DV-Beratungsgesellschaft versucht Softwarehäuser abzuzocken

22.08.2002
Systematischen Betrug wirft eine Reihe deutscher Systemhäuser den IT-Consultants RSCProjektconsult und Delphi vor. Die Beschuldigten unterhalten ein tief verzweigtes Beteiligungsnetz und schweigen - doch jetzt will die Staatsanwaltschaft in Berlin die Ermittlungen aufnehmen.

Im September 2001 stand Roland Behnke, Geschäftsführer der Axos GmbH, ein schwerer Gang bevor. Der Chef des Münchner IT-Dienstleisters musste Insolvenz anmelden. Behnke saß den zwei mutmaßlich betrügerischen Unternehmen RSC Projektconsult GmbH aus Teichwolframsdorf in Thüringen und Delphi IT-Dienstleistungen GmbH & Co. KG aus Berlin auf, die seit 2001 ihr Unwesen treiben sollen.

Die Masche ist simpel: Systemhäuser werden eingeladen, sich an einer Ausschreibung über eine komplexe Datenbank-Software für den Auftraggeber Delphi zu beteiligen. Die Ausschreibung soll über die RSC Projektconsult erfolgen, die bei Vertragsunterzeichnung zehn Prozent Vermittlungsprovision vom Gewinner des Projekts erhält.

Ausschreibung ruiniert Münchner Systemhaus

Behnke habe alle Ressourcen und Mitarbeiter für das geplante Projekt eingesetzt, aber keine Zahlungen von Delphi für einen Projektstart erhalten. Die von RSC ge- forderte Provision zahlte er deshalb nicht: "Ich wurde daraufhin ganz massiv unter Druck gesetzt", berichtet der Geschäftsführer der in Insolvenz gegangenen Axos.

Auch Horst Eichardt, Geschäftsführer beim Erfurter ASB-Systemhaus, ging der Ausschreibung auf den Leim: "Die wollten nur meine Unterschrift und die Provision kassieren", bekräftigt Eichardt. Bereits am Tage nach der Vertrags-Unterschrift sei bei Delphi für das ASB-Systemhaus niemand mehr erreichbar gewesen. "Ich habe den Vertrag nach rechtlicher Prüfung überhaupt nur unterschrieben, weil als Sicherheit für uns am Tage der Unterschrift Testgeräte im Wert von 150.000 Euro geliefert werden sollten", betont Eichardt.

Dennoch hätten die Erfurter, wie vertraglich vereinbart, ein Grobkonzept bei Delphi abgegeben - was nicht einfach gewesen sei. "Unser Kurierdienst scheiterte zunächst an fehlenden Firmen- und Klingelschildern. Trotzdem haben wir veranlasst, das Konzept zuzustellen", berichtet Eichardt. Mit dem Abbruch der Erreichbarkeit und den ständigen Verzögerungen durch Delphi noch vor dem tatsächlichen Projektstart sei Eichardt das eigentliche Ziel des Vertrags klar geworden: "Ich habe somit auch keinerlei Provision an die vermeintlich vermittelnde Firma RSC geleistet", erklärt der Erfurter. Schlimm sei für ihn, dass Ermittlungen gegen immer noch im Delphi-Firmenverbund tätige Personen im deutschen Rechtsstaat so schleppend vorangehen und weitere Firmen geschädigt werden.

Abzocke nach Alphabet

Bei Axos und ASB handelt es sich nicht um Einzelfälle. Die beiden beschuldigten Unternehmen sollen nach Alphabet abgezockt haben (siehe Liste). Beim Buchstaben "F" unterlief ihnen aber ein folgenschwerer Fehler: Erich Hackel, Geschäftsführer des Bielefelder Softwarehauses Fox Lightware GmbH, erhielt von RSC einen Vertrag mit Delphi, in dem das Bremer Systemhaus Cotix Software & Consulting GmbH und nicht die Bielefelder eingetragen waren. Die von Hackel daraufhin unternommenen Ermittlungen brachten nach seinen Angaben hervor, dass es sich bei dem vermeintlichen Berliner Großkonzern Delphi IT-Dienstleistungen um eine erst Anfang 2002 im Handelsregister eingetragene Briefkastenfirma handelt und die vermittelnde Consulting Gesellschaft RSC offenbar keine DV-Beratungsgesellschaft ist. Hackel stellte daraufhin Strafanzeige wegen Betrugs gegen Delphi und RSC.

Die Beschuldigten schweigen

Reimund Schyschka, ehemaliger Geschäftsführer der RSC Projektconsult GmbH, war auf Anfrage von ComputerPartner nicht bereit, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Die Delphi IT-Dienstleistungen Computer- und Softwaresysteme GmbH & Co. KG ist telefonisch nicht erreichbar.

Die Chancen, dass die geschädigten Softwarehäuser - rund 20 Fälle - jemals ihren Aufwand ersetzt bekommen, stehen aber selbst bei einer strafrechtlichen Verurteilung der Beklagten nicht besonders gut. Reimund Schyschka schied am10. Juli 2002 als Geschäftsführer bei RSC Projektconsult aus. Die Geschäfte der RSC leitet seitdem alleinvertretungsberechtigt der 83-jährige Raymund Schyschka. Dieser war laut Auskunft von Creditreform mit einem Vertriebsbüro noch bis März 2000 in Teichwolframsdorf tätig und Mitgesellschafter einer Baustoffvertriebs GmbH. Am 14. Juni 2000 wurde die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über dieses Unternehmen mangels Masse abgelehnt.

Staatsanwaltschaft steht vor Beteiligungs-Dschungel

Dabei handelt es sich jedoch nicht um die einzige Insolvenz im Umfeld der am 8. Februar 2001 gegründeten RSC, die vor der Sitzverlegung nach Teichwolframsdorf unter Obolan GmbH firmierte. Wie Insider aus Thüringen berichten, sei die ehemals im Handelsregister Erfurt als Geschäftsführerin der Obolan/RSC eingetragene Viola Michalek auch Geschäftsführerin der Netcomm AG in Erfurt gewesen, die dort eine Insolvenz mit Millionenschaden hingelegt habe. Zwischenzeitlich sei bereits die Netcomm 2000 gegründet worden. Insgesamt unterhält Michalek laut Auszügen von Creditreform Beteiligungen an rund 60 Unternehmen beziehungsweise ist dort als Geschäftsführerin tätig.

Die Delphi IT-Dienstleistungen Computer- und Software GmbH & Co. KG bestand nach einem Auszug der Creditreform am 7. Februar 2002 noch aus einem Mitarbeiter - dem Geschäftsführer Götz Meidinger. Dieser wiederum ist nach einer Creditreform-Auskunft vom 17. Oktober 2001 am 1. Juni 2001 als Geschäftsführer aus der Delphi GmbH, dem Vorgängerunternehmen der jetzigen Delphi, ausgeschieden.

Als neuer Delphi-Geschäftsführer wurde Rolf-Hubert Pobloth eingesetzt, der wiederum am 27. November 2001 bei der Nachfolgefirma ausschied. Pobloth hält nach Informationen der Creditreform eine Unzahl von Beteiligungen. Darunter befindet sich auch die Profit Marketing Unternehmensberatung GmbH aus Falkensee. Auffällig dabei ist, dass eine Profit Marketing Werbeagentur GmbH mit Sitz in Stuttgart Gesellschafter bei Delphi ist.

Laut Denic-Datenbank ist Inhaber der Domain der RHP-Berlin Buchführungsservice in der Alvenslebenstraße 8 in Berlin. Als administrativen Ansprechpartner nennt Denic Rolf-Hubert Pobloth.

Die verschachtelten Beteiligungsstrukturen von Delphi und RSC Projektconsult sowie der Vielzahl der über ganz Deutschland verstreuten Betroffenen führten dazu, dass die Staatsanwaltschaft in Berlin den Fall an sich zog. "Wir werden den Vorwurf des Provisionsbetrugs prüfen", erklärt der dortige Staatsanwalt Thomas Krüger. Innerhalb der nächsten 14 Tage werde entschieden, wer innerhalb der Berliner Behörde zuständig ist, dann werden die Nachforschungen geführt. Zu den Einzel- heiten der Betrugsvorwürfe und dem derzeitigen Kenntnisstand der Behörde wollte Krüger nur so viel bekannt geben: "Provisionszahlungen sind von den Beklagten mit Nachdruck geltend gemacht worden."

ComputerPartner-Meinung:

Nepper, Schlepper und Bauernfänger haben es heute leicht, wenn sie vermeintlich lukrative Aufträge vermitteln. Gerade deshalb ist Vorsicht geboten, wenn unbekannte Geschäftspartner den großen Abschluss versprechen. Leistungen sollten nur erfolgen, wenn Sicherheiten gewährt werden oder Vorkasse geleistet wird. (hei)

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