Für viele PC-Anwender ein unlösbares Problem

09.03.1998

PALO ALTO: Das Datumsproblem zum Jahrtausendwechsel beschäftigt - nach langer Verharmlosung - nun schon seit einiger Zeit auch die PC-Industrie. So stellte Microsoft im Frühjahr dieses Jahres endlich eine eigene Seite zum Jahr 2000 ins Web. Dies kann als Alarmzeichen gewertet werden, wie Autor Rudi Kulzer schreibt.Microsoft hat sich bisher zum immer drängender werdenden Problem

"Jahr-2000-Umstellung" - um es vorsichtig zu formulieren - sehr zurückgehalten. Von Insidern der PC-Branche wurde das mächtige Softwarehaus aus dem US-Bundesstaat Washington sogar als "sleeping

giant", als "schlafender 2000-Riese" bezeichnet. Doch der ist nun endlich aufgewacht.

Microsoft richtete Anfang April im Rahmen seines Internetangebots eine spezielle Seite ein, mit deren Hilfe die Besitzer von Personalcomputern mehr über die Jahr-2000-Tauglichkeit (englischer Fachbegriff: compliant) ihrer installierten Software erfahren können. Die Adresse: microsoft.com/year2000

Nur ein Angebot zur Inormation

Der dort publizierte Y2K-Führer (Year 2 Kilo; Kilo = griechisch 1000) ist jedoch nur ein Informationsangebot und kein Softwarewerkzeug, mit dem man etwa seine Software auf Millenniumfehler hin testen könnte. Viele Branchenexperten sind nämlich der Meinung, daß ein Softwarehaus, dessen Programme derzeit auf annähernd 95 Prozent aller installierten Arbeitsplatzrechner (Desktop) laufen, eigene Testwerkzeuge hätte anbieten müssen. Das aber bleibt sogenannten Drittanbietern überlassen. Wenigstens die Liste dieser Anbieter kann auf der MS-Webseite abgerufen werden.

Dort sind auch die Produkte in fünf Einstufungen aufgelistet: "compliant", "compliant with minor issues", "not compliant", "testing yet to be completed", "will not test". "Compliant" kann man sinngemäß mit "erfüllt die Bedingungen" übersetzen.

Die gute Nachricht: Mit Access 2.0, Word for Windows 5.0 sowie Office Professional 4.3 (nur Access 2.0) werden lediglich drei Produkte als

"not compliant" bezeichnet. Allerdings sind genau diese Programme noch sehr verbreitet.

Die schlechte Nachricht ergibt sich aus der Tabelle, worin Produkte in den Gruppen "compliant" und "compliant with minor issues" aufgelistet sind. Etwa die Hälfte der aktuellen Microsoft-Produkte hat kleinere Macken ("minor issues"). Zu ihnen gehören nicht nur die letzte Dos-Version 6.22, sondern auch so wichtige Softwarepakete wie Windows 95, Version 4.00.950 (!), Windows for Workgroups 3.11 sowie Windows NT Server Standard/Enterprise, Version 4.0.

Für diese Programme müssen Verbesserungen, sogenannte Patches (Korrekturroutinen), von Microsofts Webseite geladen und in die Programmsammlung eingefügt werden. Für den Computerexperten mit Technikkenntnissen sind das vielleicht wirklich nur die "Peanuts", wie Microsoft das in seiner Werbung verharmlosen möchte. Für alle anderen Nutzer jedoch - und das ist die Mehrheit - sind die "minor issues" ein großes Problem.

Auf dem Trockenen sitzen zunächst einmal die vielen Einzelnutzer ohne besondere Technikkenntnisse sowie alle PC-Nutzer in kleinen und mittleren Firmen, die noch nicht mit Softwareverteilung und -verbesserung über das Netz arbeiten. Sie sind mit dem "Peanut-2000-Problem" schlicht überfordert und auf Hilfe von außen angewiesen. Schließlich ist noch nicht einmal die Hälfte dieser PCs überhaupt an das Internet angeschlossen.

Im Falle der kleineren Unternehmen müßte das Y2K-Problem von dem Software- oder Systemhaus gelöst werden, von dem die Computerausrüstung und die Branchen-Software stammt, und zwar kulanterweise sogar kostenlos.Gerade bei diesen Anwendern wird nach der Beobachtung von DV-Experten auch noch sehr viel "handgestrickte" Branchensoftware eingesetzt, die auf dem altehrwürdigen Disc Operating System (Dos) basiert und entweder noch alphanumerisch oder bestenfalls mit einer einfachen grafischen Oberfläche ohne Maus (nur mit Pfeiltasten und Leertaste) arbeitet. Ein Blick über die Schulter der Sprechstundenhilfe beim Zahnarzt genügt, um dies bestätigt zu bekommen.

Bisher Vernachlässigt: Wer denkt an die vielen DOS-Anwender?

Die große Gruppe von PC-Benutzern, die auf Dos angewiesen sind, wird fast ausschließlich in den Fachmagazinen der jeweiligen Branchen mit Informationen versorgt. Dort aber wird das Thema Informationstechnik meist nur am Rande erwähnt.

Hier sind die Berufsverbände und Anbieter von Branchensoftware aufgefordert, rasch aktiv zu werden. Schließlich stehen gerade bei diesen Anwendern ganze Existenzen auf dem Spiel, sollte der Computer seinen Dienst versagen.

Aber auch auf größere Unternehmen, die sich mit der Softwareverteilung über das Netz auskennen, kommt bei der Beseitigung von Microsofts Millennium-Peanuts eine wahre Sisyphusarbeit zu. Hier dürfte es jetzt hilfreich sein, wenn der Einsatz der jeweiligen Softwarepakete in einem Unternehmen immer sorgfältig dokumentiert wurde. In den wenigsten Firmen wurde das jedoch getan, lehrt die Erfahrung.

Der Artikel ist zuvor im Handelsblatt erschienen.

Die FAQ-Liste auf Microsofts Year-2000-Server ist lang und wächst von Update zu Update.

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