Digitale Kameras: Der klammheimliche Renner für Systemhäuser und VARs

05.03.1996
MÜNCHEN: Echte PC-Innovationen hatte die CeBIT 96 kaum zu bieten. Doch beim Zubehör machten vor allem digitale Kameras auf sich aufmerksam. Eine Schar von Herstellern präsentierten ihre Errungenschaften, an den Ständen hingen Trauben interessierter Besucher. Ob der IT- oder der Fotohandel hierbei das Verkaufsrennen macht, muß sich noch entscheiden.Bis heute ernähren die Hersteller von Fotokameras eine ganze Branche. Die einschlägigen Händler verdienen dabei nicht nur am Verkauf der Apparate, sondern, getreu dem "Gillette-Prinzip" (schenke dem Kunden einen Rasierer und verdiene dein Geld mit den Klingen), vor allem bei den Verbrauchsmaterialien und am Zubehör. Das könnte sich jedoch bald ändern, denn der Markt für digitale Kameras gerät in Bewegung. Statt in nasser Chemie entwickelt zu werden, kommen die nunmehr abgeschossenen Motive als staubtrockene Bytes daher. Bis der klassische Fotohandel jedoch in Ermangelung des Filmverkaufs, dessen anschließende Entwicklung sowie der dutzendfachen Vervielfältigung von Abzügen in die Knie geht, wird es wohl noch eine Weile dauern. Noch haben die digitalen Kameras die Preisschwelle für den Consumer-Markt nicht unterschritten, es sind vornehmlich gewerbliche Anwender und finanzkräftige High-Tech-Freaks, die mit der Anschaffung eines Fotoapparates der neuen Generation liebäugeln.

MÜNCHEN: Echte PC-Innovationen hatte die CeBIT 96 kaum zu bieten. Doch beim Zubehör machten vor allem digitale Kameras auf sich aufmerksam. Eine Schar von Herstellern präsentierten ihre Errungenschaften, an den Ständen hingen Trauben interessierter Besucher. Ob der IT- oder der Fotohandel hierbei das Verkaufsrennen macht, muß sich noch entscheiden.Bis heute ernähren die Hersteller von Fotokameras eine ganze Branche. Die einschlägigen Händler verdienen dabei nicht nur am Verkauf der Apparate, sondern, getreu dem "Gillette-Prinzip" (schenke dem Kunden einen Rasierer und verdiene dein Geld mit den Klingen), vor allem bei den Verbrauchsmaterialien und am Zubehör. Das könnte sich jedoch bald ändern, denn der Markt für digitale Kameras gerät in Bewegung. Statt in nasser Chemie entwickelt zu werden, kommen die nunmehr abgeschossenen Motive als staubtrockene Bytes daher. Bis der klassische Fotohandel jedoch in Ermangelung des Filmverkaufs, dessen anschließende Entwicklung sowie der dutzendfachen Vervielfältigung von Abzügen in die Knie geht, wird es wohl noch eine Weile dauern. Noch haben die digitalen Kameras die Preisschwelle für den Consumer-Markt nicht unterschritten, es sind vornehmlich gewerbliche Anwender und finanzkräftige High-Tech-Freaks, die mit der Anschaffung eines Fotoapparates der neuen Generation liebäugeln.

IT-Handel soll das Rennen machen

Damit eröffnet sich gerade für den qualifizierten Wiederverkäufer ein lukratives Nebengeschäft. Die Hersteller der Kameras schlagen sich zudem auf die Seite des IT-Handels und schenken den Kollegen aus der Fotobranche wenig Aufmerksamkeit.

"Der Fotohandel hat keine Ahnung, was man damit alles machen kann, kennt sich mit den Anschlußmöglichkeiten an den PC nicht aus, hat noch nie was von den verschiedenen elektronischen Bildformaten gehört und überhaupt hat er noch gar nicht begriffen, was hier abgeht", belächelt Guido Krebs, der sich bei der Krefelder Canon Deutschland GmbH mitverantwortlich für die erstmals auf der CeBIT der Öffentlichkeit vorgestellten Digitalkamera PowerShot 600 zeichnet, die derzeitige Planlosigkeit im Fotohandel. Außerdem, so Krebs weiter, falle der nach wie vor mit üppigen Margen verwöhnte Fotohändler sowieso aus allen Wolken, wenn er zu hören bekommt, daß für dieses Produkt kein Canon-Vertriebsmann seinen Laden heimsucht, um Bestellwünsche entgegenzunehmen, sondern vielmehr auf einen EDV-Distributor verwiesen wird. "Und wenn sie dann die in der Hardwarebranche üblichen Margen hören, winken die meisten dann endgültig ab. Ich schätze, daß etwa 90 Prozent der Kameras über den EDV-Handel gehen. Wir setzen jedenfalls ganz klar auf Systemhäuser und den qualifizierten Fachhandel. Bei Retailern und Flächenvermarktern werden wir garantiert nicht zu finden sein", versichert der Marketier.

Thomas Hansal, zuständiger Verkaufsleiter bei der Stuttgarter Kodak AG ist das Thema Flächenvermarkter noch nicht vom Tisch. "Wir gehen mit unseren Digitalkameras sowohl in den Foto- als auch den Computerfachhandel. In einem zweiten Schritt planen wir auch den Absatz über Retailer. Das ist aber abhängig von der Preisentwicklung der Produkte", schildert er sein Vorgehen. Systemhäuser und VARs würden jedoch nicht unbedingt zum favorisierten Absatzkanal gehören, schränkt Hansal ein.

Verkauf über Fotofachhandel gestaltet sich schleppend

Peter Hatz, Marketingleiter Central Europe bei der deutschen Logitech-Agentur Logi GmbH sieht hingegen genau in diesem Handelssegment die Digitalkameras am besten aufgehoben. Zwar sind die Münchener mit ihrem Produkt PhotoMan Pixtura wieder vom Markt verschwunden (siehe nachfolgenden Artikel "Logitech zieht Digitalkamera..."), aber nach dem Vertriebsfiasko glaubt Hatz nunmehr genau zu wissen, wer für den Wiederverkauf der Digitalkameras prädestiniert ist. "Systemhäuser und VARs sind genau die Richtigen für das Produkt. Denn hinter diesen Kameras muß immer eine Anwendung stehen, sonst läßt sie sich kaum verkaufen. Gerade für Lösungsanbieter bietet sich hier die einmalige Chance, geeignete Branchensoftware, beispielsweise für Makler oder Ärzte, dazuzupacken", ist sich Hatz sicher. "Wer da richtig einsteigt, wird ganz plötzlich in einen Riesenmarkt stoßen", versichert der Logi-Manager.

Dieser Bewertung der künftigen Marktgestaltung stimmen auch andere Anbieter zu. "Wir arbeiten schon heute mit etwa 15 großen DTP-Händlern zusammen und das große Echo auf der Messe zeigt uns deutlich, daß der übrige EDV-Handel sich stark mit diesen Produkten auseinandersetzt", bestätigt Verkaufsleiter Oliver Schreiter, der für den Bereich Electronic Imaging Systems bei der Polaroid GmbH zuständig ist. Zwar wollen die Offenbacher auch künftig beide Schienen bedienen, das Geschäft bei den eher konservativ eingestellten und Innovationen nicht unbedingt sehr aufgeschlossenen Fotofachhändlern verlaufe allerdings schleppend. "Viele besitzen nicht einmal einen PC und haben keinerlei Ahnung, wenn der Kunde nach Schnittstellen, Software oder irgendwelchen technischen Details fragt", schildert Schreiter seine Erfahrung.

"Schnelles Bildmaterial" ist gefragt

Jetzt obliegt es dem IT-Handel, sich um den Absatz der elektronischen Knipser zu kümmern. Die Nachfrage nach diesen Produkten war zumindest auf der CeBIT deutlich spürbar. "Wir hatten 4.500 Prospekte mit nach Hannover genommen und bereits nach dem vierten Tag waren alle vergriffen. Die Leute haben uns die Dinger förmlich aus der Hand gerissen. Gut 2.000 Kontakte mit ernsthaft interessierten Anwendern sprechen für sich", erinnert sich Krebs. Auch andere Anbieter wie Chinon, Casio, Kodak, Fuji oder Apple bestätigen den Trend hin zur digitalen Fotografie. Das ist kaum verwunderlich, denn es gibt eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten und er Bedarf an "schnellem Bildmaterial" steigt ständig. Zwar ist die Auflösung eines herkömmlichen Films etwa um das Zehnfache höher als bei den meisten Digitalkameras, deren Auflösung größtenteils bei 16,7 Millionen Farben bei 640 x 480 Bildpunkten liegt, doch für die meisten Verwendungszwecke ist das vollkommen ausreichend.

Einsatzgebiete sind sehr mannigfaltig

So digitalisiert beispielsweise die Polizei des Fürstentums Liechtenstein zwischenzeitlich ihre Tatortaufnahmen mit Kameras von Chinon. Vertreter des Kaffeeproduzenten Jacobs lichten demnächst in Supermärkten Regale ab, in denen das braune Pulver auf eine Mitnahme wartet und präsentieren dem Geschäftsführer einige Tage später digitale Verbesserungsvorschläge zur Sortimentsgestaltung. Auch andere Branchen zeigen ein großes Interesse am schnellen Foto: Immobilien- und Versicherungsmakler, Verlage, Onlinedienste, Ärzte, Friseure oder Augenoptiker bekunden ihr Interesse an diesen Kameras, die Liste läßt sich beliebig erweitern.

Nach vorherrschender Meinung der Hersteller liegt im Bereich der Digitalfotografie ein gewaltiges Potential. Schließlich könnte sie die Schlüsselrolle für ein Lösungsgeschäft werden. Und daß der IT-Handel froh um jeden Mehrwert ist, den er anbieten kann, bleibt unbestritten.

Denkbar ist durchaus, daß potentielle Interessenten neben der Kamera einen PC benötigen, um der künftigen Bilderflut dank der miterworbenen Bildverarbeitungs-, Präsentations- oder Bildarchivsoftware Einhalt zu gebieten. Selbst demjenigen, der seine digitalen Schnappschüsse auf einer Photo-CD verewigen oder auf einen Ausdruck nicht verzichten möchte, kann der Händler geeignete Lösungen anbieten. Die Auswahl an CD-Recordern, Farbtintenstrahl- der gar Thermosublimationsdruckern ist reichhaltig. Oftmals bieten die Kamerahersteller selbst geeignete Printsysteme mit an. So wird aus einem relativ einfachen Zubehörartikel eine Gesamtlösung und nach Aussage der Anbieter hat gerade der gewerbliche Bereich Bedarf an diesen Komplettsystemen. Es lohnt sich also insbesondere für Systemhäuser und VARs darüber nachzudenken, ob sich im bestehenden Kundenkreis Einsatzmöglichkeiten finden lassen oder mit welchen Soft- und Hardwareprodukten sich ein attraktives Paket schnüren läßt.

Auch Profis setzen auf Digitalkameras

Gute Aussichten haben auch Wiederverkäufer, die ihr Standbein im DTP-Markt haben. Professionelle Digitalkameras mit weitaus höheren Auflösungen, besseren Objektiven und hochwertiger Optik wie sie beispielsweise in der Werbebranche, bei Agenturen oder Fotojournalisten zum Einsatz kommen, halten auch hier ihren Einzug. Die Preise für diese Profigeräte fallen aber noch dementsprechend hoch aus. 20.000 Mark und darüber sind keine Seltenheit. "Viele Berufs-Fotografen steigen um. Die Vorteile überwiegen einfach. Ein Großteil der Bilder wird sowieso digital nachbearbeitet. Warum sollte man also einen Film kaufen, ihn in der Dunkelkammer entwickeln, Abzüge in allen Variationen anfertigen um die Bilder anschließend zu scannen und am Computer aufzupolieren oder gar zu manipulieren? Das macht keinen Sinn mehr", erklärt Schreiter.

Consumer-Markt bleibt vorerst außen vor

Bis sich digitale Fotoapparate zum Mitnahmeartikel entwickelt haben und der Consumer-Markt anspringt, werden voraussichtlich noch ein bis zwei Jahre vergehen - der IT-Fachhandel wird es danken. Das hat mehrere Gründe. Der Preis der lichtempfindlichen CCD-Chips (Charge-Coupled Devices), auf denen die Bildinformationen abgespeichert werden, sind teuer, mit einem Preisverfall ist nach Aussage der Hersteller zumindest bis Mitte nächsten Jahres nicht zu rechnen. Neben den immens hohen Entwicklungskosten ist die Herstellung der elektronischen Bausteine sehr aufwendig, eine Massenproduktion derzeit nicht denkbar. "Kameras zum Preis von 1.000 Mark werden sicherlich noch in diesem Jahr auf den Markt kommen, aber erfahrungsgemäß muß der Preis deutlich unter 800 Mark liegen, damit sich im Consumer-Markt überhaupt etwas bewegt", will Krebs wissen.

APS als Entschädigung

Hinzu kommt, daß es sich viele Kamera- und Filmhersteller (Fuji, Kodak, Polaroid u.a) nicht endgültig mit dem Fotofachhandel verscherzen wollen, weswegen unter gemeinschaftlicher Regie APS (Advanced Photo System) aus der Taufe gehoben wurde. Bei APS-Kameras kommt ein spezieller Film zum Einsatz, auf dessen Rückseite digitale Informationen des Bildes abgelegt werden. Damit die gebeutelte Fotobranche auch wirklich was daran verdient, wurde die Filmgröße von 35 auf 24 Millimeter verkleinert, damit keiner der Hersteller auf die Idee kommt, alte Fotoapparate auf den APS-Standard nachzurüsten. Die Einschätzungen, ob sich APS als "digitale Fotografie für den kleinen Mann" durchsetzt, gehen, je nach "Lagerzugehörigkeit, weit auseinander.

Während Polaroid-Mann Schreiter an eine friedliche Koexistenz beider Verfahren glaubt, Canon-Marketier Krebs eine Zweiteilung des Marktes ("APS ist für den Consumer-Markt und Digitalkameras werden sich in der PC-Landschaft breitmachen") sieht, ist Nathalie Chaumien, Marketing-Managerin bei der Dietzenbacher Chinon Europe GmbH, überzeugt, daß es sich bei APS um eine reine Modeerscheinung handelt.

"Das dient nur dazu, den Fotohandel bei der Stange zu halten, aber auf Dauer werden Digitalkameras das Rennen machen, weil die Verbreitung von PCs stetig zunimmt und die Möglichkeit, Fotos selbst nachzubearbeiten anstatt sie beim Fotoladen abzugeben, dem Kunden einfach entgegenkommt", glaubt sie zu wissen.

Über die Verkaufszahlen wird orakelt

Was die Verkaufszahlen der digitalen Neulinge anbelangt, schweigt sich die Gilde der Apparatebauer noch aus, schließlich ist ein Großteil der Produkte noch taufrisch, die auf der CeBIT vorgestellten Geräte kommen teilweise erst zur Jahresmitte in den Handel. So übt man sich allenfalls in vorsichtigen Schätzungen. Die Bandbreite reicht hierbei von 10.000 pro Monat bis 1.000 pro Jahr. Wo sich diese Zahl letztendlich einpendelt, wird sich noch zeigen, Branchenkenner gehen jedoch davon aus, daß pro Jahr eine sechsstellige Zahl an Kameras abgesetzt wird. Chaumien bringt es auf den Punkt: "Trotz aller Euphorie sind die prognostizierten Verkaufszahlen mit Vorsicht zu genießen, denn hier lügen sich die meisten Hersteller selbst in die Tasche."

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