Frau Schmidts große Herausforderung

01.11.2001

Bärbel Schmidt, Vertriebsdirektorin Handel bei HP, traut sich viel zu. Für das am 1. November beginnende Geschäftsjahr 2002 des Unternehmens hat sie sich vorgenommen, in einen Bereich vorzupreschen, der bisher von HPs Direktmannschaft dominiert wird. Die Rede ist vom Vertrieb der so genannten "Infrastruktur-Produkte". Darunter sind Itanium- und Unix-Server sowie Storage-Produkte zu verstehen. In diesem Marktsegment will Schmidt den Anteil des Partnergeschäfts am HP-Umsatz von bisher 22 auf 40 Prozent verdoppeln (Artikel dazu auf Seite 14).

Kein leichter Job. Schmidt hat es vor allem mit zwei Herausforderungen zu tun, die es zu meistern gilt.

1. Der interne Wettbewerb. HP gilt zwar als indirekte Vertriebscompany, im Bereich der Infrastruktur-Produkte hält der Direktvertrieb aber die Stellung. Hier gilt es, Kanalkonflikte zu vermeiden. Das sollte mit einem vernünftigen Regelwerk, dessen konsequente Umsetzung kontrolliert wird, zu leisten sein.

2. Der äußere Wettbewerb. Auf diesem Gebiet sind Erfolge weitaus schwieriger zu erringen. Denn hier nützt kein Regelwerk und hier ist auch mit einer Dienstanweisung von oben nicht viel zu erreichen. Hier muss man richtig arbeiten, kämpfen, rödeln.

Theoretisch hat HP drei Möglichkeiten, mehr Infrastruktur-Umsatz über Partner zu erzielen.

1. Der Direktvertrieb gibt Umsatz an die Partner ab. Diese Möglichkeit wird nicht angestrebt.

2. HP baut bei solchen Vertriebspartnern, die bisher nicht in diesem anspruchsvollen Marktsegment tätig sind, entsprechende Kompetenzen auf. Diese Möglichkeit ist wenig aussichtsreich. Denn parallel dazu müsste HP diesen Vertriebspartnern auch die Kunden geben, denen sie dann die Produkte und Services verkaufen können. Die heutigen Kunden der kleineren Systemhäuser haben in der Regel keinen Bedarf an den hochkomplexen Infrastrukturprodukten, die hier zur Debatte stehen. Der Absatzmarkt lässt sich zudem nicht dadurch vergrößern, indem man die Zahl der Absatzmittler ausweitet.

3. Verdrängung anderer Hersteller. Die Systemhäuser, an die sich die Initiative von HP-Managerin Schmidt richtet, sind bereits versorgt. Sie verkaufen schon heute Unix-Server und Storage-Produkte. Nur eben nicht von HP. Sondern von Sun, Compaq, IBM, Fujitsu Siemens oder EMC.

Das Kunststück, dass HP-Managerin Schmidt also vollbringen muss, besteht darin, ein im Großen und Ganzen verteiltes Handelssegment neu zu ordnen. Und das dürfte der schwierige Teil des Plans sein. Es geht darum, Systemhäuser zum Überlaufen zu bewegen. Es geht um nichts anderes als um Verdrängung.

Sicher hat HP als indirekte Vertriebscompany gute Argumente. Die Initiative stößt aber auf ein grundsätzliches und ein aktuelles Problem: Grundsätzlich wechselt ein Systemhaus in diesem komplexen Bereich nicht leichtfertig den Lieferanten nach dem Motto "Ein Versuch kostet ja nichts". In diesem Bereich würde ein Versuch eine ganze Menge kosten. Die ganze Mannschaft müsste auf die HP-Produkte neu geschult werden. Ein Überlaufen von einem Hersteller zum anderen ist hier nicht so trivial wie im Bereich PCs oder Drucker.

Das aktuelle Problem, das Schmidt das Leben nicht erleichtern wird, ist die geplante Fusion von HP mit Compaq. Niemand kann heute seriös sagen, was dann kommen wird, welche Produkte und welche Strategien überleben werden. Sich in dieser Situation an HP zu binden und damit bestehende Beziehungen aufs Spiel zu setzen, dieses Risiko wird kaum jemand eingehen. Und diese abwartende Haltung wird einem verantwortlichen Systemhaus-Geschäftsführer niemand übel nehmen können. Auch Frau Schmidt nicht.

Damian Sicking

dsicking@computerpartner.de

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