Festnetzvermarktung bei IT-Händlern noch in den Kinderschuhen

25.02.1999

MÜNCHEN: Daß Informationstechnologie und Telekommunikation immer mehr miteinander verschmelzen, steht nicht erst seit gestern fest. Daher stellt sich auch die Frage, welche Rolle IT-Händler künftig in der TK-Branche spielen werden, zum Beispiel bei der Vermarktung von Festnetzanschlüssen. Anlaß genug zu überprüfen, wie stark Telefongesellschaften auf "klassische" IT-Händler setzen und was diese von dem neuen Geschäftsfeld halten.Eine 1997 im Auftrag von ComputerPartner durchgeführte Umfrage des Marktforschungsinstituts Techconsult in Kassel unter 76 Systemhäusern und VARs brachte folgendes interessante Ergebnis: Fast 70 Prozent der Befragten gaben an, daß ihre Kunden von ihnen auch die Lösung ihrer Telekommunikationsprobleme erwarten. Seither dürfte sich dieser Prozentsatz weiter erhöht haben. Remote Access, Computer Telephony Integration (CTI), Internet-Zugang oder LAN-Koppelung via ISDN sind nur einige Beispiele von IT-/TK-Koppelungen.

Mit der Öffnung des Telekommunikationsmarktes in Deutschland Anfang 1998 hat sich ein anderer Aspekt beim Endverbraucher in den Vordergrund gedrängt: die Suche nach einer alternativen Telefongesellschaft. Beim Versuch, Unternehmen und Privatkunden vom eigenen Angebot zu überzeugen, greifen die meisten der jungen Carrier auf den Fachhandel zurück. In erster Linie auf "Spezialisten" aus der Telekommunikation, doch zuletzt immer häufiger auf Händler aus dem IT-Umfeld.

Aber mal eben auf die Schnelle Partner eines Carrier werden, ist gar nicht so einfach. Denn jeder hat seine eigenen Vorstellungen. Daher muß ein aus Sicht der TK-Gesellschaften "idealer" Händler folgendes mitbringen: ausreichend Kow-how und Erfahrung in der Telekommunikationsbranche, eine qualifizierte Vertriebsmannschaft, gute Kontakte zur Zielgruppe, Beratungskompetenz, einen positiven Marktauftritt und Seriosität. Des weiteren sollte er zwischen Kunden und Anbieter ein Vertrauen aufbauen, den Klienten betreuen können und - last, but not least - zufriedenstellende Umsätze erzielen.

Doch die TK-Branche so richtig ins Herz geschlossen haben noch längst nicht alle IT-Händler - trotz der großen Versprechungen, die ihnen von Carrier- und Distributorseite gemacht wurden und werden. Die Ursache für die Zurückhaltung ist jedoch nicht nur bei den Händlern selbst zu suchen. Da ist zum einen die Telefongesellschaft, der bisweilen der direkte Vertriebskanal lieber ist und die den Händlern somit potentielle Kunden wegnimmt. Da ist aber auch der Endverbraucher, der die alternativen Carrier bislang hauptsächlich im Call-by-Call-Verfahren nutzt. Hierbei ist für den Händler nichts zu holen, da es - anders als beim Preselection-Verfahren - keinen Vertrag gibt, den er vermitteln kann. Und schließlich: So grundsätzlich unterschiedlich sind die Tarife der Carrier neuerdings auch nicht mehr. Daher wird sich ein Kunde zweimal überlegen, ob er sich einer anderen Gesellschaft verschreibt.

"Wie ein Austritt aus der Kirche"

Thomas Kantelberg von der Hard Computer-Technik Vertriebs GmbH aus Weilheim zum Beispiel wollte sich durch die Vermarktung von Festnetzanschlüssen einen neuen Markt erschließen. Die Telekommunikation laufe jedoch bei ihm "nur so nebenbei", der Schwerpunkt liege im Vertrieb und Service von EDV-Lösungen. Er kritisiert, daß das Angebot an Carriern viel zu groß sei. Sein Ratschlag für Neueinsteiger lautet daher, sich auf zwei oder drei Anbieter zu konzentrieren.

Auch bei Torsten Stephan aus Friedrichshafen, der sich in seinem Unternehmen auf den Vertrieb von PC-Hardware und -Software an kleine und mittelständische Unternehmen konzentriert, hat die Vermarktung von Festnetzanschlüssen nicht die Erwartungen erfüllt. Die Netzkapazität sei zu gering und das Netz des öfteren zusammengebrochen, beklagt der Geschäftsführer der Compusoft Hard- und Software GmbH. Viele Kunden müßten erst über die neuen TK-Carrier aufgeklärt werden. "Weg von der Telekom ist manchmal wie ein Austritt aus der Kirche", faßt Stephan zusammen.

Eine Beschränkung auf die Telekommunikation wäre für Gerald Schreiber "tödlich". "Damit ist nur ein Haufen Arbeit und ein großer Verwaltungsaufwand verbunden." Der Kunde dürfe im TK-Bereich nur beraten und nicht überrannt werden, "sonst wird er abgeschreckt wie bei einem Versicherungsgeschäft". Schreibers TK-Angebot im PC Point Holzkirchen, wo er vor allem ISDN-, PC- und Netzwerkanwendungen anbietet, sieht er nur als Serviceleistung, es macht lediglich ein Prozent des Umsatzes aus. Und weiter: "Das Thema Telekommunikation wird nur von den Unternehmen groß aufgezogen."

Daß es aber auch anders geht, zeigt sich am Beispiel von Frank Meyer aus Bad Oldesloe, dessen Firma mit Mobilfunk-, PC- und Festnetzlösungen eine breite Palette aufweist. Statt der erwarteten fünf Freischaltungen pro Monat seien es etwa 30 geworden, "und das ist viel für unseren Zwei-Mann-Betrieb 'CTS Computer'". Auf 10 bis 20 Prozent beziffert er den Anteil seiner Festnetzvermarktung nach jetzt einem Jahr Existenz und findet unter anderem bedauerlich, daß die Endkunden durch Werbung der Carrier verrückt gemacht würden. Sein Fazit: "Telekommunikation lohnt sich schon, aber man kann davon alleine nicht reich werden."

Den Händler an die Hand nehmen

Auf dem TK-Markt allein gelassen werden die Fachhändler aber nicht. Die Anbieter unterstützen sie auf verschiedenste Arten und Weisen: Ein paar Beispiele:

Die Deutsche Telekom führt mit ihren Partnern Werbeaktionen durch, wie zum Beispiel den "Tag der offenen Tür", Hausmessen oder individuelle Kundenmailings.

Ilka Rössel, beim TK-Carrier Esprit Telecom zuständig für Kommunikation, spricht von umfassenden Firmeninformationen und -präsentationen, Produktbeschreibungen, Angebotsschreiben, Vertrags- oder Bestellformularen, die ihre Händler

(TK-Fachhändler, Consulting-Unternehmen, Systemhäuser, TK-Anlagenhersteller) erhalten. Hingegen werden die Partner von Colt Telecom beispielsweise durch einen regionalen Vertriebsmitarbeiter vor Ort betreut. Zusätzlich gebe es Einführungsschulungen und regelmäßige Seminare, teilt Sabine Grözinger, Leiterin Kommunikation, mit.

In diesem Zusammenhang ist natürlich auch interessant, was im TK-Segment für einen Händler überhaupt herausspringt. Im Normalfall erhält er vom Carrier neben einer Bearbeitungspauschale und einem Werbekostenzuschuß eine Vermittlungsgebühr für jeden neuen Kunden. Den größten Batzen macht aber die Provision aus, die vom Umsatz der vermittelten Kunden abhängt. In der Regel wird diese Provision so lange gezahlt, wie der Händler mit der TK-Gesellschaft zusammenarbeitet und der Kunde Umsatz generiert. Hans Peter Haubold, kaufmännischer Leiter bei der TK-Gesellschaft Redwing, bringt es auf den Punkt: Interessant sei für einen Händler "ein Rentenmodell, kein Kopfgeld".

Partner gesucht

Mit indirekten Vertriebspartnern sind die meisten TK-Anbieter noch lange nicht gesättigt. Beispielsweise Tele-globe, deren indirekter Vertriebskanal sich gerade im Aufbau befindet. "Wir wollen Händler jeglicher Art, die es leid sind, nur einem Carrier Kunden zu vermitteln", erläutert Torsten Müller, Manager indirekter Vertrieb. Und Colt-Sprecherin Grözinger bemerkt, daß viele interessierte Vertriebspartner auf ihr Unternehmen zukämen. "Selbstverständlich suchen wir aber auch selbst."

Zu viele Händler in der TK-Branche könnten sich aber auch in die Quere kommen. Ein Gebietsschutz sei jedoch nicht durchsetzbar, so die Meinung der meisten Befragten. "Bei uns gibt es zwar keine feste Gebietsaufteilung, aber wir achten darauf, daß es in jeder Wirtschaftsregion in Relation zum Kundenpotential eine entsprechend sinnvolle Anzahl an Vertriebspartnern gibt", erklärt PR-Managerin Ilona Tzudnowski vom Carrier MCI World Com. Auch New Tel gewährt weder Gebiets- noch Personenschutz. Dies ergebe sich aus der amerikanischen Unternehmens-Tradition, welche besage, daß auf einem freien Markt allen Anbietern die gleichen Chancen eingeräumt werden müßten, erklärt Torsten Kreth, Beauftragter für die Händlerbetreuung.

Mittlerweile ist die Anzahl der alternativen Telefongesellschaften in Deutschland auf weit über 50 angewachsen. Unternehmensstrategie, Umsätze und Marktanteile differieren stark, beim Vertrieb setzen allerdings viele Carrier auf den indirekten Kanal.

Zugpferd Fachhandel

Otelo arbeitet beispielsweise bundesweit mit rund 3.000 Händlern aktiv zusammen. Zu ihnen zählen freie Fachhändler, Fachmärkte wie Promarkt oder Karstadt sowie Einkaufskooperationen wie Interfunk oder Ruefach. Zusätzlich greift die Düsseldorfer TK-Gesellschaft aber auch auf Distributoren wie Brokelmann, NT plus Riedlbauer oder Phonet Telecom sowie etwa 220 Systemhäuser zurück. Potentielle Großkunden aus der Wirtschaft überläßt Otelo allerdings dem eigenen Direktvertrieb. Kein Einzelfall, denn so oder so ähnlich verfahren auch andere alternative Carrier. Nichtsdestotrotz sieht

Otelo den Fachhändler bei mittelständischen Kunden aufgrund des gewachsenen persönlichen Kontakts gegenüber dem Direktvertrieb im Vorteil. Gleicher Meinung ist auch Olaf Taupitz, zuständig für Marketing bei Interoute. Der in Frankfurt/ Main ansässige Carrier wird künftig nicht mehr nur auf Fachhändler aus dem TK-Bereich, sondern vermehrt auch auf PC- und Netzwerkspezialisten setzen. Der klassische Hardwarehandel tue sich derzeit aber noch sehr schwer, Festnetzprodukte zu vermarkten, ergänzt Taupitz.

Von Anlaufschwierigkeiten der IT-Händler im TK-Umfeld spricht auch Haubold. Bei Redwing bestehe daher derzeit zwischen den drei verschiedenen Vertriebskanälen (Fachhandel mit PC oder Büroartikeln, Versandhandel und autorisierte Handelsvertreter) auf der Umsatzseite noch kein großer Unterschied. Haubold ist aber überzeugt, daß der IT-Fachhandel künftig besser dastehen werde, weil er ein größeres Kundenpotential besitze.

Ähnlich denkt auch Jens Apermann, Marketingmanager bei der TK-Gesellschaft RSL Com. Von einem PC-Händler, der mit der Technik besser vertraut ist, dürfe man mehr erwarten als von jemandem, "der bei Karstadt bisher Hifi-Anlagen verkauft hat", argumentiert er. Was seine IT-Händler dennoch benötigten, werde geschult.

Mit einem aus fünf Händlern bestehenden Partnerbeirat hebt sich sein Unternehmen zudem von der Konkurrenz ab. Unterstützt durch dieses Gremium soll im Marketing und Vertrieb des Carriers auf Veränderungen schneller reagiert werden. "Wenn man an der Front arbeitet, erkennt man besser die Bedürfnisse des Kunden", erklärt Stelios Angelakakis von Stel Com aus Bielefeld sein Mitwirken im Beirat. Der sich in erster Linie mit Unterhaltungselektronik beschäftigende Händler sieht dies als Chance, auf Entscheidungen von RSL Einfluß zu nehmen, statt "mich in eine Ecke zu setzen und zu weinen".

Nach wiederum einer anderen Strategie handelt GTS, ehemals Westcom. Das Unternehmen unterhält derzeit vier Partnerprogramme berichtet Ralf Breitenfeldt, Leiter Indirekter Vertrieb. Die Anzahl seiner Partner (etwa 80 kleinere Distributoren und 800 Fachhändler, davon 15 Prozent PC-Händler) möchte GTS nicht erhöhen, wohl aber deren Qualität. Und auf welche Weise? "Indem wir gewisse Verträge kündigen, wenn die Umsätze weit hinter den Erwartungen zurückbleiben", verdeutlicht Breitenfeldt.

Sauer ist er in diesem Zusammenhang auf viele seiner Distributoren, für die die Telekommunikation nur einen Nebenerwerb darstelle. Sie seien nicht beratend, sondern bedrängend tätig und wollten die schnelle Mark machen. "Aber der Kunde und nicht der Geldbeutel muß im Vordergrund stehen", betont Breitenfeldt.

Angst vor schwarzen Schafen

Wer aber nun glaubt, daß alle Telefongesellschaften im indirekten Vertrieb der Weisheit letzten Schluß sehen, irrt. Beispiel Hanse Net: 70 Prozent beträgt momentan der Anteil des Direktvertriebs am Umsatz des auf Hamburg und Umgebung beschränkten Carriers. Künftig soll sich das sogar noch erhöhen, versichert Unternehmenssprecher Jochen Michels.

Beispiel Microcall: Hier werden die Produkte und Leistungen über autorisierte Lizenzpartner vermarktet. Ausschließlich direkt, wie Europa-Direktor Karl Neugebauer betont, denn die Partner sind allesamt von Microcall geschulte und exklusiv für den Carrier tätige Freelancer. "Unter den Fachhändlern gibt es schwarze Schafe", begründet Neugebauer die Ablehnung des indirekten Kanals. Allerdings muß er im gleichen Atemzug eingestehen, daß die Umsatzentwicklung ohne indirekten Vertrieb langsamer vonstatten gehe.

Was bleibt also hängen? TK-Gesellschaften sowie TK- und/oder IT-Distributoren preisen die Chancen, die die Telekommunikation den IT-Händlern bietet, in den höchsten Tönen. Etliche IT-Händler sind zwar schon in diesem Markt tätig, von all zu vielen guten Erfahrungen können sie bisher aber noch nicht berichten.

Von daher kann der Fachhandel nur hoffen, daß im zweiten Jahr des liberalisierten TK-Marktes die Festnetzvermarktung durch viele wechselwillige Kunden endlich anzieht. Mit dem Fallen des Ortsgespräch-Monopols der Deutschen Telekom sollte bald auch den alternativen Gesellschaften der Verkauf von Komplettangeboten möglich sein. Dann könnten auch für IT-Händler die Chancen für eine erfolgreiche Festnetzvermarktung steigen. (tö)

Der Wunsch liegt auf der Hand: Informationstechnologie und Telekommunikation aus einer Hand.

"Die Art und Weise, wie einige Distributoren am Markt auftreten, ist für uns nicht tolerierbar", beklagt sich Ralf Breitenfeldt, Leiter indirekter Vertrieb bei der GTS Deutschland GmbH.

"Mit einer anständigen Ausbildung trennen wir bei unseren Partnern die Spreu vom Weizen", glaubt Karl Neugebauer, Europäischer Direktor der Microcall Deutschland GmbH.

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