Der Fall Astrid K.: "Sie sagten, da kommt ein großer Hammer auf Dich zu"

14.03.2002
Fast zwei Jahre lang hielt es Astrid K. in ihrer IT-Medienagentur aus. 18 Monate hat sie Demütigungenund Schikane durch die Abteilungsleiterin und das Desinteresse der Firmenleitung ertragen, bevor sie freiwillig das Handtuch warf. Das war vor sechs Jahren. Sie sagt: "Den Groll, den hab ich heute noch."

Im Mai 1995 trat Astrid K. bei einer Spezialagentur für IT-Marketing ihre Stelle als Grafikdesignerin an. Damals dachte sie, sie hätte ihren Traumjob gefunden: "Wir waren ein kleines, kreatives Team. Es gab viel zu tun, wir haben die Mailings und Produktbroschüren für Distributoren erstellt, uns auch um die Messen und Partner-Events gekümmert", erzählt Astrid K. Das vielseitige Aufgabengebiet machte ihr Spaß, mit den meisten Kollegen verstand sie sich gut, "mit Ulrike freundete ich mich sogar an". Nur das Gerede über ihre Abteilungsleiterin Chris-tine D. hat sie gestört: "Es hieß, sie sei eine Zicke, könne richtig gemein werden und habe den Job sowieso nur, weil sie mal mit einem der Vorgesetzen liiert war." Davon wollte Astrid nichts hören: "Ich bilde mir lieber eine eigene Meinung."

Der Ärger begann, als ihre Kollegin Ulrike schwanger wurde. "Sie wurde unter Druck gesetzt, plötzlich hieß es: Wenn Du das in der Zeit nicht schaffst, dann macht es wohl doch besser die Astrid." Die Frauen sollten offenbar gegeneinander konkurrieren, doch sie tauschten sich aus, hielten zusammen. Die schwangere Kollegin hielt ihre Arbeitszeiten genau ein, ging auch mal früher, wenn ihr nicht wohl war: "Ulrike hat in den Augen der Abteilungsleiterin zu dieser Zeit rebelliert", erzählt Astrid K.

Dass sich Astrid nicht gegen die "rebellierende" Freundin aufhetzen ließ, musste sie teuer bezahlen: Sie wurde von Christine D. in die Rolle der Außenseiterin gedrängt. "Es begann mit Kleinigkeiten nach dem Umzug in ein neues Gebäude: Als ich darum bat, meinen Schreibtisch anders hinzustellen, hieß es, ich hätte mich im Vorfeld nicht genügend um die Raumplanung gekümmert. Dann war mein Rechner ständig kaputt. Es fand sich beim Support aber niemand mehr, der das Gerät schnell reparieren konnte oder wollte", so Astrid K. Die technischen Probleme hätten ihre Arbeitsabläufe massiv gestört und immens viel Zeit verschlungen: "Dass ich nicht mehr so schnell fertig wurde, wurde mir als Faulheit ausgelegt."

Christine D. forderte die Designerin auf, Protokoll über ihren Tagesablauf zu führen: "Morgens wurde mein Tagesplan abgefragt, um 16 Uhr sollte ich den aktuellen Stand durchgeben. Ich war zuletzt mehr mit dem Protokoll als mit der eigentlichen Arbeit beschäftigt." Astrid wurde von Kollegen aus anderen Abteilungen gewarnt, Christine D. habe sich nach ihr erkundigt: "Da kommt ein großer Hammer auf Dich zu, haben sie gesagt. Wenigstens hat die Hetzerei in der Gruppe nicht funktioniert."

Wegen Überstunden kam es zum Eklat

Astrid begann ihren Arbeitstag entgegen ihren Gewohnheiten nicht mehr um 10 Uhr, sondern um 7.30 Uhr. "Ich wollte jede Begegnung mit dieser Frau vermeiden - oder wenigstens möglichst kurz halten." Als ihr klar wurde, dass sie "hinausgemobbt" werden sollte, schaltete sie den Betriebsrat ein: "Doch die waren nur daran interessiert die Arbeitsstelle zu erhalten. Wie es mir als Person ging, interessierte sie nicht. Hilfe habe ich nicht bekommen".

Als Astrid der Abteilungsleiterin ihre Überstunden präsentiere, kam es zum Eklat: "Ich hatte auch die Zeiten aufgeschrieben, die ich bei ihr wegen der Protokolle im Büro verbringen musste. Sie war ziemlich sauer, zweifelte meine Notizen an", so die Designerin. "Beim nächsten Treffen war dann ein anderer Mitarbeiter mit im Raum, er musste die Zeit stoppen. Das war ihm ziemlich peinlich." Wenn Astrid zu einer Besprechung drei Minuten zu spät kam, wurde sie von Christine D. angeschrieen, "dabei war ich nur kurz auf der Toilette". Vor anderen Kollegen nannte die Abteilungsleiterin sie "Arschtritt". "Ich wurde rot und sagte, sie wisse doch, dass ich Astrid heiße. Sie hat nur gelacht: 'Ach ja? Hab ich mich etwa versprochen?' Die anderen haben gelacht. Ich habe nach solchen Vorfällen immer am ganzen Körper gezittert."

Hätte sie damals eine gute Beratung durch den Betriebsrat erfahren, hätte sie spätestens hier eine Personalbeschwerde einlegen können. Doch die, so glaubt Astrid K. heute, hätte nichts gebracht: "Ich kannte den damaligen Assistenten der Geschäftsführung recht gut, wollte über ihn direkt nach oben mit meinem Anliegen. Doch da wurde nur abgewunken: kein Inte-resse."

Dass sie keine Chance mehr hat, war ihr endgültig klar, als die Agentur einen neuen Chef bekam: "Der kannte sich nicht aus, verließ sich 100-prozentig auf Christine. Ist aus seiner Sicht auch verständlich - doch sie hatte damit völlig freie Hand." Kurz darauf wurde Astrid in die Personalabteilung gerufen, wo man ihr gleich drei Abmahnungen präsentierte. "Ich war total geschockt. Man hatte versucht, mir Fehler der Druckerei anzulasten. Das hat zum Glück nicht funktioniert, ich konnte die Vorwürfe widerlegen. Ansonsten wäre ich sofort draußen gewesen."

Beim zweiten Gespräch kam man dann direkt zur Sache: "Wir haben hier ein paar Adressen für Dich, bei den Unternehmen könntest Du Dich bewerben", habe der Personalchef damals zu ihr gesagt. Astrid winkte ab und war sprachlos: "Ich saß da wie auf der Anklagebank. Am liebsten hätte ich laut hinausgeschrien, dass doch nicht ich diejenige bin, die da hingehört."

Weil die Angestellte nicht gehen wollte, wurde das Mobbing immer brutaler: Astrid K. durfte plötzlich nicht mehr telefonieren, auch der E-Mail-Account wurde abgeschaltet: "Christine D. sagte, beides sei für meine Arbeit nicht zwingend notwendig. Stattdessen wurde ein Projektmanager zwischen die Kunden und mich geschaltet. Meine direkten Kontakte wurden einfach gekappt." Beinahe jede Handlung sei ihr als geschäftsschädigend ausgelegt worden: "Es wurde zum Beispiel verzweifelt nach einer alten Firmenbroschüre gesucht. Es gab im Unternehmen kein einziges Exemplar mehr, ich hatte eins in meinen Unterlagen, bot an, es mitzubringen. Daraufhin hat man mich beschuldigt, Firmeneigentum entwendet zu haben."

Auf der Suche nach einem neuen Job war Astrid K. auch schon längst, unterschrieb irgendwann freiwillig einen Aufhebungsvertrag und gab sich mit einer kleinen Abfindung zufrieden. Und sagt: "Ich war in diesem Unternehmen kein Einzelfall." Noch heute sei Mobbing dort an der Tagesordnung, glaubt Astrid K.: "Ein Ex-Kollege soll jetzt nach elf Jahren Betriebszugehörigkeit gefeuert werden. Weil die Abfindung zu teuer wäre, wird er gemobbt: Sie haben ihn degradiert, er sitzt nur herum und bekommt überhaupt keine Aufgaben mehr", erzählt das Ex-Opfer. Zu einigen anderen Ex-Kollegen habe sie ebenfalls noch Kontakt: "Als ich ging, habe ich von einem anderen Rechner aus eine saftige Abschieds-Mail an alle geschickt und beschrieben, was passiert ist." Viele hätten sie danach angerufen und sich für ihrem Mut bedankt. "Eines Tages traf ich dann bei einem Event meines neuen Arbeitgebers auf meinen Ex-Chef. Er wollte mir die Hand geben, da habe ich mich umgedreht. Er hat nur gegrinst", erzählt die Grafikerin.

In der neuen Arbeitsstelle habe sie ihre Kraft wiedergefunden: "Ein so tolles Team wie dort findet man nur selten. Es war fast wie in eine Familie. Einmal habe ich zu meiner dortigen Chefin gesagt: Sollte uns mein Ex-Arbeitgeber jemals aufkaufen, werde ich kündigen." Sie haben beide gelacht. Als es dann eines Tages tatsächlich so weit war, habe ihre Vorgesetzte sofort versucht, sie zu beruhigen. Gegangen ist Astrid K. trotzdem - "aus rein beruflichen Gründen", wie sie beteuert. (mf)

Zur Startseite