Dreifaches Pech für Falschparker

Beschädigung beim Abschleppen



Renate Oettinger war Diplom-Kauffrau Dr. rer. pol. und arbeitete als freiberufliche Autorin, Lektorin und Textchefin in München. Ihre Fachbereiche waren Wirtschaft, Recht und IT. Zu ihren Kunden zählten neben den IDG-Redaktionen CIO, Computerwoche, TecChannel und ChannelPartner auch Siemens, Daimler und HypoVereinsbank sowie die Verlage Campus, Springer und Wolters Kluwer. Am 29. Januar 2021 ist Renate Oettinger verstorben.
Alexander Rilling stellt die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 18.2.2014 (IV ZR 383/12) vor und erörtert die Ausführungen im Detail.

Gleich mehrfach mit dem Schicksal zu hadern hatte ein Falschparker, dessen Klage auf Schadensersatz vom Bundesgerichtshof (BGH) jetzt endgültig abgewiesen wurde. Nicht, dass er erwischt wurde, ist mit dem Pech gemeint – mit dem Ordnungsgeld kalkulieren viele Verkehrssünder. Aber zum einen abgeschleppt zu werden und darüber hinaus dabei noch das Auto beschädigt zu bekommen, ist schon doppelt ärgerlich.

Solch einen Parkplatz hat man nicht oft: Das deutsche Recht regelt die Haftungsfragen, die beim Abschleppen eines Fahrzeugs auftauchen können.
Solch einen Parkplatz hat man nicht oft: Das deutsche Recht regelt die Haftungsfragen, die beim Abschleppen eines Fahrzeugs auftauchen können.
Foto: Audi AG

An dieser Stelle soll aber nicht über die Vermeidbarkeit dieser Schäden diskutiert werden. Interessant ist aus rechtlicher Sicht aber der dritte Schlag des Schicksals: Der Prozess gegen den schädigenden Abschleppunternehmer ging jetzt vor dem Bundesgerichtshof verloren.

Deliktischer Anspruch und Grundgesetz

Das überrascht zunächst, sollte man doch annehmen, dass zumindest ein deliktischer Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten und des Nutzungsausfalls von mehr als 3.000 Euro gegen den Abschleppunternehmer bestehen sollte. Dem kann man sich normalerweise nicht entziehen. Doch greift hier das Grundgesetz ein: Nach Art. 34 des Grundgesetzes trifft die Verantwortlichkeit, wenn " jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht" verletzt, grundsätzlich "den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht."

Im Bereich der Eingriffsverwaltung kann der Staat sich damit seiner Verantwortung nicht entziehen, indem er sich Privater zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient. Die Vollstreckung des sogenannten "Wegfahrgebotes", das durch das Verkehrsschild ausgesprochen, vom Kläger aber nicht beachtet worden war, ist eine hoheitliche Maßnahme. Handelt der beklagte Abschleppunternehmer in diesem Sinne hoheitlich, so trifft die alleinige deliktische Verantwortung die Stadt Mannheim. Deliktische Ansprüche gegen den Unternehmer wegen der Beschädigung des Fahrzeugs scheiden damit aus.

Halterhaftung greift nicht

Auch eine Haftung des Halters aus § 7 Abs. 1 StVG greift nicht: Beim Abschleppen bilden schleppendes und geschlepptes Fahrzeug eine Einheit. Das Auftreten von Schäden innerhalb dieser Einheit ist keine Schädigung eines fremden Verkehrsteilnehmers.

Das allein wäre noch keine Revision zum BGH wert. Die Rechtslage ist insoweit schon länger klar. Es fragt sich, warum der Geschädigte nicht direkt gegen die Stadt vorgegangen ist. Erklären könnte sich dies daraus, dass er noch eine Anspruchsgrundlage im juristischen Köcher zu haben glaubte: Direkte vertragliche Beziehungen zwischen Schädiger und Geschädigtem scheiden aus, da kein Vertrag zwischen den Parteien besteht. Der Auftrag zum Abschleppen kam von der Stadt Mannheim. Doch könnte hier ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter vorliegen, die Haftung des Abschleppunternehmers aus einem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte. Immerhin wusste der beklagte Unternehmer ja, dass ein möglicher Schaden beim Abschleppvorgang kein städtisches sondern eben jenes Auto des Klägers treffen würde.

Abschleppunternehmen und Haftung

Interessant sind daher die Ausführungen, die der BGH zur möglichen vertraglichen Haftung des Abschleppunternehmers macht.

Neben dem gesetzlich geregelten Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB), der für den Dritten einen Anspruch auf die vereinbarte Leistung begründet, hat die Rechtsprechung den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter herausgebildet. Er ist dadurch gekennzeichnet, dass der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Vertragspartner zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann (BGH a.a.O.). Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrages setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrages und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragsgegner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maß auch dem Dritten entgegengebracht wird. Danach wird ein Dritter nur dann in die aus einem Vertrag folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten einbezogen, wenn er mit der Hauptleistung nach dem Inhalt des Vertrags bestimmungsgemäß in Berührung kommen soll, ein besonderes Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BGH a.a.O.)

Vier Voraussetzungen

Von diesen vier Voraussetzungen (Berührung mit der Hauptleistung, besonderes Interesse an Einbeziehung, Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung, Schutzbedürftigkeit) fehlt es im vorliegenden Fall an der letzten Voraussetzung. Der geschädigte Falschparker hätte ohne weiteres die Stadt Mannheim verklagen können. Die Stadt als Verwaltungsträger hat für schuldhafte Pflichtverletzungen - auch seines Erfüllungsgehilfen wie hier des Abschleppunternehmens - einzustehen und Schadensersatz zu leisten, wobei ihr im Gegensatz zur Amtshaftung die Beweislast für fehlendes Verschulden obliegt. Damit war die Klage abzuweisen.

Der Fall zeigt erneut, dass sämtliche Anspruchsvoraussetzungen lückenlos gegeben sein müssen, wenn ein Schadensersatzprozess erfolgreich durchgeführt werden soll.

Der Kläger hätte also bessere Chancen gehabt, wenn er direkt gegen die Stadt vorgegangen wäre. Da der Vorgang sich im Jahr 2011 ereignete, ist die dreijährige Verjährung zum Jahresende noch nicht verstrichen. Der Prozess kann also noch geführt werden. Dass dem Kläger im Erfolgsfall aber auch die von ihm unnötig verursachten Verfahrens- und Anwaltskosten über drei Instanzen für den jetzt verlorenen Prozess gegen den Abschleppunternehmer erstattet werden, ist auszuschließen.

Weitere Infos und Kontakt: Alexander Rilling ist Rechtsanwalt und Mitglied der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V., www.mittelstandsanwaelte.de
Alexander Rilling, c/o RAe Dr. Gaupp & Coll., Theodor-Heuss-Str. 11, 70174 Stuttgart, Tel.: 0711 305893-0, E-Mail: rilling@drgaupp.de, Internet: www.drgaupp.de

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