Arbeitsmarkt: Ende des Jugendwahns ins Sicht

18.01.2006
Mit "stillen Reserven" lag die Zahl der "Unterbeschäftigten" in Deutschland, so der Demographenjargon, 2005 im Schnitt bei knapp sechs Millionen Menschen. Doch ältere qualifizierte Arbeitnehmer haben gegen den vorherrschenden Jugendwahn bald mehr Chancen.

Mit "stillen Reserven" lag die Zahl der "Unterbeschäftigten" in Deutschland, so der Demographenjargon, 2005 im Schnitt bei knapp sechs Millionen Menschen. Doch ältere qualifizierte Arbeitnehmer haben gegen den vorherrschenden Jugendwahn bald mehr Chancen.

Vor einer "Dequalifizierung des Humankapitals" warnt das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB). In Verbindung mit einem Stillstand des Bildungssystems sinke die Zahl jüngerer Arbeitskräfte, was wiederum zu einem Mangel an Fachkräften führe. Damit stiegen aber wiederum auch die Chancen für qualifizierte Leute jenseits der 40, die sich im allgemeinen Jugendwahn schon auf dem Abstellgleis sehen.

Das Institut geht davon aus, dass das Arbeitskräfteangebot in Deutschland bis 2010 etwa gleich bleibt und dann langfristig sinken wird. Bis 2020 soll sich die Rate von 12,9 Prozent im vergangenen Jahr auf 6,8 Prozent nahezu halbieren. Einem Rückgang der Bevölkerung um rund 1,2 Millionen Menschen soll das Potenzial der Erwerbstätigen in den nächsten 15 Jahren um gut 1,5 Millionen Menschen abnehmen. Darin eingerechnet sind geschätzte 200.000 Zuwanderungen pro Jahr und ein weiterer Anstieg der Erwerbsquote von Frauen. Ebenfalls einkalkuliert ist ein jährliches Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent, verglichen mit 4,5 Prozent weltweit.

Das IAB rechnet aber auch mit einer wachsenden Kluft zwischen West- und Ostdeutschland. Während die Zahl der Erwerbstätigen in Westdeutschland bis 2020 um 2,3 Millionen Menschen steigen soll, geht das Institut für Ostdeutschland mit einem Abbau von einer Million Stellen aus.

Bis 2050 soll das Erwerbspersonenpotenzial trotz steigender Frauen- und Ausländerquote in Deutschland um neun Millionen Menschen abnehmen. Die für viele Bundesbürger verwirrende Debatte um die Anhebung der Lebensarbeitszeit auf 67 oder gar mehr Jahre, erscheint so in einem sinnvolleren Licht.

Auf einer Veranstaltung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) in Nürnberg Mitte 2005 wurde darauf hingewiesen, dass Werbetreibende und die Personalpolitik der Unternehmen in spätestens zehn Jahren nicht mehr an den älteren Mitbürgern vorbeisehen könne. Einige Unternehmen reagieren schon auf den demographischen Wandel. Die Pflegemarke Dove zum Beispiel wirbt unter anderem mit einer erfrischend jung aussehenden 90-Jährigen.

Der deutsche Automobilkonzern BMW hat für sein neues Werk in Leipzig vornehmlich erfahrene Facharbeiter jenseits der 40 gesucht. Was in der Presse übrigens so gut wie nicht beachtet wurde. Nachdem die Arbeitsvermittler dies als reinen Werbegag abgetan hatten, musste BMW extra Leute von München nach Leipzig schicken, um an den Türen der Arbeitsagenturen ältere Arbeitssuchende selbst direkt anzusprechen. (kh)

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