CompuNet fühlt sich bei Großkunden wohl, im Mittelstand aber wie ein Fisch an Land

12.12.1997
MÜNCHEN/KERPEN: Gibt es eine CompuNet ohne Jost Stollmann? Der kürzlich ausgeschiedene Vorstandssprecher hatte das Unternehmen so medienpräsent vertreten, daß sein Name untrennbar mit der CompuNet verbunden schien. Im Gegensatz zu ihm tritt sein Nachfolger, Dr. Hans-Dieter Koch, leiser auf - Wettbewerber schrecken ist wohl nicht sein Ziel. Doch im Grunde verkündet er dieselbe Botschaft wie Stollmann: Andere Systemhäuser können im flächendeckenden Großkundengeschäft kaum mithalten, sie sollen sich lieber auf den Mittelstand konzentrieren. Im Gespräch mit ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking und Redakteurin Ute Dorau zeigt er die Grenzen auf, die der Konkurrenz seiner Ansicht nach gesetzt sind.

MÜNCHEN/KERPEN: Gibt es eine CompuNet ohne Jost Stollmann? Der kürzlich ausgeschiedene Vorstandssprecher hatte das Unternehmen so medienpräsent vertreten, daß sein Name untrennbar mit der CompuNet verbunden schien. Im Gegensatz zu ihm tritt sein Nachfolger, Dr. Hans-Dieter Koch, leiser auf - Wettbewerber schrecken ist wohl nicht sein Ziel. Doch im Grunde verkündet er dieselbe Botschaft wie Stollmann: Andere Systemhäuser können im flächendeckenden Großkundengeschäft kaum mithalten, sie sollen sich lieber auf den Mittelstand konzentrieren. Im Gespräch mit ComputerPartner-Chefredakteur Damian Sicking und Redakteurin Ute Dorau zeigt er die Grenzen auf, die der Konkurrenz seiner Ansicht nach gesetzt sind.

? Die CompuNet ohne Jost Stollmann - ist das noch dasselbe Unternehmen? Setzen Sie die von ihm geprägten Traditionen fort, oder wollen Sie neue Akzente im Unternehmen setzen?

KOCH: Das sind zwei Themen. Das eine ist: Wie entwickelt sich das Unternehmen? Da können wir sicher sagen, daß sich an der strategischen Ausrichtung des Unternehmens nichts ändern wird. Wir haben ja nach der Übernahme durch General Electric Capital Services gerade erst angefangen - in den letzten zwölf, fünfzehn Monaten - hier eine europäische Basis aufzubauen. Das operative Geschäft der CompuNet wird weiterhin von Kerpen aus gemacht, nur der Sprecher, die Öffentlichkeitsarbeit und die Europa-Zentrale sind in München.

? Ihr Vorgänger war in der Branche für seine hohe Medienpräsenz gefürchtet. Man hatte den Eindruck, er hatte sich die Devise vieler Hollywood-Stars zueigen gemacht: Egal ob Lob oder Verriß - jede Presse ist gute Presse, denn das ist Werbung. Ändert sich durch Sie der Stil des Hauses?

KOCH (lächelt): Im persönlichen wird sich natürlich etwas ändern. Das ist einfach biologisch bedingt. Ich bin anders. Und jeder muß halt die Rolle leben, die er selbst am besten ausfüllt.

? Wie würden Sie selber Ihre Rolle beschreiben?

KOCH: Ich bin ja im Unternehmen seit jetzt acht Jahren. Für diese Industrie ist das schon sicher deutlich über dem Durchschnitt.

Ich denke, ich habe im Grunde die gleiche Rolle, die auch Herr Stollmann ausgefüllt hat. Das heißt zum einen, das Unternehmen kommunikativ zu vertreten. Deswegen sitzen wir heute da. Und zum anderen, die strategische Richtung des Unternehmens vorzugeben. Als dritte Komponente kommt dazu: Ich muß sicherstellen, daß das Unternehmen CompuNet in dem weltweiten Verbund von GE-Capital-IT-Solutions erfolgreich ist. Diese Rolle ist unabhängig von den Personen. Nur wie eine Person das ausfüllt, da mag es Unterschiede geben.

? Interessant ist natürlich vor allem die strategische Ausrichtung. Jost Stollmann hatte Anfang des Jahres gegenüber ComputerPartner erklärt, gegenwärtig sehe er in seinem Marktumfeld Wachstumschancen vorrangig noch durch Verdrängung des Wettbewerbs. Sehen Sie das auch so - oder wo sonst kann die CompuNet noch wachsen?

KOCH: Also, es würde mich überraschen, wenn er das in dieser Form gesagt hat.

? Hat er. In dem Gespräch fielen eine Reihe recht provokativer Aussagen. ComputerPartner veröffentlichte Auszüge daraus in Ausgabe 3/97 als Titelgeschichte.

KOCH: Nun, das eine ist sicher richtig: Wenn wir uns heute einmal die größten 1.500 Unternehmen anschauen - das ist ja unser Kundensegment - da ist es relativ schwer für uns, viele neue Kunden zu bekommen. Denn ich denke, da haben wir eine sehr hohe Marktdurchdringung.

Es gibt allerdings wenige Kunden, die nur einen einzigen Lieferanten haben. Das heißt - natürlich kann man den Markt ausweiten über Verdrängung. Und wenn man die Möglichkeit hat, sich gegenüber einem Wettbewerber zu verbessern, dann macht das natürlich jeder.

? Eben. Bei einem so fest umrissenen Kundenkreis und einer guten Marktdurchdringung, wie Sie sagen - was gäbe es da denn sonst noch für Möglichkeiten für das Wachstum?

KOCH: Sehen Sie, der zweite, sehr wichtige Teil ist doch der, den bestehenden Kundenstamm zu durchdringen. Das ist schlicht profitabler - sowohl für das eigene Unternehmen als auch für den Kunden.

? Inwiefern genau?

KOCH: Sie haben nicht die Akquisitionskosten, als wenn Sie zehn neue Kunden gewinnen müßten. Und das jeweilige Unternehmen hat auch etwas davon: Wenn ich Sie gut kenne, dann riskiere ich mit Ihnen auch etwas. Und zwar viel mehr als bei jemandem, der eventuell zwei Prozent billiger ist - aber fremd. Und deswegen denke ich, die Ausrichtung von CompuNet wird es sein, die Kundenbeziehungen sehr viel stärker zu vertiefen.

? Aber Sie sagten selbst - ein Kunde hat selten nur einen Lieferanten. Und: Kundenpflege gibt es ja nicht erst seit gestern, die kennt auch der Wettbewerb. Unterschätzen Sie da nicht Ihre Konkurrenz?

KOCH: Wir sind sehr stark in dem Bereich, den wir Mission Critical nennen. Kunden, jedenfalls große Kunden, gehen weg von der einfachen Bestellung von Systemen, und hin zur Abfrage von dem, was wir eben Mission-Critical-Situation nennen. Also, wenn Kunden dazu übergehen, eine komplette Infrastruktur nach außen zu geben - dann ist das doch viel mehr als der Handel mit PCs. Und in diesem Bereich kann es einfach kritisch werden - daher der Name.

Und wenn es uns gelingt, hier viel stärker in dieses Geschäft zu gehen, dann glaube ich auch, daß wir da noch ein riesiges Potential ausschöpfen können.

? In dem eingangs erwähnten Gespräch mit Herrn Stollmann nannte er vor allem Hersteller mit eigenem Direktvertrieb als Wettbewerber von CompuNet. Wen bezeichnen Sie im Tanz um die 1.500 größten Unternehmen im Markt als Ihre Konkurrenz?

KOCH: Da gibt es im Prinzip nur drei. Es gibt zwei Direktanbieter, das sind an erster Stelle - fast in gleicher Höhe - IBM und SNI, und dann gibt es Debis. Debis ist sicher das Haus, das in den Großprojekten der größte unabhängige Wettbewerber von uns ist.

? Gilt das für alle Geschäftsbereiche?

KOCH: Ich denke, wenn wir das Geschäft segmentieren in Großrechner-Geschäft und Client/Server-Business - das sind dann die beiden Welten. Das eine sind die großen Hobel, und das andere ist die komplexe Infrastruktur mit vielen PCs, Hubs, Switches und so weiter. Im Großrechnergeschäft - da ist es sicher Debis. Im Geschäft mit Client/ Servern sind es wir. Tja, und da läuft jetzt so etwas wie eine Wette: Gewinner wird sein, wer im Rahmen des Zusammenwachsens dieser Bereiche die besseren Karten hat. Das wird wahrscheinlich jedes Haus von sich selbst behaupten.

? Das ist natürlich sehr interessant, was Sie da sagen. Denn fragt man andere Unternehmen, die sich auch in dieser Richtung aufstellen oder aufstellen wollen - im Gespräch sind da m + s, ADA, Debis oder PCM, auch die Bechtle-Gruppe kann man noch nennen: Die sehen sich sehr wohl im direkten Wettbewerb mit CompuNet.

KOCH: (lächelt nur und zuckt die Achseln)

? Auch Herr Stollmann hatte ja Anfang des Jahres in gleichem Zusammenhang gesagt, das Spiel sei "eigentlich schon gespielt". Sie wollen also immer noch weiter Gas geben?

KOCH: Ja. Auf jeden Fall!

? Oder nehmen Sie jetzt diesen neuen Systemhaus-Verbund: Da haben sich jetzt fünf Systemhäuser zusammengetan und wollen sich klar gegen Sie positionieren. Interessant in diesem Zusammenhang war ja auch eine Aussage, die Herr Dr. Lamperstorfer (CompuNet-Vorstand, Anm. d. Red.) getroffen hatte - sinngemäß hieß es da, m + s sei eine ernstzunehmende Konkurrenz für CompuNet - alle anderen könnten sich eigentlich nur noch fein herausputzen, um aufgekauft zu werden. Stimmen Sie ihm da zu?

KOCH: Also, wenn man Herrn Lamperstorfer sprechen hört, dann ist das etwas anderes, als wenn es geschrieben dasteht - er spricht auch sehr pointiert. Aber ich denke, er wollte etwas anderes damit sagen. m + s, Bechtle, das sind natürlich Wettbewerber von uns, und es wäre auch Unsinn zu sagen, daß das keine kompetenten Wettbewerber wären. Und es ist auch klar, daß sich diese Unternehmen stark gegen uns positionieren. Aber wir positionieren uns anders.

? Aha. Wie unterscheiden Sie sich genau von den anderen Playern im Markt?

KOCH: Wenn man sich den Markt anschaut, dann gibt es da den Bereich der PC-Händler - auch wenn diese Formulierung vielleicht zu negativ besetzt ist. Denn auch mit diesem Segment ist eine sehr komplexe Dienstleistung verbunden. Die Lieferung von Computern und Druckern, diese Systeme dann einbauen in ein lokales Netz - das ist schon eine komplexe Dienstleistung, die mit einem Handelsgeschäft ê la C2000 fast nichts zu tun hat. Und dieses Geschäft wird es wohl auch länger geben.

Aber in der Größenordnung, in der wir sind, sieht es anders aus. Das Geschäft, das sicher wachsen wird, ist das der Verbindung lokaler Netze miteinander - also über weitere, stadt- oder länderübergreifende Entfernungen.

? Also der Wide-Area-Networking-Bereich, das WAN-Geschäft?

KOCH: Ja genau, das WAN-Geschäft. Da gibt es zwei Bereiche - das ist einmal der Draht. Damit haben wir wenig zu tun, das ist das Metier der Telekom oder von Mannesmann. Dann gibt es aber das Geschäft, das dafür sorgt, daß das Bit, das in der einen Seite hineinkommt, auch als das gleiche Bit auf der anderen Seite wieder erkannt wird. Das ist das Geschäft der Firma Cisco. Also der Markt der Hubs, der Switches - eben der Netzwerk-Markt. Und da sind die Unternehmen anfällig.

? Und das ist das Lieblingsspielfeld der CompuNet?

KOCH: Wenn Unternehmen heute Probleme haben, dann immer in diesem Segment. Weil es nämlich diese schöne Welt - "Ich nehme Produkt A vom besten Hersteller, verbinde es mit Produkt B vom besten Hersteller und leite es mit dem besten Carrier zu C" - nicht gibt, da diese vielen Posten leider nicht miteinander kompatibel sind. Deswegen gibt es uns ja. Und dieses Geschäft mit Cisco, IBM, 3Com und Bay Networks, das ist ein Geschäft, das von mittleren Unternehmen nicht dargestellt werden kann - weil die Investitionen viel zu groß sind.

? Und CompuNet ist das einzige Unternehmen, das das bewältigen kann?

KOCH: Ich kenne da nur drei oder vier große Unternehmen in Deutschland überhaupt, die in diesem Geschäft drin sind. m + s ist meines Wissens nicht drin. Bechtle mit Sicherheit nicht. In diesem klassischen Segment, über das wir sprechen, da gibt es - glaube ich - nur Debis, vielleicht ADA.

? Aber bringt das Geschäft wirklich die hohen Umsätze? In Kerpen gehen ja jährlich rund 100.000 PCs aus dem Unternehmen. Was tragen diese Produkte bei, die Sie mehr oder weniger durchschieben?

KOCH: Aus Kundensicht ist es einfach wichtig, daß wir das auch anbieten. Mein Lieblingsvergleich ist der mit einer Klinik. Was tun, wenn Sie ein Herz brauchen? Wir sagen: Ich sorge dafür, daß Dein Herz funktioniert, und den Rest liefern wir auch. Deutlich schwerer haben es die, die alles andere bieten - aber kein Herz. Das ist eine schwere Verkaufsgeschichte. Und das meinte der Herr Lamperstorfer damit: Daß Unternehmen, die in einer Größenordnung von 300, 400 Millionen Mark sind, nun ja, die sind keine kleinen Boutiquen mehr, aber ob sie an das Herz herankommen - das ist zweifelhaft.

? Sehen Sie denn den Markt - den außerhalb des Herzens, wie Sie sagen - groß genug für die anderen Unternehmen? Denn natürlich kann man den Satz von Herrn Lamperstorfer auch so auslegen, daß die anderen in ihrer heutigen Form eigentlich keine Überlebenschancen haben, es sei denn, sie werden aufgekauft.

KOCH: Es kommt nur darauf an, welche Kundengruppe sie wählen. Also - wenn diese Unternehmen, die weder groß noch klein sind, wenn es deren Strategie ist, trotzdem in dem Segment der sehr großen Kunden tätig sein zu wollen, womöglich auch noch bei solchen, die an verschiedenen Standorten betreut werden wollen - dann wird es für sie sehr, sehr schwer. Aber wenn sie sich auf Kunden konzentrieren, die nur einen einzigen Standort haben - das geht. Oder sie wählen die Kunden, die heute noch sehr schlecht betreut werden - nämlich die aus dem großen Mittelstand, da gibt es sicher noch Betätigungsfelder.

? Was verstehen Sie unter Mittelstand?

KOCH: Mittelstand - das sind Unternehmen, die so etwa 100 bis 150 Systeme im Jahr abkaufen. Also kein kleines Unternehmen, aber für 100 Systeme werden Sie die großen Häuser nicht begeistern können. Und dieser Bereich ist überhaupt nicht gut betreut. Weil es ganz kleine gibt - das ist der Händler um die Ecke. Der kann auch solche Unternehmen nicht betreuen. Und dann gibt es eben Häuser wie CompuNet, die sich auf die sehr großen Unternehmen konzentrieren. Wir können solche Kunden nicht betreuen - beziehungsweise er wäre schlecht beraten, wenn er zu uns käme.

So, das heißt, diese beiden Alternativen - also Kunden an einem Standort oder den großen Mittelstand - haben die anderen Unternehmen schon. Nur, wenn sie wirklich in diese Mission Critical, sprich: in das Herz, wollen, dann ist häufig die Anlehnung an größere Unternehmen die einzige Möglichkeit. So wie es CompuNet gemacht hat.

?Und das Feld "Mittelstand" wollen Sie nicht beackern? Werfen Sie nicht doch ab und an einen begehrlichen Seitenblick auf den Markt, den Raab Karcher beispielsweise als profitversprechender als das Großkundengeschäft einstuft?

KOCH: Also, es wäre gut, wenn es so wäre. Denn dann wären sie kein Wettbewerber von uns. Uns gelingt es nicht, in diesem Segment profitabel zu sein. Wir haben einfach eine andere Infrastruktur - da wären wir nicht erfolgreich. Jetzt kann man natürlich darüber diskutieren, wo fängt der große Mittelstand an, ja. Aber von der strategischen Ausrichtung her werden wir uns nicht ändern. Wenn die Herzen der großen Mittelständler größer werden, dann kann man da sicher einmal hingucken. Aber es ist kein Focus.

? Insgesamt wirft Ihr Geschäftsfeld tatsächlich noch genug Profit ab? Es gab ja auch die Frage der Umsatzrendite... Sind Sie da wirklich zufrieden?

KOCH (lacht): Wenn ich jetzt sagen würde, ich wäre zufrieden, dann hätte ich sofort den ersten Konflikt mit meinen Gesellschaftern. Also: Zufrieden zu sein, das ist relativ. Wir sind, glaube ich, das einzige Unternehmen unserer Art in Deutschland überhaupt, das seine Gewinne publiziert. Zumindest ist es möglich - sowohl in der Distribution als auch in der Dienstleistung - Gewinne zu erwirtschaften. Und bisher haben wir eine Ertragsentwicklung, mit der wir leben können.

? Können Sie denn das zwanzigprozentige Umsatzwachstum der CompuNet auch in der Zukunft fortschreiben?

KOCH: Ja, doch, für dieses Jahr denke ich mit Sicherheit. Wir sind da ja schon fast am Ende. Wir werden ein Rumpfgeschäftsjahr machen in diesem Jahr, weil wir das Geschäftsjahr umstellen.

? Auf Kalenderjahr?

KOCH: Ja genau, auf Kalenderjahr.

? Das ist eine Anpassung an die Amerikaner?

KOCH: Ja. So daß man nicht permanent zwei Rechnungsperioden miteinander vergleichbar machen muß. Da werden wir die 20 Prozent sicher schaffen. Und im Servicebereich wird das mehr als 20 sein. Es sieht nicht danach aus im Moment, daß das abbricht.

? Zum Schluß noch einmal zur Wettbewerbssituation: Die CompuNet hat den Systemhäusern in Deutschland ja vorgemacht, daß es sehr gut möglich ist, explosionsartig zu wachsen. Was raten Sie denjenigen, die es versuchen wollen?

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