Ingram-Deutschlandchef Alexander Maier

"Broadliner ist ein Gütesiegel"

Armin Weiler kümmert sich um die rechercheintensiven Geschichten rund um den ITK-Channel und um die Themen der Distribution. Zudem ist er für den Bereich PCs und Peripherie zuständig. Zu seinen Spezialgebieten zählen daher Notebooks, PCs, Smartphones, Drucker, Displays und Eingabegeräte. Bei der inoffiziellen deutschen IT-Skimeisterschaft "CP Race" ist er für die Rennleitung verantwortlich.
Seit Anfang des Jahres steht Alexander Maier als Vice President & Chief Country Executive Germany an der Spitze von Ingram Micro in Deutschland. Im Gespräch mit ChannelPartner äußert sich Maier über Stand und Zukunft von Ingram Micro und der Broadline-Distribution.
"Wir haben im Broadline-Bereich nach wie vor die größte Kundenbreite und das größte Herstellerportfolio", Alexander Maier, Vice President & Country Chief Executive Germany bei Ingram Micro.
"Wir haben im Broadline-Bereich nach wie vor die größte Kundenbreite und das größte Herstellerportfolio", Alexander Maier, Vice President & Country Chief Executive Germany bei Ingram Micro.

ChannelPartner: Herr Maier, auf Ihrer Hausmesse äußerten Sie die These, dass die Bezeichnung "Broadliner" negativ belegt sei. Wie kommen Sie zu dieser Annahme?

Alexander Maier, Ingram Micro: Ich habe schon mehrfach Presseanfragen erhalten, die einen Abgesang auf die Broadline-Distribution anstimmten. Es wurde in Frage gestellt, ob diese überhaupt eine Zukunft habe, da die Digitalisierung auch eine höhere Spezialisierung mit sich bringt. Ich persönlich denke, dass wir für die Zukunft sehr gut aufgestellt sind, weil wir in viele neue Themen investieren und stetig am Ausbau unserer Leistungsfähigkeit arbeiten. Auch wenn die bewährten Marktsegmente nicht mehr wie in der Vergangenheit wachsen, ergeben sich gleichzeitig große Chancen aus neuen Geschäftsbereichen. Die Märkte verändern sich, die Margen sind über die Jahre erodiert und die Wettbewerbsintensität nimmt zu. Zeitgleich wächst durch die digitale Transformation die Komplexität der Lösungen. Wir sehen bei vielen Marktteilnehmern die Herausforderung, Antworten auf diese Veränderungen zu finden. Der Investitionsbedarf ist immens, weshalb viele der Partner weder in der Lage sind, die neuen Angebote und Lösungen allesamt vorzuhalten, noch alle benötigten Zertifizierungen zu durchlaufen. Wenn die Themen nicht skalieren, sind diese Investitionen für viele Systemhäuser und Reseller nicht alleine zu stemmen. Hier kommt der Distribution, insbesondere uns als Broadlinern, eine besondere Bedeutung zu: Wir unterstützen die Partner neutral und umfassend bei der Leistungserbringung.

ChannelPartner: Dann gibt es den Broadliner von gestern eigentlich gar nicht mehr?

Alexander Maier: Die Diskussion war in der Vergangenheit getrieben durch die Gegenüberstellung von Volume und Value und die Unterschiede in den erzielten Mehrwerten. Aus meiner Sicht ist diese Unterscheidung heute nicht mehr so relevant. Wir bieten auch im Value Mehrwerte wie Kundenbreite oder Marktdurchdringung, die die klassische Value-Distribution so gar nicht anbieten kann.

Es ist für uns kein Nachteil, "Broadliner" genannt zu werden. Es ist ein Gütesiegel, weil wir die größte Breite an Themen und Lösungen belegen. Wir wollen unsere Kunden über alle Technologien ganzheitlich bedienen. Aufgrund unserer Größe sind wir in der Lage, dies segmentiert zu tun. Das heißt, auf die Bedürfnisse unserer Kunden zugeschnittene Angebote zu formulieren, die sich im SMB-Umfeld anders darlegen als im klassischen Mittelstand oder bei den Großkunden. Es wird unterstellt, dass nur der spezialisierte Distributor gut gesetzt ist und überleben kann, während die Broadline-Distribution mangels Wertschöpfung ein schweres Dasein fristet. Das Gegenteil ist der Fall: Viele hochspezialisierte Geschäftsmodelle sind anfällig, weil sie nicht über die notwendige Investitionskraft verfügen, um im Zuge der Digitalen Transformation die Modelle zu adaptieren. Deshalb sind wir mit unserer Größe und dem globalen Netzwerk gut aufgestellt, um neue Marktsegmente vorantreiben zu können.

ChannelPartner: Worin unterscheiden Sie sich Ihrer Meinung nach am stärksten von den beiden anderen Broadlineren?

Alexander Maier: Wir haben im Broadline-Bereich nach wie vor die größte Kundenbreite und das größte Herstellerportfolio. Aber wir vergleichen uns nicht so sehr mit anderen Broadlinern, sondern schauen auf die Spezialsegmente. Im Value wie zum Beispiel im Storage, bei Physical Security oder Digital Signage, sind unsere Wettbewerber ganz andere. Wir haben dort die Spezialisten zum Teil bereits eingeholt oder überholt. Hierfür haben wir schlagkräftige Business Units aufgebaut, die von Einkauf über Inventory Management, Produktmanagement, Pre und Post Sales Support bis zu Engineering Skills und Vertriebsaktivitäten alles abdecken können.

ChannelPartner: Ist es dann noch erstrebenswert, im Umsatz eine Nummer-Eins-Position zu haben?

Alexander Maier: Für mich ist die Nummer Eins-Position letzten Endes ein schöner Beleg dessen, was wir in den unterschiedlichen Produktbereichen und Kundensegmenten erreicht haben. Viel wichtiger ist für uns jedoch der Blick auf die ergebnisbildenden Faktoren, anhand derer wir unser Geschäft steuern. Die breite Leistungsfähigkeit, die die Distributoren in der Vergangenheit entwickelt haben, nehmen Kunden wie Hersteller gerne in Anspruch, aber wir werden für diese Leistungen nicht adäquat kompensiert. Ich prognostiziere, dass das Preisgefüge in der deutschen Distribution bei allen Marktteilnehmern in den nächsten Monaten und Jahren deutlich nach oben gehen wird. Viele zusätzliche Leistungen werden nicht mehr als Dreingabe kostenlos mitgegeben.

Und noch ein Wort zum Umsatz: Wir prüfen derzeit unser Engagement in einigen Kundensegmenten, im Besonderen im B2C-, Retail- und Etail-Umfeld. Es ist extrem schwierig geworden, als Distribution entsprechende Wertschöpfung aus diesen Geschäften zu generieren und wir müssen das weitere Vorgehen abwägen.

ChannelPartner: Also nicht Umsatz um jeden Preis?

Alexander Maier: Absolut nicht! Umsatz ist nicht die wichtigste Kennzahl. Es ist unabdingbar, uns zu überlegen, wie wir die angebotenen Mehrwerte auch angemessen bezahlt bekommen. Die Hersteller verlagern Leistungen zu uns und wir müssen hinterfragen, inwieweit diese vergütet werden. Kunden haben immer komplexere Ansprüche in Bezug auf Beratungsleistungen oder das Vorhalten der Ware und denken, diese seien über die Marge abgedeckt. Diese Rechnung geht so auf Dauer nicht mehr auf.

ChannelPartner: Sie sind als Broadliner weltweit aufgestellt. Ist das eher von Vor- oder von Nachteil, auch im Hinblick auf Handelshemmnisse, wie sie durch den Handelskrieg mit den USA aufkommen?

Unabhängig von diesem Thema ist es in unserer Branche generell wichtig, international aufgestellt zu sein, weil viele Hersteller weltweit agieren und starke globale Partner suchen. Wir sehen, dass viele Hersteller ihre Distributionslandschaft konsolidieren und mit internationalen Unternehmen zusammenarbeiten wollen, die die Besonderheiten der einzelnen Märkte abbilden können. Zudem tätigt Ingram Micro weltweit große Investments. Im Cloud-Bereich war das in den letzten Jahren ein dreistelliger Millionenbetrag, der aus lokalen Mitteln gar nicht zu stemmen gewesen wäre.

ChannelPartner: Wie hat sich der Einfluss der deutschen Landesgesellschaft innerhalb des internationalen Ingram-Konstrukts in den letzten Jahren verändert?

Alexander Maier: Unser Einfluss ist ungebrochen hoch. Wir sind mit unserer Größe und unserem Umsatzvolumen ein wichtiges Land innerhalb Europas und auch weltweit. Bei vielen Wegen, die wir heute beschreiten, profitieren wir vom Netzwerkgedanken. Im Gegensatz zu früher, als es fast ausreichend war, neue Hersteller aufzunehmen, drehen sich die Gesetzmäßigkeiten der Zukunft eher darum, wie gut wir die große Palette der Value-Themen bespielen. Wir können nicht in jedem Land zeitgleich unendlich viele Aktivitäten vorantreiben. Wir geben deshalb in Deutschland ausgewählten Themen den Vorzug, während andere Ingram Micro Gesellschaften wiederum in anderen Segmenten aktiv nach vorne gehen. Dann werden wir es übereinander legen und schauen, wie wir alle davon profitieren. So können wir dann die Zukunftsthemen schneller replizieren, je nachdem wie weit die Märkte fortgeschritten und wie bereit die Kunden sind.

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ChannelPartner: Seit rund zwei Jahren arbeitet Ingram Micro unter einem chinesischen Investor. Gibt es dadurch eine andere Unternehmenskultur?

Alexander Maier: Wenn sich die Unternehmenskultur geändert hat, dann zum Positiven. Unsere Investoren wollen die Diversifizierung unseres Geschäftsmodells nach vorne treiben. Sie sind hochzufrieden mit der Umsatz- und Ergebnisentwicklung. Was wir im ersten Halbjahr erreichen wollten, haben wir erreicht. Wir sehen auch das zweite Halbjahr und entsprechend die Zukunft sehr positiv. Seit Januar ging ein deutlicher Ruck durch die Organisation und ich hoffe, das spüren auch unsere Partner. In vielen Einzelgespräche wird mir das zumindest belegt.

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