Aus der Doktorarbeit eines Praktikers: die Vertriebsorganisation im Systemhaus

13.03.2003
Der Vertrieb ist in vielen Systemhäusern nicht eben optimal aufgestellt. Andreas Herch, Vorstand der Sahl Computer AG, hat sich in seiner Doktorarbeit unter anderem mit diesem Thema auseinander gesetzt. ComputerPartner veröffentlicht in Fortsetzungen Auszüge aus Herchs Dissertation.

Im Rahmen des Marketing-Mix kommt dem Verkauf eine entscheidende Bedeutung zu. Neben der Frage nach dem richtigen Produkt dienen die übrigen Instrumente, wie Preispolitik, Werbung, Verkaufsförderung und so weiter, überwiegend dazu, als flankierende Maßnahmen den Erfolg am Markt zu begünstigen. Die Erlöse werden jedoch durch den Verkauf als effektive Veräußerung der Ware erzielt.

Die zentrale Stellung des Verkaufs innerhalb des Marketing-Mix wird vor allem beim Angebot komplexer und erklärungsbedürftiger Produktbündel, wie in der IT-Branche, deutlich. Die Kaufentscheidung der Kunden wird hier in besonderem Maße von Beratungs- und Überzeugungsleistungen der Verkäufer beeinflusst.

Die hohe Priorität des Verkaufs wurde in der EDV-Branche lange Zeit unterschätzt. Die Entwicklung des IT-Marktes ist geprägt von schnellem Technologiewandel und notwendigem technischem Know-how bei den Anbietern. Durch rasche Veränderungen und eine weit verbreitete Unterversorgung der Kunden mit IT-Produkten konnten die meisten Anbieter und Händler mit dem Markt wachsen. Eine spezifische Marktbearbeitung wurde von den wenigsten vollzogen, da die Kunden selbst auf der Suche nach passenden Standardlösungen waren.

Diese Situation erlebt in den letzten Jahren zunehmend eine Trendwende, so dass die individuelle Verkaufsleistung eines Sys-temhauses deutlich an Wert zunimmt. Der Kunde sollte aufgrund dieser Tendenz vom reinen Käufer von IT-Produkten zum Partner entwickelt werden. Das Systemhaus wiederum muss in dieser veränderten Marktlage den Schritt vom reinen Produktverkäufer zum Prozessoptimierer beim Kunden vollziehen.

Gestaltung der Verkaufsorganisation

Eine kontinuierliche und aktive Bearbeitung des Zielmarktes bedingt eine schlagkräftige Organisation. Das Verkaufspersonal stellt eine persönliche Bindung des Sys-temhauses zu seinen Kunden her. Bei vielen seiner Abnehmer personifiziert der Verkäufer das Unternehmen und holt notwendige Informationen über die Kunden ein. Deshalb muss sich das Systemhaus bei der Gestaltung der Verkaufsorganisation ausführlich damit beschäftigen, wie Arbeitsziele, Personal, Struktur und Entlohnungssysteme konzipiert werden.

Bei der Mehrzahl der EDV-Händler erstrecken sich die Arbeitsziele der Verkaufsabteilung auf mehrere oder alle der im Folgenden aufgeführten Aufgaben:

- Neukundengewinnung

- Bestandskundenbetreuung

- aktiver Verkauf

- Erbringung von Kundendiensten

- Informationssammlung

- Beratungsleistungen

Die jeweiligen Arbeitsziele richten sich in der Praxis nach den konkreten Erfolgszielen und dem Marktstatus des Unternehmens. Ein Systemhaus, das stark expandieren möchte, wird seinen Vertrieb verstärkt zur Neukundengewinnung anhalten, während ein Unternehmen mit sehr großem Kundenstamm eher den Schwerpunkt auf deren gute Betreuung legen wird. Beide Ziel-setzungen laufen darauf hinaus, dem Kunden, sei es nun ein Neukunde oder ein Bestandskunde, etwas zu verkaufen. Hier liegt die Hauptaufgabe des Verkäufers.

Des Weiteren können Arbeitsziele, wie Kundendienst in Form von Reklamationsannahme oder Hilfestellung bei technischen Problemen, die Informationssammlung über den Markt oder eventuelle Beratungsleistungen, zu den flankierenden Maßnahmen zur Verkaufsunterstützung eingeordnet werden.

Anfang der 90er-Jahre lag der Schwerpunkt der Verkaufstätigkeit in der IT-Branche in der Bestandskundenbetreuung. Die Verkäufer von IBM beispielsweise sollten bestehende Kundenbeziehungen pflegen, den Kunden etwas verkaufen und sie vor Wettbewerbern abschirmen. Ähnlich wurde der Vertrieb bei anderen großen Herstellern und Systemhäusern praktiziert. Die Gründe lagen zum einen in den damals sehr guten Margen und zum anderen im ständigen Anstieg des Marktvolumens. Die Umsatzziele wurden zwar jedes Jahr angehoben, doch aufgrund des verstärkten Einsatzes von DV-Systemen in den Firmen konnten diese Vorgaben mit den bestehenden Kunden größtenteils erfüllt werden. Die Vertriebsbeauftragten zu damaligen Zeiten waren viel mehr Berater als harte Verkäufer, die um jeden Auftrag kämpfen mussten.

Die derzeitige IT-Welt ist geprägt von intensivem Wettbewerb um den Kunden. Bei der Beobachtung des Marktes lassen sich mehrere Gründe für den Wandel hin zum Käufermarkt erkennen:

- Der Kunde ist besser informiert: Medium Internet, Gefahr der zunehmenden Informationsüberhäufung.

- Die Hardware ist zunehmend kompatibler: weniger Abhängigkeit von einem Hersteller.

- Neue IT-Dienstleister werden fast täglich gegründet: innovative Konkurrenz.

- Ständiger Druck zur Entwicklung neuer Lösungen: Kerngeschäft, Hardwareverkauf wird immer unrentabler.

- Direktanbieter wie Dell gewinnen an Dominanz: Notwendigkeit neuer Kundenbindungskonzepte.

Das Vertriebskonzept eines Sys-temhauses muss auf diese veränderten Rahmenbedingungen im IT-Markt eingestellt werden. Beim Aufbau einer Vertriebsstruktur gibt es verschiedene Ansätze, die sich je nach Größe der Firma, Art der Produkte und Definition der Zielmärkte unterscheiden.

Territoriale Struktur

Firmen mit der Größe einer GE Compunet, einem Corporate Reseller mit 1,1 Milliarden Euro Umsatz in 2001, bieten ihren Kunden europaweiten Service und Dienstleistungen an. Kleine Systemhäuser dagegen bedienen eher einen regional begrenzten Raum. Der Verkaufsraum ließe sich demnach territorial aufteilen. Bei dieser einfachsten Strukturform der Verkaufsorganisation wird jedem Verkäufer exklusiv ein Gebiet zugeteilt, in dem er die gesamte Produktlinie des Systemhauses vertritt. Diese Variante ergibt mehrere Vorteile:

Erstens ist hier die Abgrenzung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen den einzelnen Verkäufern klar geregelt. Da in jedem Gebiet nur ein Mitarbeiter tätig ist, trägt er dort auch die gesamte Verantwortung für die Verkaufsergebnisse.

Zweitens bietet die alleinige Gebietsverantwortung dem Verkäufer einen Ansporn, die Geschäftsverbindungen vor Ort auch als persönliche Beziehungen zu sehen und mittels festgelegter Besuchsrouten entsprechend zu pflegen.

Drittens werden so die Reisekos-ten niedrig gehalten, denn die Verkaufstouren sind geografisch begrenzt. Zur Gestaltung der einzelnen Gebiete zieht das Unternehmen bestimmte Kriterien heran:

Die Einteilung muss adminis-trativ leicht zu bewältigen, das Verkaufspotenzial der Gebiete leicht abschätzbar sein, und der Reiseaufwand muss niedrig gehalten werden. Und schließlich müssen Arbeitsbelastung und erreichbares Umsatzpotenzial für jeden der Verkäufer ausreichend groß und ausgewogen sein. Anhand dieser Kriterien wird über Größe und Form jeder Region entschieden.

Dieses Modell birgt auch einen Nachteil. Verkäufer mit einem "guten" Gebiet können sehr leicht die Motivation verlieren, da das Geschäft durch großes Potenzial oder harte Aufbauarbeit auch ohne zu großes Engagement gemacht wird. Der Vertriebsbeauftragte erreicht jedes Jahr seine Quote, doch könnte bei entsprechendem Einsatz weit mehr aus seinem Bereich herausgeholt werden.

In der IT-Branche mit seinem ständig wachsenden Umsatzpotenzial und interessanten Neukunden ergibt sich oft der Fall, dass ein Betreuer ohne großes Zutun seine Vorgaben erfüllt, aber die Firma in diesem Gebiet nicht vorwärtsbringt. Diese Region wird dann nicht mehr aktiv bearbeitet, da der jeweilige Verkäufer so sehr mit seinen Bestandskunden beschäftigt ist, dass er andere Interessenten in seinem Gebiet nur schwer erreichen und aufbauen kann. Versucht er mehr den Weg in die Neukunden-Akquise, verliert er wiederum Bestandskunden mangels Betreuung.

Ein kleineres Systemhaus sollte eine territoriale Struktur nur zum Zweck der Expansion in andere Regionen anwenden. Etwa eine Stadt oder das Umland zu teilen erscheint aufgrund der daraus zwangsläufig resultierenden Verluste an Vertriebsaktivität nicht empfehlenswert.

Struktur nach Produkten

Viele Verkaufsorganisationen sind nach Produkten strukturiert, weil die Produktkenntnisse der Verkäufer unterschiedlich gut sind oder die Unternehmung ihre gesamte Organisation getrennt nach Produkten in Sparten aufgegliedert hat. Eine Spezialisierung der Verkäufer auf bestimmte Leistungen ist insbesondere dann angebracht, wenn ein Systemhaus technisch komplexe, zahlreiche oder äußerst unterschiedliche Produkte anbietet. Als Beispiele ließen sich die Produktbereiche Hardware, Software und Zubehör nennen, eventuell noch unterteilt in Teilbereiche wie Netzwerklösungen oder Branchensoftware.

Allein die bloße Tatsache, dass ein und dasselbe Unternehmen unterschiedliche Produkte anbietet, ist an sich noch kein schlüssiger Grund für eine Spezialisierung. Dies wäre dann von Nachteil, wenn die separaten Produktlinien des Unternehmens zum Großteil von denselben Kunden gekauft würden und diese lieber von einem einzigen als gleichzeitig von mehreren Vertretern desselben Unternehmens betreut werden möchten. Eine Spezialisierung des Vertriebs nach Waren ist dann sinnvoll, wenn die Kunden sich dadurch besser betreut fühlen und auch das Unternehmen den Verkauf kostengünstig bewältigen kann.

Ein Ansatz wäre zum Beispiel, eine interessante, komplexe Technologie (beispielsweise Security, Storage oder E-Commerce) oder einen Lösungsbereich (Serviceprodukte) von einem Verkäufer schwerpunktmäßig betreuen zu lassen. Dieser Mitarbeiter würde dann seine Kollegen bei Präsentationen beim Kunden unterstützen und die Markteinführung beschleunigen. Unter Umständen übernimmt jeder Verkäufer eine "Produktpatenschaft" und zeichnet für ein Segment fachlich verantwortlich.

Struktur nach Kundentypen

Unternehmen spezialisieren den Verkauf oft auch nach Branchen oder Kundentypen: Sie bilden für unterschiedliche Branchen eigene Vertriebsorganisationen. So richtet IBM oder FSC für Kunden aus Behörden oder der Industrie jeweils ein eigenes Vertriebsnetz ein. Ein offensichtlicher Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass in jedem Teilbereich der Organisation gründliche Kenntnisse über die Bedürfnisse jedes Kunden gesammelt werden. Auch aus Sicht der ist diese Verkaufsstruktur von Vorteil, wenn sie Produkt- und Dienstleistungssysteme kaufen wollen und nicht Einzelprodukte. So möchten viele Firmen alle Bürotechniken, wie zum Beispiel EDV, Faxgeräte oder Kopierer, aus einer Hand installiert und gewartet haben, statt für jede einzelne Leistung unterschiedliche Lieferanten und Wartungsfirmen zu beauftragen.

Ein wesentlicher Nachteil der nach Kunden strukturierten Verkaufsorganisation tritt dann zutage, wenn Kunden gleichen Typs geografisch weit gestreut und als Einzelkunden nicht groß genug sind, um einen Verkäufer arbeitsmäßig voll auszulasten. Dann entstehen im Vergleich zu den anderen Organisationsformen höhere Reisekosten.

Im Systemhausgeschäft bietet sich diese Struktur in Verbindung mit einer Softwarelösung an. Zum Beispiel kann sich ein Verkäufer, der die Software "Datev1" verkauft, auf die Kundengruppe Steuerberater konzentrieren.

Diese Struktur ist auch dann denkbar, wenn der Händler un-terschiedliche Kundensegmente (Großkunden, Mittelstand oder SMB-Kunden) betreut. Jeder dieser Anwender stellt an "seinen" Verkäufer unterschiedliche Anforderungen. Bei einer entsprechenden vorhandenen Struktur oder dem geplanten Wachstum in ein Segment hinein ist eine solche Organisationsform sinnvoll.

Teamstruktur

Neben den aufgeführten Ansätzen für eine Strukturierung des Verkaufs gibt es noch eine alternative Idee, die in der Praxis noch selten anzutreffen ist, aber viele Vorzüge miteinander kombiniert. Schwerpunkt dieser Organisation ist die Bildung eines Vertriebsteams, dessen Mitglieder gemeinsam am Markt agieren, wobei unterschiedliche Produkte an unterschiedliche Kunden in differierenden Gebieten verkauft werden. Im Prinzip stellt dieses Modell eine abgewandelte Synergie der drei anderen Formen dar. Ziel ist es, die Einzelkämpferstellung des Verkäufers am Markt aufzuheben und den Kunden das gesamt Produkt- und Leistungsspektrum anzubieten.

Ein solches Team besteht aus zwei bis drei Mitgliedern, die sich gegenseitig ergänzen und vertreten. Ein Mitglied der Gruppe ist verantwortlich für alle Aktivitä-ten und die Vorgehensweise am Markt. Gleichzeitig hat es von den Tätigkeiten her ähnliche Aufgaben wie die anderen, es fungiert sowohl als Leiter als auch als aktiver Verkäufer. Die Aufgabenstellung im Team berücksichtigt die jeweiligen Kenntnisse und Fähigkeiten der Mitarbeiter. Im Ideal-fall deckt das Team alle vertriebsrelevanten Aufgaben ab.

Die Verkäufer der Gruppe sind sowohl mit dem Neukunden- als auch mit dem Bestandskundengeschäft vertraut. Das bedeutet, dass die Gruppe autark am Markt agieren kann und nicht zusätzliche Unterstützung von anderen Verkäufern des Systemhauses benötigt. Ein weiteres Plus ist die ständige Weiterentwicklung der Mitglieder. Vor allem neue Mitarbeiter können einfacher aufgebaut werden, wenn sie nicht allein im neuen Umfeld beginnen müssen, sondern in einer intakten Gruppe starten. Dadurch wird die Integrationszeit entscheidend verkürzt und die Motivation verstärkt.

Vorteilhaft aus Kundensicht ist zunächst, dass immer ein(e) Vertriebsmann(-frau) erreichbar ist. Denn sobald einer im Außendienst oder anderweitig unterwegs ist, übernimmt ein anderer den Kunden und versucht, das Problem zu lösen oder die Anfrage schnell zu bearbeiten. Als wichtige Voraussetzung werden dazu für jeden wichtigen Kunden generell zwei Ansprechpartner definiert.

Auch innerhalb der Gruppe werden Unstimmigkeiten einfacher gelöst. Durch das Umsatzziel für das ganze Team ist jeder bestrebt, sein Bestes für die Gruppe zu geben, beziehungsweise wird jeder von den anderen durch deren Engagement motiviert. Das alte Vertriebsproblem "Wem gehört welcher Kunde?" verschwindet, da an jedem neuen Kunden alle Verkäufer partizipieren. Damit werden der Zusammenhalt und das Wir-Gefühl gestärkt, jeder kann sich auf den anderen verlassen.

Eine zusätzliche Rolle spielt die geballte Konzentration am Markt. Während der Wettbewerb immer nur einige wenige Interessenten aktiv angehen kann, ist es mit dem Teammodell ohne weiteres möglich, sehr viele Neukunden zeitgleich zu akquirieren, da ja mehrere Verkäufer zur Verfügung stehen. Gleichzeitig löst sich das Problem, während einer aggressiven Akquisitionsphase Bestandskunden zu verlieren, da diese dann weiterhin von einem anderen Teammitglied betreut werden.

Aus den genannten Vorteilen ergeben sich auch einige entscheidende Spielregeln, die bei der Einführung einer Teamstruktur beachtet werden müssen:

Die jeweiligen Mitglieder eines Teams müssen menschlich zusammenpassen. Sobald Teile der Gruppe nicht miteinander harmonieren, ist das Teamprinzip bereits aufgehoben.

Wichtig ist auch, vorab Ziele zu definieren, die in der Gruppe leichter zu erreichen sind als mit Einzelspielern. Die im Team zu verkaufenden Produkte sollten auch nicht gänzlich unterschiedlich sein. Wenig Sinn macht es, innerhalb der Truppe EDV, Kopierer und Büromöbel verkaufen zu wollen. Hierbei fehlen der Synergieeffekt und das gegenseitige Know-how.

Die Mitglieder müssen bereit sein, sich für das Team einzusetzen und ihre jeweiligen eigenen Interessen zurückzustellen. Das gilt vor allem für den Kopf der Gruppe. Er hat die wichtigste Funktion überhaupt, er muss das Team nach außen hin führen, die Strategien vorgeben, sich selbst aber voll und ganz in den Dienst der Gruppe stellen, also auch nicht nur Führungsaufgaben übernehmen. Ist es zum Beispiel notwendig, einen Termin bei einem kleinen Kunden vor Ort wahrzunehmen, der normalerweise nicht vom Key-Account-Manager betreut wird, so muss auch der Leiter diese Aufgaben übernehmen und versuchen, den Kunden für seine Mitarbeiter aus dem Team zu gewinnen.

Wichtig ist auch, vorab zu klären, wie die finanziellen Aspekte geregelt werden. Das erfordert vor allem Aufwand für die Adminis-tration, denn die Erträge aus einem Geschäft des Teams müssen unter den Mitgliedern geteilt werden. Einen idealen Modus zu finden ist nicht einfach und erfordert auch die Zustimmung aller Verkäufer des Teams.

Ist es möglich, diese Voraussetzungen zu erfüllen, eignet sich dieses Modell sehr gut als Vertriebsstruktur für ein Systemhaus.

Personalpolitik im Verkauf

Bereits die Auswahl von qualifizierten Mitarbeitern ist von zentraler Bedeutung für ein erfolgreiches Management der Verkaufsorganisation. Viele Systemhäuser leiden unter einer hohen Fluktuation des Verkaufspersonals. Diese ist teuer, denn erstens muss Ersatz gefunden und eingearbeitet werden, zusätzlich wird die aufgebaute Kundenbeziehung empfindlich gestört, und drittens erleidet der Ruf des Unternehmens in der Branche Schaden. Durch den Weggang des Vorgängers ergeben sich in der Regel Umsatzeinbußen. Erfahrungsgemäß sind Verkaufsorganisationen mit vielen neuen Mitarbeitern weniger produktiv.

Eine wichtige Aufgabe des Unternehmens ist demnach, seine herausragenden Verkäufer auf jeden Fall zu halten und die Verkaufsmannschaft selektiv durch gute neue Leute zu ergänzen.

Neben den persönlichen Eigenschaften des Vertriebsmitarbeiters ist jedoch auch die Philosophie des einstellenden Unternehmens bedeutend für die Erfolgsaussichten eines Verkäufers. Firmen mit einem schlechten Betriebsklima und vielen unmotivierten Mitarbeitern tragen nicht gerade zum Erfolg im Kundenkontakt bei. Ers-te Voraussetzung für eine abschlusssichere Verkaufstätigkeit in einem neuen Unternehmen ist eine entsprechende Schulung mit jeweiligen Zielen. Solche Seminare erzielen auch bei bereits langjährig für das Unternehmen tätigen Verkäufern positive Wirkungen:

- Der Verkäufer soll sein Unternehmen besser kennen und sich mit ihm identifizieren lernen.

- Die Verkäufer müssen ihre Produkte besser kennen lernen.

- Der Verkäufer sollte alles über die Kunden, Interessenten und Konkurrenten wissen.

- Die Verkäufer müssen lernen, wie man wirkungsvolle Verkaufspräsentationen durchführt.

- Die Verkäufer sollen die Vorgehensweise im Außendienst verstehen und umsetzen.

- Die Verkäufer werden für ihren Beruf motiviert.

Nach der Schulungsphase beginnt meist der Vertriebsalltag. Manche Systemhäuser teilen die neuen Mitarbeiter sogleich in den Außendienst ein. Sie geben ihnen Hilfsmittel wie Produkt- und Preislisten zur Hand und rüsten sie bestenfalls noch mit einer Interessentenliste aus. Ab diesem Zeitpunkt ist der Verkäufer auf sich allein gestellt und muss nach einer gewissen "Schonzeit" seine Vorgaben erfüllen.

Bei fast allen EDV-Händlern arbeiten die Verkäufer als Einzelkämpfer, oft auch gegen eige-ne Kollegen, falls Verkaufsgebiete oder Kundensegmentierungen nicht eindeutig geklärt sind. Die Ergebnisse lassen aufgrund dieser Situation häufig zu wünschen übrig, und das Systemhaus trennt sich bereits nach kurzer Zeit von einem erfolglosen Vertriebsmann, oder aber er gibt selbst vorher auf.

Den eigenen Nachwuchs heranziehen

Eine Möglichkeit, neues Verkaufspersonal aufzubauen, bietet sich über den Ausbildungsweg. Gut ausgebildete Verkäufer auf dem Arbeitsmarkt zu finden scheint schwierig. Zudem sind Vorgehensweise und Struktur der verschiedenen Wettbewerber am Markt sehr unterschiedlich, so dass die Integration abgeworbener Verkäufer viel Zeit in Anspruch nimmt. Gerade kleinere Häuser haben es somit schwer, Mitarbeiter zu finden, und können dadurch nicht weiter wachsen oder ihre Marktstellung halten.

Seit der Einführung der IT-Ausbildungsberufe durch die IHK Mitte der 90er-Jahre gibt es einen Ausweg aus diesem Dilemma. Speziell für die IT-Branche entwickelt wurden die Lehrberufe

- IT-Systemkaufmann/-frau,

- Informatikkaufmann/-frau,

- IT-Fachinformatiker/-in und

- IT-Systemelektroniker/-in.

Dadurch ist es möglich, branchenspezifischen Nachwuchs selbst aufzubauen. Für den Vertriebsbereich ist die Ausbildung zum IT-Systemkaufmann am bes-ten geeignet. Gemäß Ausbildungsbeschreibung sollen IT-Sys-temkaufleute dabei folgende Inhalte beherrschen lernen:

IT-Systemkaufleute informieren und beraten bei der Konzeption kompletter ITK-Lösungen und stehen Kunden als zentrale Ansprechpartner zur Verfügung. Sie leiten Projekte in kaufmännischer, technischer und organisatorischer Hinsicht, wie die Einführung oder Erweiterung einer IT-Infrastruktur von der ersten Beratung bis zur Übergabe an die Anwender.

Sie analysieren kundenspezifische Anforderungen an ein ITK-System, entwickeln Lösungsvorschläge, kalkulieren und erstellen Angebote, informieren über Finanzierungsmöglichkeiten und erstellen die Nachkalkulation. Sie sind in der Einführung und Schulung der neuen Systeme tätig und führen Werbemaßnahmen für die Produkte ihres Hauses durch. IT-Systemkaufleute kennen den Markt und die Einsatzfelder der Produkte des Unternehmens. Ihnen sind betriebswirtschaftliche und arbeitsorganisatorische Zusammenhänge bekannt. Sie haben ein fundiertes Wissen über Vertriebsaufgaben und Verkaufsstrategien. Die Ausbildungsdauer beträgt im Regelfall drei Jahre.

Die Ausbildungslehrgänge erfreuen sich reger Nachfrage bei Schulabsolventen. Vor allem viele Abiturienten ziehen mittlerweile eine IT-Ausbildung einem Studium vor. Für das ausbildende Unternehmen ist es darum wichtig, diesen Beruf durch entsprechendes Engagement für seine Auszubildenden weiter attraktiv zu halten. Das bedeutet, dass sich ein Systemhaus im Vorfeld überlegt, wie es seine neuen, jungen Mitarbeiter im Hause sinnvoll einsetzt.

Ein internes Ausbildungsprogramm sollte als Ergänzung dazu wie folgt konzipiert werden:

Die Ausbildungsdauer des neuen Mitarbeiters wird auf 2,5 Jahre angesetzt. Praktische Erfahrungen des Autors zeigen, dass zwei Jahre für eine umfassende Ausbildung zu kurz sind. Der Tätigkeitsschwerpunkt des Auszubildenden liegt in der Vertriebsabteilung.

Die ersten Monate empfiehlt sich ein Einsatz in den Kernbereichen des Unternehmens, um die Anpassung und Integration zu fördern. In einem mittelständischen Systemhaus könnte ein Rundgang in groben Zügen wie folgt gestaltet werden:

- Telefonzentrale (eine Woche): Der Mitarbeiter lernt die Bereiche des Unternehmens und die Namen seiner Kollegen kennen.

- Allgemeine Verwaltung (eine Woche): Prozesse (Rechnungsprüfung, et cetera) werden dargestellt.

- Logistik (vier Wochen): Überblick über den Warenfluss des Unternehmens.

- Technik (vier Wochen): Installationen, Serviceannahme.

Nach diesem Einsatz als "Springer" in den Abteilungen kann der Mitarbeiter im Vertrieb eingesetzt werden. Im Idealfall hat das Sys-temhaus mehrere Vertriebsbereiche oder Verkäufer mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Während des ersten Jahres seiner Ausbildung wird er nun beispielsweise im Drei-Monats-Zyklus in den verschiedenen Verkaufsbe-reichen flexibel eingesetzt und lernt somit alle Verkaufsgrundlagen und Produkte kennen.

Anzustreben ist es, den Auszubildenden relativ breit in allen Bereiche einzusetzen, um Stärken und Schwächen leichter festzustellen. Etwaige Mängel können dadurch kurzfristig erkannt und einfacher beseitigt werden, als nach dem Ende der Lehre festzustellen, dass der Azubi nicht reif für das Vertriebsgeschäft ist.

Als wesentliche Verkaufstätigkeiten sollten vermittelt werden:

- Sicherheit am Telefon: gute Gesprächsannahme und -führung.

- Telefonmarketing: Akquise von Neu- und Bestandskunden per Telefon.

- Produkt-Know-how: Kenntnis der gesamten Produktpalette des Händlers.

- Angebotserstellung: eigenständige Ausarbeitung von Angeboten für die Kunden.

- Präsentationstechnik: Überzeugende Präsentation der Angebote beim Kunden.

- Abschlusstechnik/Cross Selling: Erkennen von Abschlusschancen und Nutzenargumentation.

Entlohnungsmodelle

Um gute Verkäufer gewinnen und halten zu können, muss das Sys-temhaus ein attraktives Entlohnungssystem entwickeln. Verkäufer wünschen sich ein regelmäßiges Einkommen und wollen für überdurchschnittliche Leistungen zusätzlich belohnt werden. Im Gegensatz dazu bevorzugen die Unternehmen Entlohnungssysteme, die einfach, wirtschaftlich und administrativ problemlos zu handhaben sind. Im Spannungsfeld zwischen diesen divergierenden Vorstellungswelten findet man auch außerordentlich viele unterschiedliche Verdienstmodelle.

Wesentliche Anforderungen an ein Entlohnungssystem sind:

- leistungsgerecht,

- motivierend,

- wirtschaftlich berechenbar,

- transparent,

- stabil,

- Beachtung des Einkommensgefüges zwischen Innen- und Außendienst.

Es lassen sich drei Grundtypen für den Verkauf ableiten: reiner Zeitlohn, reiner Leistungslohn und Kombination aus Zeit- und Leistungslohn. Während etwa 10 Prozent der Unternehmen den Zeitlohn und 20 Prozent den reinen Leistungslohn anwenden, dominiert in der Praxis mit 70 Prozent eine Kombination aus Zeit- und Leistungslohn. Die kombinierte Variante besteht aus Festgehalt und Provision. Die Provision sollte je nach den Arbeitszielen der Verkäufer und den Strategien des Unternehmens am Markt konzipiert werden.

Die Vorteile des reinen Festgehalts liegen in der Kontinuität und der verbesserten Kundenpflege. Der Verkäufer muss nicht ständig Neuabschlüsse tätigen, sondern kann mehr Zeit auf die Bestandskunden verwenden. Interessant ist dieses Modell bei sehr beratungsintensiven Lösungen, wie zum Beispiel im SAP-Umfeld. Derartige Projekte sind auch sehr aufwändig in der Verkaufsanbahnung, bis zum Abschluss kann ein halbes Jahr vergehen. Bei Sys-temhäusern, die derartige Lösungen verkaufen, sind reine Festgehälter sinnvoll.

Ähnliches trifft auf die Expansion in neue Märkte oder den Aufbau neuer Produkte zu. Auch hier dauert es einige Zeit, bis ein bedeutender Absatz erzielt wird. Zusätzlich benötigt der Verkäufer eine gewisse Sicherheit. Beim Vertrieb reiner Hardwareprodukte ist die Entlohnung ausschließlich über ein Festgehalt nicht mehr sinnvoll. In den Anfängen des EDV-Verkaufs dominierte zwar ganz klar das reine Fixum. Die Unternehmen erzielten automatisch jedes Jahr Umsatz- und Ertragszuwächse, und Preiskämpfe waren relativ selten. IBM beschäftigte noch 1990 150.000 Mitarbeiter in Vertrieb und Marketing weltweit, wobei der Großteil ein reines Festgehalt erhielt. 1996 waren noch 74.000 in diesen Funktionen tätig, da mittlerweile die Zielerreichung zum wichtigen Bestandteil der Gehaltsstruktur wurde.

Der ständige Preisverfall und vermehrte Preiskämpfe am Markt brachten viele Hersteller und Händler zum Nachdenken. Die Folge ist, dass der Leistungsanteil am Gehalt signifikant steigt. Hingegen dürfte eine reine Bezahlung nach Leistung eher selten und aufgrund des enormen Drucks auf den Verkäufer auch nicht sinnvoll sein. Als gute Mischung kann das Modell mit einem gewissen Grundfixum und einer entsprechenden Provision gelten. Die Stärken der einen Regelung kompensieren hier die Schwächen der anderen.

Eine Kombination ist dann angebracht, wenn das Umsatzvolumen durch Anreize für die Verkäufer erhöht werden soll und die Unternehmensleitung die Durchführung der Nebenaufgaben steuern will. Zudem hat eine Verbindung aus Zeit- und Leistungslohn den Vorteil, dass das Unternehmen in einer schlechten Konjunkturlage weniger Fixkosten tragen muss und die Verkäufer trotzdem nicht ihren gesamten Verdienst einbüßen.

Viele Firmen bieten darüber hinaus Leistungsprämien als Ausgleich für Zusatzengagement, Sonderleistungen oder besondere Verkaufserfolge. Als Beispiele wären die Erzielung außerordentlicher Umsätze, enorme prozentuale Steigerungen oder viele Neukundengewinne anzuführen.

Der persönliche Verkauf

Zahlreiche Unternehmen investieren viel Zeit und Geld in die Weiterbildung oder Entwicklung ihrer Verkäufer, damit diese professioneller verkaufen. Die Mehrzahl der Schulungsmaßnahmen zielt darauf ab, passive Auftragsempfänger in aktive Auftragsbeschaffer zu verwandeln. Reine Auftragsempfänger arbeiten mit der Einstellung, dass die Aktivität dem Kunden überlassen werden sollte und dieser sich schon meldet, wenn er kaufen möchte. Die Kunden kennen demnach ihre Bedürfnisse und wissen selbst, was sie brauchen. Diese passive Grundhaltung ist auch immer noch in der IT-Branche verbreitet, doch wird es für ein Unternehmen zunehmend schwieriger, sich mit solchen Verkäufern am Markt zu behaupten. Langfristiges Ziel muss daher sein, aktive Mitarbeiter zu gewinnen beziehungsweise selbst aufzubauen.

Eigenschaften des Verkäufers

Welches Können und welche Qualifikationen sollte nun eine Person aufweisen, um als geeigneter, aktiver Verkäufer einsetzbar zu sein? Nach einer Untersuchung der Studiengemeinschaft Darmstadt über die Anforderungen an Außendienstmitarbeiter anhand beschriebener Stellenanzeigen ergeben sich spezifische Kriterien (siehe Grafik Seite 42). Die optimale Auswahl von Verkäufern wäre einfach, wenn man genau wüsste, welche Eigenschaften der ideale Verkäufer besitzen muss. Praktische Beispiele erfolgreicher Verkäufer in der IT-Branche zeigen, dass eine eindeutige Zurechnung von bestimmten Eigenschaften noch lange keinen guten Verkäufer auszeichnet. Von entscheidender Bedeutung ist auch zu wissen, welche Aufgaben der Vertriebsmitarbeiter wahrnehmen soll beziehungsweise welche Marketingziele das Unternehmen verfolgt.

Als zentrales Kriterium für die Aufnahme eines neuen Verkäufers in einem Unternehmen kann sein persönlicher Wille zum Erfolg bezeichnet werden. Ohne die richtige Einstellung zum Beruf eines Verkäufers mit dem dazugehörenden Engagement ist Erfolg im Vertrieb nicht möglich. Um im Außendienst agieren zu können, sind Kontakt- und Ausdrucksfähigkeit wichtige Elemente. Wer Angst vor dem Kunden hat, ist im Vertrieb fehl am Platz.

Zum Willen gehört auch eine hohe Eigenmotivation. Ein Verkäufer verfügt je nach Firmenkultur meist über ein hohes Maß an Eigenständigkeit. Dazu gehört, dass er seine Zeit und sein Vorgehen am Markt relativ frei einteilen kann. Zum nachhaltigen Erfolg seiner Aktivitäten führen eine ausgeprägte Motivation und Begeisterung für seinen Beruf. Wer keine Freude im Verkaufen sieht oder sich selbst nicht als Vertriebsmann betrachtet, wird kaum die geforderten Umsätze und Ergebnisse erzielen können. Das Unternehmen und der Verkäufer selbst müssen sich zum Verkaufen berufen fühlen. Ohne eine entsprechende Einstellung kann kein Kunde von den Produkten und Leistungen eines Systemhauses überzeugt werden.

Ein weiteres Element des persönlichen Verkaufserfolges ist die Kenntnis der eigenen Produkte und des Angebotsportfolios. Die Güte und Verlässlichkeit der Geschäftsbeziehungen zwischen Lieferant und Kunde werden stark von der fachlichen Qualität des Verkäufers bestimmt. Auch wenn im persönlichen Gespräch häufig über andere Dinge Small Talk betrieben wird, beim Kunden bildet sich unterbewusst eine Meinung über die Professionalität seines Ansprechpartners. Der Kunde schätzt sehr schnell die Stärken und Schwächen des Verkäufers ein.

Das Verhältnis gewinnt eine andere Qualität, wenn der Abnehmer merkt, dass er bei "seinem" Verkäufer gut aufgehoben ist. Ein Vertriebsmann, der in der Lage ist, über seinen Zuständigkeitsbereich hinaus zu blicken, und dem Kunden auch Fragen zu weiterführenden Fachthemen schnell und präzise beantworten kann, ist für die andere Seite ein Gewinn und gern gesehen.

Für den Verkäufer selbst bedeutet dies eine permanente Weiterentwicklung seiner Fähigkeiten. Dazu hilft es, die Gebiete, auf denen Kenntnisse fehlen, zu definieren und sich dort gezielt weiterzubilden. Eine kritische Selbsteinschätzung des eigenen Wissens und der Anforderungen der Kunden prägt langfristig das gute Image des Verkäufers.

Erfolg im Verkauf bedeutet, die gesteckten Ziele ohne Umwege zu erreichen. Der Engpass aller Verkaufsaktivitäten ist jedoch die Zeit. Die Verbesserung der aktiven Verkaufszeit, Angebotsverfolgung und Gebietsausschöpfung stellen somit wesentliche Produktivitätsreserven dar.

Zeitanalysen zeigen, dass für das aktive Verkaufen, nämlich persönliche Gespräche mit Kunden, die auf den direkten Verkauferfolg zielen, nur 15 Prozent Zeit zur Verfügung stehen: Eine effektivere Nutzung der Zeit ist der Schlüssel zur Erhöhung der aktiven Verkaufszeit und somit der Steigerung der Verkaufserfolge.

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