Aufbruch in neue Märkte: Compaq geht mit dem Händler an der Hand zum

04.11.1997
MÜNCHEN: Eine neue Variante der Quadratur des Kreises: Wie führe ich den direkten Vertrieb ein und stärke gleichzeitig den Fachhandel? Keine leichte Übung für Compaq, denn das Unternehmen möchte weiße Flecken auf der Vertriebskarte entfernen, ohne seine verdienten Handelspartner zu verärgern. Mit einem neuen weltweiten Vertriebsprogramm verspricht Compaq, den Pelz zu waschen, ohne ihn naß zu machen.Markenqualität zum No-name-Preis." Mit solchen und ähnlichen Geschossen aus der Marketingkanone weist Compaq in den deutschen Tageszeitungen zur Zeit den Weg, den das Unternehmen gehen will - zumindest was den Consumer-Markt angeht. Dort und bei kleinen Unternehmen haben sich die Compaq-Händler bisher nicht engagieren können oder wollen - so will der PC-Anbieter beobachtet haben.

MÜNCHEN: Eine neue Variante der Quadratur des Kreises: Wie führe ich den direkten Vertrieb ein und stärke gleichzeitig den Fachhandel? Keine leichte Übung für Compaq, denn das Unternehmen möchte weiße Flecken auf der Vertriebskarte entfernen, ohne seine verdienten Handelspartner zu verärgern. Mit einem neuen weltweiten Vertriebsprogramm verspricht Compaq, den Pelz zu waschen, ohne ihn naß zu machen.Markenqualität zum No-name-Preis." Mit solchen und ähnlichen Geschossen aus der Marketingkanone weist Compaq in den deutschen Tageszeitungen zur Zeit den Weg, den das Unternehmen gehen will - zumindest was den Consumer-Markt angeht. Dort und bei kleinen Unternehmen haben sich die Compaq-Händler bisher nicht engagieren können oder wollen - so will der PC-Anbieter beobachtet haben.

Diese und weitere Erkenntnisse sind das Ergebnis einer weltweiten Studie namens Channel 2000, mit der Compaq in den beiden letzten Jahren in und mit dem indirekten Kanal das Vertriebskonzept der Zukunft zu ergründen versuchte. Das Ergebnis wurde jetzt verkündet und heißt "Optimized Customer Delivery-Initiative", was auf deutsch so viel heißt wie: Der Kunde entscheidet, ob er direkt oder beim Händler einkaufen will. Compaq mußte vor allem in den USA und Großbritannien mit ansehen, wie Direktanbieter ê la Gateway 2000 und Dell und Assemblierer den Consumer- und SOHO-Markt weitgehend ungestört von Markenherstellern unter sich aufteilen konnten. Der Fachhandel - so Compaq-Chef Kurt Dobitsch - "hatte kein Vertriebs-Front-end" für diese Zielgruppe.

Feind- und Vorbild Direktvermarkter

Bevor auch in Deutschland dieser Zug abgefahren ist, geht Compaq seine Kunden dort, wo kein Händler zur Stelle ist, in Zukunft direkt an, und zwar durch Katalogversender oder Telefonvertrieb. In Deutschland übernimmt diesen Part einstweilen 1&1 Direkt. "Wir müssen vom Image wegkommen, nicht erreichbar zu sein", begründet Dobitsch die Zusammenarbeit mit 1&1. Aber auch die existierenden Händler im Consumer-Markt will Compaq nicht vernachlässigen: "Wir wollen es uns was kosten lassen, endlich einen beratenden Handel zu bekommen. Das wird zwar teuer, ist aber eine wirkliche Alternative", erklärt Dobitsch.

"Markenqualität zu No-name-Preisen" heißt aber auch, daß Compaq genauso schnell und billig werden muß wie die Direktversender und Assemblierer. Das geht nur, wenn die Kosten der Distribution drastisch gesenkt werden. Direktmarketing hat laut Compaq einen Kostenvorteil von 15 bis 19 Prozent. Erklärtes Ziel ist es, diese Kluft auszugleichen. Seine Produktion - da ist sich Compaq sicher - ist heute schon günstiger als die der Direkt-Konkurrenz. Richtig reinhauen tut der hohe Lagerbestand in den Kanälen. Die Lösung des Problems wird momentan bei fast allen Markenherstellern als Stein der Weisen gehandelt: Build-to-Order (BTO) und Configure-to-Order (CTO).

Der Händler schraubt nicht, er konfiguriert

BBTO soll zehn Prozent Kostenersparnis bringen und in Europa - wie auch CTO - spätestens in der zweiten Jahreshäfte 1998 Realität sein. Dobitschs Ziel sind Vermarktungsstrukturen wie im Lebensmittelhandel: "Die Ware soll weniger lang lagern als holländische Tomaten, also höchstens zwei Wochen", verpricht der Compaq-Chef. Auch bei der Ausstattung der Produkte will Compaq durch CTO mit der Flexibilität der Direktanbieter gleichziehen und noch einmal bis zu fünf Prozent Kosten einsparen. Im Rahmen einer CTO-Liste kann der Händler genau die Konfigurationen bestellen, die der Kunde wünscht. Darüber hinaus sollen qualifizierte Händler falls gewünscht oder erforderlich auch selber konfigurieren können - mit Ausnahme von Notebooks und Workstations.

Compaq will dabei einstweilen jedoch nicht so weit gehen wie einige Konkurrenten. Die IBM zum Beispiel setzt in den USA seit einiger Zeit auf "Joint Manufacturing", das heißt: Der Hersteller liefert Motherboards, Festplatten und andere Komponenten einzeln an den Kanal aus, der dann die Endfertigung übernimmt. Nach Ansicht von Compaq sind viele Vertriebspartner damit überfordert, und zwar nicht nur logistisch und finanziell. Außerdem müßten die Vertriebspartner dann plötzlich mit lokalen Assemblierern konkurrieren. "Die Kernkompetenz des Handels liegt beim hochwertigen Service, und die der Hersteller bei der Produktion und Konfiguration, und nicht umgekehrt. Wir machen den Kanal nicht zum Zwitter zwischen Marketing und Assemblierer", verspricht Dobitsch. Trotzdem rechnen Marktbeobachter damit, daß die meisten Wiederverkäufer selber konfigurieren werden wollen, anstatt auf die Compaq-Dienste zurückzugreifen.

Compaq will das Weiße im Auge der Kunden sehen

Ganz abgesehen davon, wie die Ware den Kunden erreicht, müssen zunächst einmal Aufträge her. Und dabei scheint sich Compaq nicht nur im Consumer-Markt allein auf seine Händlerschaft verlassen zu wollen: "Von den Händlern, die in Deutschland aktiv vermarkten, haben wir nur fünf Prozent. Das ist zuwenig. Wir greifen dem Handel als Vertriebsorgan unter die Arme, weil da Defizite gegeben sind", erklärt Dobitsch diplomatisch. Konkret heißt das: Compaq will in Zukunft aktiv selber Neukunden aquirieren und - "falls es die Wettbewerbssituation erforderlich macht" - die Kundenbestellungen auch direkt annehmen. Lieferung, Installation und das Servicegeschäft bleiben beim Handelspartner. Wie das im Einzelnen funktionieren soll, ist noch nicht entschieden. Diese etwas undurchsichtige Aufgabenteilung ist laut Compaq eine Reaktion auf viele große Unternehmen und multinationale Konzerne, die angeblich einen direkten Ansprechpartner beim Hersteller verlangen.

Auch bei den mittelständischen Kunden will das texanische Unternehmen selber Flagge zeigen. So wird Ende des Jahres ein Agenten-Programm vorgestellt - ähnlich dem der IBM AS/400-Vertreter. Die Agenten dürfen verkaufen, Compaq oder ein Handelspartner liefern. Damit sollen - wie auch bei den Großkunden - verstärkt lösungsorientierte Vermarktungspartner, VARs und Value Added Distributors an Bord geholt werden. Auch Telekommunikationsanbieter will Compaq vor den Vertriebskarren spannen.

Bloß nicht die Händler erzürnen

Diese anspruchsvolle Partnerklientel muß auch angemessen unterstützt werden: Geplant sind der Ausbau des Accredited Systems Engineer-(ASE-) Programms, eine eigene Website für Wiederverkäufer, Telesales- und Telesupport für Händler und zusätzliche Vertriebsmitarbeiter. "Jeder Vermarktungspartner soll seinen persönlichen Betreuer kriegen", verspricht Dobitsch, der zu diesem Zweck bis Ende des Jahres 60 Mitarbeiter beschäftigen will. Außerdem sollen in Zukunft alle Geschäftsabläufe im Handelskanal über EDI-Verbindungen abgewickelt werden.

BTO, CTO, Telefonmarketing, direkte Kundenbeziehungen, Agenten, mehr VARs: Compaq ist überzeugt, mit diesem Kessel Buntes aus direkten und des indirekten Rezepten die Direktvermarkter und Assemblierer schlagen zu können, ohne seine Händler zu verprellen. In der Tat bestätigt Torsten Willemberg, Geschäftsführer des Systemhaus Bitterfeld GmbH und Compaq-Händler: "CTO und BTO sind sehr gut. 1&1 ist keine Konkurrenz für uns. Die bedienen eine Klientel, an der wir nicht interessiert sind." Und während Willemberg sich den Hardware-Verkauf trotz minimaler Erträge nicht aus der Hand nehmen lassen möchte, würde Dieter Knaak, Geschäftsführer der Berliner Chipset Computersysteme und Service GmbH, sogar darauf verzichten: "Von mir aus kann Compaq die Hardware selbst verkaufen. Geld verdienen wir sowieso fast nur mit Dienstleistungen." (ld)

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