Delle bei Dell: Systemhäuser sind am Zug

02.11.1999

Im Zusammenhang mit dem Rauswurf von Deutschland-Chef Uwe Mottner hat Dell schnell reagiert. Auf der Dell-Homepage (www.dell.de) ist unter dem Programmpunkt "Führende Köpfe bei Dell" der Name Mottner schon längst nicht mehr zu finden. Der Name seines Nachfolgers Edmund Bernardi ist zwar aufgeführt, aber im Gegensatz zu den meisten anderen Dell-Führungspersonen fehlt ein Foto. Das ist symptomatisch. Denn der neue Chef von Dell Deutschland ist bis dato, obwohl er auf eine lange Laufbahn in der Computerindustrie zurückblicken kann, eigentümlich gesichtslos geblieben. In den Vordergrund gedrängt hat er sich bisher jedenfalls nicht, aufgefallen ist er kaum. Aber das kann sich ja jetzt ändern.Doch eins ist klar: In dieser Situation Geschäftsführer von Dell Deutschland zu sein, das bedeutet, auf einem Schleudersitz Platz zu nehmen. Daß das amerikanische Hire-and-Fire-Prinzip nach wie vor Gültigkeit hat und exekutiert wird, hat Bernardis Vorgänger soeben schmerzhaft erfahren dürfen. Fängt der Fisch an zu stinken, dann am Kopf, und der wird dann abgehackt und ein neuer draufgepflanzt. So sind die Spielregeln, und jeder tut gut daran, sich darüber im klaren zu sein, bevor er sich auf dieses Spiel einläßt.

Dabei läßt sich durchaus die Frage stellen, wie groß die Verantwortung Mottners für die unbefriedigende Entwicklung von Dell in Deutschland ist. Denn vielmehr scheint es, daß Dells Direktvertriebsmodell in Deutschland an die Grenzen gestoßen ist. Ein gewisser Teil des Kundenpotentials läßt sich damit sicher abgreifen, aber dann? Je weiter man in der Unternehmenspyramide von groß nach klein hinunter kommt, desto größer wird die Rolle von Absatzmittlern, die die Kunden kennen und die nahe an den Kunden dran sind.

Die aktuelle Delle bei Dell in Deutschland ist aus Sicht der Systemhäuser und Fachhandelsunternehmen eine gute Nachricht. Und sie haben es in der Hand, diese Schwäche des amerikanischen Direktanbieters für sich zu nutzen. Ein Kunde, der sich bei seinem "IT-Versorgungsunternehmen" aus dem Systemhaus- und Fachhandelsbereich gut aufgehoben fühlt, wird es sich sehr genau überlegen, ob er das Risiko eingehen kann, den Lieferanten zu wechseln. Auch die anderen PC- und Server-Hersteller können die Gunst der Stunde nutzen, indem sie ihre Handelspartner durch eine erstklassige Zusammenarbeit stark machen und so gemeinsam gute Geschäfte machen.

Inzwischen ist zu hören, daß Dell wieder Annäherungsversuche zu Systemhäusern betreibt. Eine interessante Kehrtwendung nach bekanntem Schema. Ob ein Systemhaus gut beraten ist, mit einer Firma Dell zusammenzuarbeiten, muß jedes Unternehmen für sich entscheiden. Über eins aber sollte man sich im klaren sein: Dell ist ein Direktvertreiber. Das ist die globale Strategie des amerikanischen PC-Bauers, und schon in der Vergangenheit mußte sich das deutsche Management immer wieder für vereinzelte Abweichungen von diesem Dogma rechtfertigen. Das sollte man berücksichtigen, bevor man sich mit Dell ins Bett legt.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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