunden, die sich nach der Übernahme der Unternehmen durch Digital Equipment anderweitig orientiert hätten, würden nun vorstellig. "Nixdorf wiederum ist bei Siemens eingegangen, so daß das Marktsegment Mittelstand heute keinen Platzhirsch mehr hat. Aufgrund unserer Historie können und wollen wir der legitime Nachfolger dieser drei Unternehmen sein. Das ist unsere Chance", gibt Stübich zu Protokoll. Allerdings muß sich das Münchner Systemhaus nach Auskunft des Vorstandschefs immer häufiger der Heiratsambitionen zum Teil namhafter IT-Player erwehren. Auch die hiesigen Venture-Capitalisten sind mittlerweile auf die Mitarbeitergesellschaft aufmerksam geworden, bieten Kapital für die nun zu erwartende Expansion an und liebäugeln damit, Ditec an die Börse zu bringen. "Kaum zu glauben", sinniert Stübich. "Bei unserer Gründung vor vier Jahren nannte man uns nur 'The Company of Losers', und niemand hat auch nur einen Pfifferling auf uns gegeben." Doch nach engeren Verbandelungen steht dem Ex-Digital-Manager nicht der Sinn. "Wir sind nicht daran interessiert, unsere selbsterkämpfte Unabhängigkeit aufzugeben. Dafür haben die Mitarbeiter nicht vier Jahre lang Knochenarbeit geleistet und etliche Entbehrungen in Kauf genommen." Dabei will er allerdings einen Börsengang grundsätzlich nicht ausschließen. "Doch über allen Überlegungen steht bei uns, daß wir auf keinen Fall als Mitarbeiter die Mitbestimmung über unser Unternehmen verlieren wollen", bekräftigt Stübich. "Wir sind und bleiben eine Mitarbeitergesellschaft. Und dies werden wir mit allen Klauen verteidigen."

Nachahmer sind noch rar

Trotz der letztlich positiven Entwicklung dieses damals einzigartigen Mitarbeitermodells, für das die Ditec im Juli dieses Jahres von Bundespräsident Roman Herzog ausgezeichnet wurde, hat es in der IT-Branche bislang keinen, in anderen Industriezweigen nur wenige Nachahmer - und das in einer wesentlich geringeren Größenordnung - gefunden. Für Stübich ist das verständlich. "Wir waren die Initiatoren, und alle anderen haben erst einmal abgewartet, ob das überhaupt klappen kann." Außerdem, schiebt er nach, funktioniere ein solches Modell nur in einer Branche, in der was los sei. "Die deutschen Steinkohlebergwerke sanieren wir damit nicht." Immerhin aber gebe es heute 50 Unternehmen, die in eine ähnliche Richtung denken würden.

Daß er selbst diesen Schritt wieder gehen würde, daran läßt er keinen Zweifel. "Allerdings würde ich einiges anders machen. Ein klares Business-Modell aufstellen, ein professionelles Management einsetzen und für die Anschubfinanzierung auch öffentliche Gelder beantragen." Die Ditec sei zwar stolz darauf, daß in sie nicht eine einzige öffentliche Mark geflossen sei. "Doch im nachhinein würde ich dies fast als Dummheit der ersten Stunde bezeichnen", sagt Stübich. Für sich persönlich hat der IT-Profi als Ziel gesetzt, das Unternehmen in Richtung 500 Millionen Mark Umsatz zu führen. Wann diese geschafft sind, darauf will er sich aber noch nicht festlegen. "Wenn wir den richtigen Schub erwischen, sind die aber vielleicht gar nicht mehr so weit weg." Sein Vertrag als Vorstandschef zumindest scheint lang genug zu laufen - im Gegensatz zu dem seines Vorgängers Hans-Christoph Wolf. Der ehemalige Treuhandmanager wurde vom Aufsichtsrat nach dem Ausstieg des ersten Führungsduos Jung/Lutz im März 1996 an Bord geholt und hatte die alleinige Führung des Unternehmens übernommen. Im Sommer 1997 aber war er wieder verschwunden. Sein Einjahresvertrag war zum 30. Juni ausgelaufen. (bk)

Ditec-Vorstandschef Wolfgang Stübich: "Wir sind der Partner für den Mittelstand."

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