Oracle-Deutschland-Chef Frank Obermeier im Interview

"Das Cloud-Business ist wie ein Marathon"

Martin Bayer ist Chefredakteur von COMPUTERWOCHE, CIO und CSO. Spezialgebiet Business-Software: Business Intelligence, Big Data, CRM, ECM und ERP.

Big Data kann ganze Industrien aus den Angeln heben

Zu Ihrer Produktstrategie: Gerade im Umfeld der Datenbank und Datenmanagement-Lösungen tut sich derzeit extrem viel im Markt - Beispiel Hadoop. Wie beeinflusst das Oracle in der Produktentwicklung?

Obermeier: Wenn ich mir das Big-Data-Umfeld ansehe, dann glaube ich, dass dies einer der wesentlichen Treiber in den nächsten fünf bis zehn Jahren sein wird. Das liegt daran, dass gerade durch die Unmenge an verfügbarer Information disruptive Business-Modelle entstehen, die ganze Industrien aus den Angeln heben werden. Ich habe in den letzten Jahren viel Zeit im Silicon Valley verbracht und gesehen, dass wenige Leute mit einem kleinen, cleveren Tool ganze Geschäftsmodelle aushebeln beziehungsweise fundamental verändern können. Uber ist nur ein Beispiel. Und jeder hat mittlerweile verstanden, dass das wesentlich weiter geht als ein bloßer Taxi-Service. Ich glaube, dass alle Werkzeuge und Tools die Sie brauchen, um Big Data mit Leben zu füllen, wirklich wichtig sind für Softwareunternehmen - auch für Oracle.

Was bedeutet das dann für ihre Softwareprodukte?

Obermeier: Sie müssen heute in der Lage sein, eine hochperformante Datenbank anzubieten, um Datenmengen in einer Geschwindigkeit verarbeiten zu können, an die sie vor zwei Jahren noch gar nicht zu denken wagten. Und schließlich wächst das Ganze auch noch exponentiell. Deshalb ist das Thema Engineered Systems - also vertiefende Systeme, die die Datenbank optimiert laufen lassen – für uns ganz wichtig.

Auch die Tools, die darauf für die Datenanalyse laufen, haben einen ganz hohen Stellenwert für uns. Das ist schließlich der eigentlich smarte Teil des Ganzen: Was macht man mit den Daten? Wie wertet man sie aus? Diese Fragen haben eine große Bedeutung für uns und prägen unsere gesamte Produktstrategie. Sowohl in der Cloud wie auch On-Premise.

Der hochintegrierte Architekturansatz ist also Oracles Antwort auf die Big-Data-Herausforderungen unserer Zeit?

Obermeier: Wir glauben, dass eine starke Vertikalisierung und Verzahnung dieser Systeme nicht nur gut ist, sondern letztlich auch die Performance liefert, die man heute braucht. Die Herausforderung heute ist, schnell zu sein und den exponentiell wachsenden Datenmengen Herr zu werden. Was wir feststellen: Wir sind noch performanter, wenn wir das integriert tun.

Unsere Antwort sind die Engineered Systems. Aus Architekturperspektive gibt es zwei Wege: Entweder Sie arbeiten mit riesigen Compute-Farmen, wo Sie aber immer das Problem haben, dass die Software optimiert darauf laufen muss. Oder Sie haben die Möglichkeit, Engineered Systems zu nutzen. Hier ist die Hardware auf den Bedarf der Software optimiert. Das ist unsere Strategie seit der Übernahme von Sun.

Sehen das die Anwender denn genauso?

Obermeier: Viele Unternehmen stecken immer noch in der Architektur-Diskussion. Je größer das Unternehmen, desto größer sind auch die Altlasten, die dort mitgeschleppt werden - ob das Software oder bestehende Infrastruktur sind. Das können sie auch nicht von heute auf morgen einfach ausschalten.

Was ist die Lösung?

Obermeier: Die Architekturfrage zu lösen, heißt nicht, dass ich nicht auch individuelle Anpassungen vornehmen muss, um meine Anforderungen abdecken zu können. Die IT-Verantwortlichen müssen sich entscheiden, auf welche Tools sie setzen wollen. Interessant wird es, wenn es um die Frage geht, wie schnell sie das umsetzen können und wie gut die Werkzeuge sind, die Daten zu manipulieren und auszuwerten. Hinsichtlich der Perfomance-Frage haben sie einen riesigen Vorteil, wenn sie den gesamten Stack unter sich haben.

Entscheidet das künftig weiter die IT-Abteilung oder spielen die Fachbereiche aus Ihrer Sicht eine immer größere Rolle, wenn es um IT-Fragen geht?

Obermeier: IT wird immer mehr zu einem Thema für die Business-Entscheider. Nehmen sie die Automobilbranche: Wenn Sie früher ein Auto gebaut haben, dann hat IT nur eine nachgeordnete Rolle gespielt. Heute wird es für Konzerne wie Daimler, BMW und Volkswagen immer relevanter zu wissen, was kann ich mit IT-Hilfe in meinem Auto tun, um neue Services für meine Kunden anzubieten. Ob das in der Cloud passiert, oder das Ganze anders heißt, spielt für das Business keine Rolle.

Nur eines ist klar: Wenn ich heute ein gutes Auto bauen will, dann brauche ich IT als integralen Bestandteil. Das verschiebt die Diskussion zu den Business-Entscheidern, die den IT-Leuten klar vorgeben, in welche Richtung sie das Thema treiben möchten. Das ist eine sehr interessante Dynamik in der ganzen Transformation, weil sie viel stärker Business-getrieben ist. Und als Anbieter muss man klar verstehen: was will mein Kunde für seine Kunden erreichen und wie passen wir unsere Services entsprechend an.

Das ist eine neue Rolle für die alten Hasen im IT-Geschäft. Mit einem Mal spielen ganz neue Player eine wichtige Rolle. Wie sehen Sie Ihr Standing in der Zukunft?

Obermeier: Die zunehmende Vernetzung und Digitalisierung hat in kürzester Zeit sämtliche Branchen und Industrien erfasst. Das sehen wir auch bei unseren Kunden. Was erwarten die von ihrem IT-Lieferanten? Schnelligkeit und Flexibilität. Wenn Sie sehen, wie schnell Cloud-Companies wachsen, dann ist es schon so, dass die Arrivierten des Marktes wie IBM, SAP, HP oder Oracle sich darauf einstellen müssen und in der Lage sein müssen, dort ebenfalls flexible Pakete anzubieten. Da schließt sich für mich wieder Kreis zu unserem Cloud-Angebot.

Wir sind dort sicher noch nicht so präsent wie wir es sein wollen. Ich glaube aber auch: Das ist ein Marathon, wo verschiedene Industrien verschieden weit sind. Der eine ist zur Halbzeit eine Bombenzeit gelaufen und muss jetzt mal eine Pause machen, um zu sehen, wie er seine unterschiedlichen Dinge wieder zusammenbringt. Der andere geht es langsamer an, Stück für Stück.

Wird man als IT-Anbieter nicht austauschbar, wenn man nur die Technik liefert?

Obermeier: Wenn man nur taktische Tools liefert, dann ist man nicht besonders relevant für seine Kunden. Erst wenn Sie aber mit dem Business im Gespräch sind, und die Architektur der Zukunft mit den Kunden diskutieren, dann sind Sie relevant und dann haben Sie auch eine strategische Partnerschaft mit den Kunden. Das ist unser Ziel.

Oracle als Berater für die Cloud

Die Oracle-Geschäftsführer sind hierzulande meist einige Jahre am Ruder. Welchen Stempel wollen Sie dem Konzern in Deutschland in Ihrer Zeit aufdrücken?

Obermeier: Ich will mich auf keinen Zeitrahmen festlegen. Ich glaube, dass wir ein echter Berater in Sachen Cloud für unsere Kunden sein werden. Das ist unser übergeordnetes Ziel. Ich würde mich freuen, wenn uns die Kunden in drei, vier Jahren genau in dieser Rolle sehen. Dass Oracle bei unseren Kunden sofort präsent ist, wenn es um Cloud Infrastruktur geht. Das zweite große Thema für mich ist, dass Oracle ein Platz sein soll, wo gute, talentierte Menschen gerne arbeiten.

Das sind die beiden Dinge, die mir sehr wichtig sind. Wenn uns das gelingt, dann werden Zahlen und Erfolg automatisch folgen. Klassischerweise sind die Themen, die man nicht von heute auf morgen umsetzen kann. Das muss man sich in der Kooperation mit den Kunden erarbeiten, damit Vertrauen wächst und sich unser Profil nach außen schärft.

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