FVIT will sich in Sachen Software- und Systemhäuser fit machen

20.03.1998

FRANKFURT: Der Fachverband Informationstechnik im ZVEI hat Software- und Systemhäusern ein kostenloses Seminar über "Marketing und Finanzierung des Wachstums im Bereich Software" angeboten. Im Gegenzug erhofft sich der Verband, das eine oder andere Softwarehaus als Mitglied zu gewinnen.Der Fachverband Informationstechnik (FVIT) will sich künftig kleinen und mittleren Software- und Systemhäusern stärker zuwenden. "Die Bundesregierung entdeckt nach und nach die statistisch schwer faßbaren System- und Softwarehäuser. Sie wendet sich dann mit der Bitte um mehr Informationen an uns, doch uns fehlt hier tatsächlich das Know-how", gab Bernhard Rohleder, Geschäftsführer des Fachverbands Informationstechnik, offen während seiner Begrüßung in Frankfurt zu. Damit sich nun beide Seiten näherkommen, hat der Fachverband für diese Zielgruppe ein Seminar veranstaltet, zu dem rund 40 Vertreter von deutschen Software- und Systemhäusern angereist waren. Aus dieser Auftaktveranstaltung soll langfristig ein Arbeitskreis hervorgehen, in dem die aktuellen Anliegen der Lösungsanbieter ein Podium finden. "Wir würden sehr gerne eine "pressure group" (Interessenvertretung) für Sie und Ihre Unternehmen sein", warb Rohleder in seiner Einführung.

In dem Seminar drehte sich dann alles um die Themen "Marketing" und "Finanzierung des Wachstums". Als Referenten für den ersten Themenkomplex hatten die Frankfurter Rainer-Lionel d'Arcy von der Beratungsfirma Triconsult in Kelkheim und Frank Ladwig von Baan Deutschland GmbH in Hannover eingeladen. Das Thema "Finanzierung" bestritt Rainer Mauer von der Münchner Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner GmbH.

D'Arcy schickte die These voraus, daß "auch die Software-Industrie gutes Marketing machen kann, sie muß sich nur trauen". Das Ziel jeder "Unternehmung" ist der zufriedene, an das Unternehmen gebundene Kunde. Deswegen führt seiner Meinung nach kein Weg an einer professionellen Kundenbefragung vorbei, die regelmäßig wiederholt werden sollte. Zu den Kunden zählen aber nicht nur die externen Kunden, die beim Unternehmen kaufen, sondern auch die eigenen Mitarbeiter. "Ein Marketing-Konzept ist nur dann erfolgreich, wenn es von den Mitarbeitern getragen wird", weiß der emeritierte Marketingprofessor.

Außerdem sollte ein Unternehmen nicht nur darauf achten, erfolgreich Neukunden zu gewinnen, sondern auch die langjährigen Kundenkontakte pflegen. Schließlich, so d'Arcy, koste es fünfmal mehr einen neuen Kunden zu werben als einen alten zu halten.

Schwierigkeiten beim Vermarkten von Software

Die Produkte der Software-Industrie sind kurzlebig. Deswegen hilft traditionelles Vermarkten nicht weiter. Gefragt ist, laut d'Arcy, dynamisches Marketing, das sich auf das Schaffen, und nicht auf die Aufteilung von Märkten konzentriert. Weil Anwender Software außerdem nicht anfassen können, und das Image von Software- und System-Anbietern nicht immer das beste ist, ist Software schwierig zu vermarkten. Vertrauen als probates Mittel gegen die Komplexität des Produkts kann nur durch Ehrlichkeit und solide Kompetenz entstehen, so der Marketingexperte.

Zielgruppe genau und ehrlich festlegen

Im Anschluß daran gab Frank Ladwig Praxistips. Fokussierung, so der Marketier, der bei Baan das Partnermarketing betreut, zahle sich immer aus. Er griff das Sichwort "Ehrlichkeit" des ersten Vortrags auf und riet: "Legen Sie genau Ihre Zielgruppe fest und nageln Sie auch Ihre Mitarbeiter darauf fest. Seien Sie über Ihre Zielgruppe ehrlich zu sich selbst." Nur so könne man falsche Fokussierung vermeiden. Die Zielgruppen und die Marktsegmente müssen zu Beginn jedes Jahres festgelegt werden, damit das eigene Marketing-Konzpt überhaupt greifen kann. Seinen Zuhörern empfahl er, Allianzen einzugehen, Direct Mailings durchzuführen und für die Kunden kleine Roadshows zu veranstalten. Dabei sei wichtig, auf die eigene Präsentation nach außen, zum Beispiel auf Messen, zu achten.

D'Arcy berichtete in dem Zusammenhang von seinen Beobachtungen auf der Systems 1997 in München. Die dort ausstellenden Softwarehäuser zeigten oft zu wenig sichtbares Profil. In 80 Prozent der Fälle sei das Messeziel an den Ständen nicht erkennbar gewesen.

Finanzierung: ein brennendes Thema

Im zweiten Teil der Veranstaltung zählte Rainer Mauer die Gründe auf, warum es Softwarehäuser mit der Kreditwürdigkeit oft schwer haben, und stellte dann die verschiedenen Möglichkeiten vor, Kapital zur Wachstumsfinanzierung zu erhalten.

Die Schwierigkeiten beginnen oft schon damit, daß die Geschäftsführer in Softwarehäusern mehr Techniker als Unternehmer sind und daher den Aufbau von guten Beziehungen zu Investoren oft vernachlässigen. Um dem abzuhelfen, schlug der Finanzierungsexperte vor, Banken regelmäßig einen Quartalsbericht über das Unternehmen zu senden und ihnen außerdem neue Produkte anzukündigen. Einer seiner weiteren praktischen Hinweise lautete: "Laden Sie Ihren Banker doch einfach mal in Ihr Unternehmen oder auf Ihren CeBIT-Stand ein!" Genauso wie bei den Kunden muß das Vertrauen der Investoren gefördert werden.

Mauer glaubt, daß der "Engpaß" bei einer Finanzierung in der Regel nicht im Mangel an Finanzierungsalternativen liegt. Oft fehlt einfach die Kompetenz im betriebswirtschaftlichen Umfeld und dann hilft nur eines: Sich die Kompetenz durch personelle Maßnahmen einkaufen.

Wichtig für seine Zuhörer war auch der Hinweis, daß die staatlichen Finanzierungshilfen nie ganz ausgeschöpft werden. Das liegt zum größten Teil daran, daß die 450 öffentlichen Förderprogramme unüberschaubar geworden sind. So gibt es allein für Venture Capital und Existenzgründung 131 Programme.

Auch kleine Firmen zieht es an die Börse

Der Gang an die Börse wird von deutschen Unternehmen viel zu wenig genutzt, um das Eigenkapital aufzustocken. Dabei bietet gerade das "Going Public" wachstumsstarken mittelständischen Unternehmen eine Lösung des Finanzierungsproblems. Wer glaubt, daß nur ganz große Firmen an die Börse gehen, irrt: "Die Unternehmensgrößen bei Neuemissionen zeigen eine deutliche Tendenz nach unten", stellt Mauer fest. Sein Unternehmen begleitet dieses Jahr acht Unternehmen beim Gang an die Börse. Drei davon sind im IT-Bereich tätig.

Breites Interesse an weiteren Seminaren

Die Vertreter der Software- und Systemhäuser waren mit dem Seminar und vor allem mit den Referenten durchweg zufrieden. Alle Teilnehmer äußerten Interesse an weiterführenden Veranstaltungen, um einzelne Themen wie Venture Capital oder Public Relations zu vertiefen. Der Fachverband wird nach der CeBIT weitere Seminare anbieten, "um mittelständische Unternehmen zu unterstützen und um Softwarehäusern zu helfen, sich besser zu organisieren", so Günther Welsch vom FVIT. Er ist der Nachfolger von Hans-Jürgen Bierschenk, Referent für den Bereich Software im Fachverband Informationstechnik. Dessen Fazit zur Veranstaltung lautete: "Wenn die Teilnehmer, die da waren, zufrieden nach Hause gehen, hat sich unsere Investition gelohnt." (is)

Rainer Mauer, Berater bei Dr. Wieselhuber & Partner in München: "Wachstumsfinanzierung ist immer eine individuelle Angelegenheit und muß auf jedes Unternehmen zugeschnitten werden."

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