Großes Potenzial versprechen die Zahlen des Marktforschungsunternehmens Gartner für das Geschäft mit Software für Customer- Relationship-Management (CRM): Nur zwei Prozent der Kleinunternehmen und 20 Prozent der Mittelständler setzen diese Anwendungen bislang ein.
Als "Später-Folger" will jetzt auch Microsoft die Umsatzchancen in diesem Markt ausschöpfen. Autorisierte Lösungspartner können mit der "Professional Edition" und Fachhändler mit der "Standard-Edition" der Redmonder am CRM-Geschäft teilhaben.
Fünf bis sechs Monate werden sie aber noch warten müssen. Während die Gates-Company das Softwarepaket in den USA schon anbietet, gelangt es in Deutschland frühestens Mitte 2003 auf den Markt. Einige handverlesene Beta-Partner haben aber bereits heute die Möglichkeit, die CRM-Software auf Herz und Nieren zu prüfen und auf dieser Basis eigene Lösungen zu entwickeln. Zu ihnen gehören eigenständige Softwarehäuser wie Team Brendel, Microsoft Certified Solution Provider wie Syskoplan oder Systemhäuser und "Navision Solution Center" wie Bechtle und Amball.
Syskoplan bindet SAP R/3 an MS CRM an
Der SAP-Spezialist Syskoplan hat sich bereits für das Geschäft mit MS CRM entschieden: "Wir wollen uns für die Professional Edition autorisieren", erklärt Michael Groß, CRM-Berater bei Syskoplan. Der Systemintegrator hat seine SAP-Kompetenz genutzt und auf der Cebit eine Integration der MS CRM Professional Edition in die ERP-Lösung "R/3" der Walldorfer gezeigt. Das Zusammenspiel zwischen R/3 und MS CRM beschreibt Groß wie folgt: Aus den vorhandenen Interessentendaten des ERP-Systems und aus zugekauften Adressen werden Kontaktinformationen generiert. Das System bearbeitet die Informationen so, dass der Vertrieb je nach Abhängigkeit und Status agieren kann. Wird aus einem Kontakt eine Verkaufschance (Opportunity), legt das ERP-System einen Interessenten an. Nach Abschluss des Vertrages werden die Informationen in die ERP-Lösung übertragen, es wird eine Auftragsnummer generiert und an das MS CRM-System geliefert. Durch alle Mitarbeiter, die mit dem Kunden in Kontakt stehen, kann dessen Status aus der ERP-Software online abgefragt werden.
Für die Integration nutzte Sys-koplan den "Biztalk-Server" von Microsoft sowie den Dotnet-Adapter für R/3. "Das lässt sich in zehn Tagen realisieren", versichert Groß. Die Walldorfer wird das nicht freuen. Sie bieten selbst eine CRM-Suite an und wollen dem Marktführer Siebel die Pole-Positon abjagen.
Der Schweizer Beta-Tester Team Brendel wird seine eigene CRM-Suite "Wincard CRM" weiterhin anbieten. Unternehmensgründer und CEO Michael Brendel schließt für die nächsten zwei bis drei Jahre kategorisch aus, Wincard auf MS CRM zu portieren. "Wir können unser spezifisches Branchenwissen nicht auf der Anwendung abbilden", begründet er seine Entscheidung. Wincard fokussiere die Bauzuliefer-Industrie. Diese Kunden hätten einen komplett anderen Geschäftsansatz. Die Baubranche arbeite nach einem objektorientierten Datenmodell. Das Bauvorhaben stehe dabei im Mittelpunkt, Adressen seien dem untergeordnet. Bei den meisten anderen Branchen werde projektorientiert gearbeitet, dort stehe die Adresse im Zentrum. "Die beiden Datenmodelle stehen sich diametral gegenüber", erklärt Brendel.
Ob sich Team Brendel für MS CRM autorisiert, lässt der Unternehmensgründer deshalb noch offen: "Die Funktionalität ist noch sehr bescheiden", moniert Brendel, hebt aber die Dotnet-Technologie als Basis-Plattform und die daraus resultierende hohe Mobilität der Anwendungen hervor: "Horizontale ISVs (Independent Software Vendors) müssen sich nicht mehr mit der Pflege und Weiterentwicklung einer Plattform beschäftigen. Vertikale ISVs können Microsoft CRM direkt in ihre Branchenlösungen integrieren."
Darauf setzt auch der Spezialist für Software-Lizenzmanagement und E-Procurement-Lösungen Datalog. Microsoft nahm das Softwarehaus bereits in sein "Partner Preview Program" auf. Doch die Pläne der Münchener sind ehrgeiziger: "Wir möchten in das ISV-Programm", erklärt Dirk Janssen, Business-Development-Manager CRM bei Datalog. Die Chancen dafür dürften nicht schlecht stehen, denn Janssen verfügt über einen guten Draht zu Microsoft: Bis Mitte 2002 arbeitete er als Front- und Backoffice-Product-Manager für die Gates-Company.
E-Mail-Kennzeichnung sorgt für Unmut
Während sich Microsoft-Lösungspartner in Deutschland auf den Launch der CRM-Lösung vorbereiten, vertreiben Wiederverkäufer in den USA das Anwendungspaket seit Anfang dieses Jahres. Bei amerikanischen Anwendern sorgte der so genannte "Generated Unique Identifier (GUID)" für Unmut. Der aus zehn Ziffern bestehende Code steht in der Betreff-Zeile von E-Mails, um diese im CRM-System den entsprechenden Kunden oder Geschäftsgelegenheiten zuzuordnen. Empfänger der Mail könnten aufgrund des Schlüssels in der Subject-Line annehmen, es handle sich um eine Spam- oder Serien-Mail und diese ungeöffnet löschen. Die in der CRM-Philosophie verankerte individuelle Kundenansprache wird dadurch verhindert. Tobias Rorbach, CRM-Verantwortlicher beim Beta-Tester Amball, stellt klar: "Es gibt Möglichkeiten, den GUID zu umgehen." Doch auch Microsoft hat den Aufschrei von Partnern und Kunden vernommen und will baldmöglichst einen Patch bereitstellen
CRM-Modul für Navision steht auf dem Prüfstand
Während Microsoft die Professional Edition nur über autorisierte Partner verkauft, vertreiben die Redmonder die Standard-Edition über Distributoren. "Bewerben können sich alle Partner", betont Wolfgang Ebermann, Leiter der neuen Geschäftseinheit Small & Mid-Market Solutions and Partners (SMS&P) bei Microsoft. Angesiedelt wird das CRM-Produkt im Geschäftsfeld "Business Solu-tions". Zu dieser gehören auch die bisherigen Great-Plains- und Navision-Partner wie Bechtle und Amball. Der Firmenname des dänischen ERP-Herstellers Navision ersetzte die Produktbezeichnung der Unternehmenssoftware "Attain". Für das ERP-Paket bietet Business Solutions bereits ein eigenes CRM-Modul an. In "Axapta", dem Produkt für den gehobenen Mittelstand, sind CRM-Funktionen integriert.
Ob MS CRM und das CRM-Modul für Navision parallel weiterentwickelt werden, ist noch nicht entschieden. "Wir werden die Marktentwicklung beobachten", erklärt Ebermann. Die Akzeptanz der Kunden gebe dabei die Entscheidung auf den Weg, inwieweit beide Anwendungspakete weiterentwickelt werden oder eine Migration zu MS CRM erfolgt.
Thomas Rohrbach vom Beta-Tester Amball möchte zwar künftig auch MS CRM vertreiben, setzt aber auch weiterhin auf das CRM-Modul für Navision: "Wir rechnen fest mit der Weiterentwicklung." Das CRM-Modul lebe von der vollen Integration in das ERP-System. Die Benutzeroberfläche sei im Gegensatz zu MS CRM zwar technischer orientiert, aber es ließe sich beispielsweise auf die gesamten Wertposten im ERP-System zugreifen. Anwender könnten so genau ermitteln, welcher Kunde wann was gekauft hat, und auf den ausgewählten Adressbeständen basierend gezielte Werbekampagnen fahren. Bei MS CRM werde sich erst zeigen, ob die Standard-Konnektoren in ERP-Systemen funktionsfähig sind.
Alles in allem gehen die Beta-Tester davon aus, dass Microsoft den angekündigten Release-Termin im zweiten Halbjahr 2003 für Deutschland halten kann - immerhin lässt er einen Spielraum von sechs Monaten zu.
www.microsoft.de
www.syskoplan.de
www.team-brendel.de
ComputerPartner-Meinung
Die von ComputerPartner in Ausgabe 10 auf Seite 58 aufgezeigten Funktionslücken von MS CRM können die Redmonder auch im ersten deutschen Release nicht schließen. Die im System angebotenen Features fürSales und Service laufen nach Auskunft der Beta-Tester jedoch stabil. Nicht immer bestraft die Zeit den, der zu spät kommt: Bis zum Launch in Deutschland wird wohl auch eine Lösung für den in der USA-Version kritisierten Generated Unique Indentifier gefunden sein. (hei)