Recht auf Entgeltfortzahlung von der Inzidenz abhängig

Corona-Erkrankung nach Reise in ein Hochrisikogebiet

21.07.2022
Eine Mitarbeiterin legte nach der Rückkehr aus dem Urlaub in einem Hochrisikogebiet einen positiven COVID-19-Test vor. Der Arbeitgeber verweigerte die Entgeltfortzahlung: Sie habe die Erkrankung schuldhaft herbeigeführt. Das Arbeitsgericht sah das anders.
So lange die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet unter denen des Wohn- und Arbeitsortes beziehungsweise der Bundesrepublik Deutschland liegen, ist bei einer Corona-Infektion nicht von Selbstverschulden auszugehen, so das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein.
So lange die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet unter denen des Wohn- und Arbeitsortes beziehungsweise der Bundesrepublik Deutschland liegen, ist bei einer Corona-Infektion nicht von Selbstverschulden auszugehen, so das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein.
Foto: Mehaniq - shutterstock.com

Wer nach einer Reise in ein Hochrisikogebiet an Corona erkrankt, hat seine Arbeitsunfähigkeit nicht zwangsweise selbst verschuldet. So das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein in einem aktuellen Fall. Das Urteil erging am 27. Juni 2022 und ist noch nicht rechtskräftig (Aktenzeichen 5 Ca 229 f/22). Wegen grundsätzlicher Bedeutung ist die Berufung zugelassen worden. Wichtig ist bei der Entscheidung, dass die Inzidenz am Urlaubsort im gleichen Zeitraum geringer war, als am Wohn- und Arbeitsort beziehungsweise in Deutschland insgesamt.

Die Klägerin war dreifach geimpft und reiste im Januar/Februar 2022 in die Dominikanische Republik. Direkt im Anschluss an die Reise wurde sie positiv auf Corona getestet und legte dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vor. Der erkannte diese jedoch nicht an und leistete für den Zeitraum keine Entgeltfortzahlung. Er begründete das damit, dass sie mangels Symptomen nicht arbeitsunfähig gewesen und außerdem die Erkrankung durch ihre Reise in ein Hochrisikogebiet schuldhaft herbeigeführt habe.

Das Arbeitsgericht sah das anders. Ihm zufolge ist ein Arbeitnehmer auch dann arbeitsunfähig, wenn er positiv getestet aber symptomlos ist und nicht im Homeoffice tätig sein kann. Die Mitteilung der Klägerin an den Arbeitgeber, dass es ihr ganz gut gehe, entkräfte nicht die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Auch schließt die gegen die Klägerin angeordnete Quarantäne den Entgeltfortzahlungsanspruch nicht aus. Ähnlich hatte sich in einem anderen Fall auch schon das Arbeitsgericht Aachen geäußert.

Auch zur Frage, ob die Mitarbeiterin durch ihre Reise selbst schuld an ihrer Infektion und der dadurch bedingten Quarantäne war, hatte das Arbeitsgericht eine andere Ansicht als der Arbeitgeber. Dies wurde "einen groben Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen" voraussetzen. So lange die Inzidenzwerte im Urlaubsgebiet aber nicht deutlich über den Inzidenzwerten des Wohn- und Arbeitsortes beziehungsweise der Bundesrepublik Deutschland liegen, verstößt der Arbeitnehmer nicht in grober Weise gegen sein Eigeninteresse.

Das Robert-Koch-Institut hatte Dominikanische Republik im Januar 2022 als Hochrisikogebiet ausgewiesen. Am Abflugtag der Klägerin lag die Inzidenz in dem Inselstaat bei 377,7 in Deutschland bei 878,9. Rund eine Woche der Reise war die Inzidenz in der Dominikanischen Republik auf 72,5 gefallen, in Deutschland dagegen auf 1.465,4 gestiegen. Die Reise in das als "Hochrisikogebiet" definierte Land geht laut Gericht in diesen Fällen nicht über das allgemeine Lebensrisiko hinaus.

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