"Embedded Databases" sorgen für frischen Wind im Markt

09.03.1998

MÜNCHEN: Relationale Datenbanken haben sich einen neuen Markt erschlossen: Als sogenannte Embedded-databases (eingebettete Datenbanken) werden sie mit weiteren Applikationen gebündelt oder fest in Geräte integriert. Doch für beide Einsatzgebiete müssen relationale Datenbanken neue Anforderungen erfüllen. Wie diese auszusehen haben, beschreibt Dr. Rainer Doh*, Redakteur bei der Agentur Pr-com.Datenbanken sind für VARs ein schwieriges Pflaster: Das geforderte Know-how ist beträchtlich, viele Hersteller mischen im Lösungsmarkt selber kräftig mit, und die Kunden sind oft langfristig an die Produkte der Konkurrenz gebunden. Wer da nicht seit Jahren etabliert ist, wird sich sogar dann schwer tun, wenn er das bessere Produkt und die besseren Dienstleistungen vorweisen kann.

Embedded-databases, eine neue Entwicklung im Markt der relationalen Datenbanken, kommen da wie gerufen: Damit sind einerseits Datenbanken gemeint, die mit Applikationen verbunden sind und auch mit diesen zusammen angeboten werden. Beispiele hierfür sind Warenwirtschaftssysteme oder spezifische Branchenlösungen. Andererseits zählen zu den Embedded-databases auch relationale Datenbanken, die in spezieller Hardware integriert sind, beispielsweise in Palm-tops, Hand-held-Systemen oder künftig sogar in Chipkarten.

In beiden Fällen sind es vollwertige relationale Client/Server-Datenbanken, die mit den üblichen Standards, also mindestens SQL (Search Query Language) abgefragt werden können und über geeignete Programmierschnittstellen verfügen. Hierbei handelt es sich um die bereits etablierten Datenbankanbindung über ODBC (Open Database Connectivity) oder JDBC (Java Database Connectivity). Für einen zufriedenstellenden Betrieb kommen außerdem noch sogenannte native Interfaces in Frage. Funktionen wie Trigger, Stored-procedures oder Two-phase-commit dürfen gleichfalls nirgends fehlen.

Im Unterschied dazu werden nicht einbettbare Datenbanken unabhängig von den einzusetzenden Applikationen erworben. Die Grenze ist hier freilich fließend, da einige Unternehmen Embedded-databases auch separat kaufen und sie erst dann mit Applikationen versehen. Ein Vorteil für die VARs bleibt in jedem Fall erhalten: Es handelt sich hier um besondere Einsatzgebiete, Nischen, die von den Platzhirschen noch nicht abgegrast sind.

Die Marktentwicklung steht erst am Anfang

Der Markt für Embedded-databases schätzt die Gartner Group auf knapp 250 Millionen Dollar ein, bei einem jährlichen Wachstum von sieben bis acht Prozent. Ein solider Wert, der nur dann bescheiden erscheint, wenn man ihn mit den üblichen exorbitanten Wachstumsraten in Webmärkten vergleicht. Die wichtigsten Anbieter der Embedded-databases sind Sybase mit "SQL Anywhere" (früher "Watcom SQL") mit 26 Prozent Marktanteil, Inprise (ehemals Borland) mit "Interbase" (13 Prozent), Centura mit "SQLBase" (10 Prozent) und Pervasive mit "Scalable SQL" (früher "Btrieve") mit acht Prozent Marktanteil. Gelegentlich zählt auch Microsofts SQL-Server zu dieser Kategorie, was aber der Selbsteinschätzung des Softwaregiganten nicht ganz entspricht.

Die heute gängigste Form von Embedded-databases sind mit Applikationen versehene DBMS (Datenbankmanagement-Systeme). Vor allem betriebswirtschaftliche Anwendungen werden oft zusammen mit einer relationalen Datenbank vertrieben. Aber auch Standardlösungen für kleine und mittlere Unternehmen kommen oft zum Zuge. Diese Kunden haben oft noch kein unternehmensweites DBMS im Einsatz. In diesem Falle liefert der Software-Anbieter seine Applikation, beispielsweise ein Warenwirtschaftssystem oder eine Lagerverwaltung, gleich mit einem geeigneten, angepaßten DBMS aus.

Manchmal möchte aber auch ein großes Unternehmen seine Hauptdatenbank für eine bestimmte Anwendung nicht einsetzen, beispielsweise für die Kundendienststeuerung oder in ausländischen Niederlassungen. Hier kann ein Systemhaus mit einer separaten Embedded-database aushelfen.

Die Vorteile einer solchen isolierten Datenbank liegen auf der Hand: Der Anwender erhält eine sofort einsatzbereite Gesamtlösung, die auf seine spezielle Applikation abgestimmt ist. Bei Bedarf kann er später immer noch zu einer größeren Datenbank migrieren.

Diese Strategie geht in vielen Einsatzbereichen auf: Angefangen bei Standardlösungen über Single-user-Versionen bis hin zu Datenbanken, die die Entwickler mit ihren eigenen Client/Server-gestützten Systemen bündeln. So gehen beispielsweise Sybase, Inprise und Centura vor. Sie können auf diese Weise ihre Applikationen mit einer "richtigen" SQL-Datenbank testen und müssen während der Entwicklungszeit keinesfalls die teuren Systeme wie Oracle oder IBMs DB 2 vorhalten.

Die Anforderungen an Embedded Databases sind vielfältig

Doch nicht jede Datenbank eignet sich gleichermaßen gut fürs "Einbetten". Aufgrund der speziellen Anforderungen an das Database-Managementsystem (DBMS) ist es hier völlig gerechtfertigt, von einer eigenen Kategorie der Datenbanken zu sprechen. Denn im Gegensatz zu "normalen" DBMS, wo es auf Kriterien wie Performance, Zahl konkurrierender User und ähnliches ankommt, spielen bei Embedded-databases einfache Bedienung (Zero-Administration), bescheidene Ansprüchen an die Ressourcen (Small Footprint) und natürlich geringe Betriebskosten eine große Rolle. Vor allem letzteres gerät oft zum Handikap, weil bekanntermaßen weder Kunde noch VAR den Löwenanteil ihres DV-Budgets für Datenbanklizenzen verbraten wollen.

Kein Datenbankadministrator nötig

Ein Softwareanbieter, der seine Applikation zusammen mit einer Datenbank ausliefert, benötigt demnach ein DBMS, das vor allem einfach zu administrieren ist. Er kann in der Regel davon ausgehen, daß sein Kunde über keinen ausgebildeten Datenbankverwalter verfügt. Da größere Unternehmen professionelle Datenbanken bereits im Einsatz haben, kommen solche Lösungen ohnehin nur für mittlere und kleine Unternehmen in Frage, wo ein eigener Administrator gar nicht sinnvoll wäre. Ein Softwarehaus kann und will diese Aufgabe jedoch auch nicht übernehmen - meistens hat es genug damit zu tun, die eigenen Applikationen in die Gänge zu bringen. Daher werden die Kunden weniger auf eine breite Palette von Features oder auf einen möglichst kleveren Optimizer achten als vielmehr auf Zuverlässigkeit und Stabilität - auch unter ungünstigen Bedingungen.

Ein DBMS ist natürlich um so einfacher zu bedienen, je stabiler und robuster es läuft. Auch wenn es den Anbietern nicht gefallen mag: Der ideale Zero-Administrationsserver ist derjenige, den der Anwender gar nicht erst zu Gesicht bekommt. Für etwaige Problemfälle oder für Überwachungsaufgaben sind dennoch die entsprechenden Monitore zur Kontrolle der Serveraktivitäten unverzichtbar.

Embedded-databases müssen schließlich mit bescheidenen Anforderungen an die Hardware auskommen, da sie ohnehin nur für kleine und mittlere Unternehmen gedacht sind oder unter besonderen äußeren Umständen zum Einsatz kommen. In jedem Fall muß der Anbieter mit sparsam dimensionierten Servern rechnen, zumal der legendäre Handwerksmeister eine Aufrüstung erstmals vom Funktionieren der neuen Lösung abhängig macht. Entwickler von Datenbanksystemen haben sich - ganz entgegen der sonstigen Gepflogenheiten der Branche - diese Anforderungen zu eigen gemacht. So benötigt heutzutage ein relationales DBMS erheblich weniger Speicherplatz als irgendeine Textverarbeitung. Mittlerweile gibt es sogar relationale Datenbanksysteme, die auf Hand-held- oder Palm-top-Computern laufen.

Die neuen mobilen Minidatenbankanwendungen laufen auch auf Palm-tops und Handheld-Computern oder sind gleich ganz im Chip verdrahtet.

Der Datenabgleich mit dem Server erfolgt drahtlos.

Im Unix-Bereich ist Oracle der unangefochtene Datenbankmarktführer. Während Informix hier zulegen konnte, befindet sich Sybase auf dem absteigenden Ast. Quelle: Dataquest

Während die "Großen" der Datenbankbranche Oracle, IBM und Microsoft gegenüber 1996 zulegen konnten, verloren die "Kleinen" Sybase und Informix weiter an boden. Quelle: Dataquest

* Dr. Rainer Doh ist Redakteur bei der Agentur Pr-com in Planegg bei München.

Zur Startseite