Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs

Gesetzesentwurf soll Abmahnanwälte stoppen

Sebastian Loutoumai ist Rechtsanwalt und Fachanwalt bei Löffel Abrar Rechtsanwälte. Er berät Unternehmen insbesondere in allen Fragen zum Online-Marketing und Recht, Werberecht, Influencer Marketing sowie Marken- und Wettbewerbsrecht.
Dem Geschäftsmodell sogenannter Abmahnanwälte, die Abmahnungen zur Erzielung von Abmahngebühren versenden, soll ein Riegel vorgeschoben werden. Für Verbraucher und Handel birgt das neue Gesetz eher Nachteile, meint der Autor.

Am 10. September 2020 hat der Bundestag den Gesetzesentwurf mit dem Titel "Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs" angenommen, am 9. Oktober hat auch der Bundesrat den Neuerungen zugestimmt. Wie der Titel bereits vermuten lässt, ist das Ziel des Gesetzes: einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen und die Interessen der Verbraucher und der weiteren Marktteilnehmer zu schützen. Erreicht werden soll dieses Ziel dadurch, dass Anreize für missbräuchliche Abmahnungen von sogenannten Abmahnanwälten, insbesondere solcher Abmahnungen die allein auf die Erzielung von Abmahngebühren gerichtet sind, abgeschafft werden.

Empfänger einer Abmahnung mussten bisher in den meisten Fällen nicht nur eine Vertragsstrafe bezahlen, sondern auch die Gebühren eines Abnahmanwalts.
Empfänger einer Abmahnung mussten bisher in den meisten Fällen nicht nur eine Vertragsstrafe bezahlen, sondern auch die Gebühren eines Abnahmanwalts.
Foto: Axel Bueckert - shutterstock.com

Nach der Gesetzesbegründung mehrten sich angeblich "die Anzeichen" (so die Gesetzesbegründung) dafür, dass es auch weiterhin zu missbräuchlichen Abmahnungen komme, die primär zur Erzielung von Gebühren und Vertragsstrafen ausgesprochen werden. Mit den nun gesetzlich geregelten Maßnahmen solle das Geschäftsmodell der missbräuchlichen Abmahnungen eingedämmt werden, ohne die Interessen der in diesem Bereich seriösen Akteure unbillig zu behindern. Das soll insbesondere für Verstöße gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im elektronischen Geschäftsverkehr und bei Verstößen gegen die DSGVO durch Unternehmen mit nicht mehr als 250 Mitarbeitern gelten. Tatsächlich führt das Gesetz jedoch zu einem unfairen Wettbewerb.

Verständliche Zielsetzung mit schweren Folgen

Die Zielsetzung des Gesetzgebers ist klar und im Grundsatz auch verständlich. Wenn es weniger missbräuchliche Abmahnungen gibt, stärkt das den fairen Wettbewerb. Bei einer genaueren Betrachtung des Gesetzes muss man aber konstatieren, dass der Gesetzgeber sein Unterziel, "die Interessen der in diesem Bereich seriösen Akteure [nicht] unbillig zu behindern", nicht nur verfehlt hat. Durch die getroffenen Maßnahmen kommt es im Gegenteil dazu, dass das Gesetz vielmehr zu einer Schwächung des fairen Wettbewerbs und auch des Verbraucherschutzes führen wird.

Das in Deutschland etablierte und gut funktionierende System der Selbstregulierung der Mitbewerber untereinander droht durch das Gesetz zu zerbrechen, mit der Folge, dass tatsächliche Verstöße gegen Kennzeichnungs- und Informationspflichten im Internet unbeanstandet bleiben. Das setzt Fehlanreize, weil Online-Händler, welche zum Beispiel ihren Sitz im Ausland haben und Produkte in Deutschland gegenüber deutschen Verbraucher auf einer deutschen Webseite anbieten, nicht mehr den Aufwand und die Kosten für einen gesetzeskonformen Onlineshop auf sich nehmen müssen. Denn sie müssen nicht mehr ernsthaft befürchten dass ein Mitbewerber einen solchen Verstoß verfolgt.

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Dass hierdurch am Ende vor allem die Verbraucher benachteiligt werden, ist so evident, dass es verwundert, dass diese Nachteile für Verbraucher und Unternehmen aus Deutschland, die sich an Recht und Gesetz halten, im Gesetzgebungsverfahren keine Beachtung gefunden hat. So kommt es zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung.

Die getroffenen Maßnahmen und Regelungen sind nicht überlegt und lassen vermuten, dass man im Bundesjustizministerium und um Bundestag die negativen Auswirkungen übersehen oder diese für das vordergründige Ziel, ein Gesetz zu machen, dass auf den ersten Blick gut aussieht, billigend in Kauf genommen hat. Dabei zieht sich dieses fehlende Verständnis für die tatsächlichen Auswirkungen durch das gesamte Gesetz, sodass an dieser Stelle nur auf ein paar wesentliche Neuerungen und deren Auswirkungen eingegangen werden soll.

Erleichterung zu einem hohen Preis

Die Gesetzesbegründung führt bereits in ihrer Einleitung zutreffend aus, dass Abmahnungen der schnellen und kostengünstigen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen dienen, die teure und unter Umständen langwierige gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden können. Die Abmahnung hat sich im Wettbewerbsrecht als probates Mittel durchgesetzt, durch eine schnelle außergerichtliche Einigung ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden und Wettbewerbsverstöße durch Mitbewerber zu beenden und zu verhindern.

Diesen Zweck wird die Abmahnung künftig jedenfalls im elektronischen Geschäftsverkehr und bei Telemedien nicht mehr erreichen. Gerade solche Online-Händler, die kalkuliert Informations- und Kennzeichnungspflichten missachten und damit einhergehend die Interessen der Verbraucher, werden durch die Neuregelung bestärkt.

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Für die vielen kleinen und mittelständischen Online-Händler und vor allem für Startups bedeuten die Neuregelungen allerdings auch eine deutliche Erleichterung. Gerade die Online-Händler, die sich aufgrund ihres Budgets nicht für jede rechtliche Frage die Hilfe eines Rechtsanwaltes leisten können, haben stets das Risiko, aus Unwissenheit oder Unachtsamkeit Fehler bei den gesetzlich vorgegebenen Informationen zu machen. Durch die Neuregelungen müssen diese - bei aller Kritik an dem Gesetz - nicht mehr befürchten, direkt bei dem kleinsten Fehler mit einer kostenpflichtigen Abmahnung konfrontiert zu werden. Wie hoch der Preis jedoch für diese Erleichterung für den fairen Wettbewerb tatsächlich ist, wird sich zeigen.

Wegfall der Kostenerstattung trifft nicht nur die Abmahnanwälte

Paragraf § 13 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG - neu) sieht beispielsweise vor, dass der Kostenerstattungsanspruch für berechtigte Abmahnungen bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten ausgeschlossen wird, allerdings nur soweit diese Verstöße im elektronischen Geschäftsverkehr oder in Telemedien erfolgt sind.

Macht also zum Beispiel ein Online-Händler bewusst oder unbewusst einen Fehler bei seiner Widerrufsbelehrung, so kann ein Mitbewerber diesen Verstoß zwar weiterhin außergerichtlich abmahnen. Zieht er hierfür allerdings, wie es für eine rechtliche Prüfung regelmäßig erforderlich ist, einen Rechtsanwalt hinzu, so können dem abgemahnten Online-Händler die Kosten - anders als früher - nicht mehr auferlegt werden. Ein lauter handelnde Mitbewerber ist zukünftig also gezwungen, schwarze Schafe auf eigene Kosten außergerichtlich zu verfolgen.

Hintergrund dieser Neuerung ist, dass es in der Vergangenheit immer mal wieder Fälle gab, in denen sich Unternehmen und Rechtsanwälte zusammengetan haben, gemeinsam bei anderen Online-Händlern nach Verstößen zu suchen, um diese dann kostenpflichtig abzumahnen. Vor diesem Hintergrund ist die Neuregelung auch nachvollziehbar. Allerdings beruht diese auf der Annahme, dass ein solches Vorgehen massenhaft zu beobachten sei, ein solches Vorgehen also den Regelfall darstelle.

Für diese Annahme fehlt es allerdings an einer tatsächlichen Grundlage. Vielmehr handelt es sich um Einzelfälle und rechtsmissbräuchliches Verhalten hat vor Gericht immer weniger Chancen (vgl. nur OLG Rostock, Beschluss vom 31. August 2020 - 2 U 5/19 in einem Verfahren gegen den fraglichen IDO Interessenverband, der immer wieder durch Abmahnungen auffällt).

Darüber hinaus wurden die Folgen dieser Neuregelung entweder nicht gesehen, unterschätzt oder einfach ignoriert. Führt man sich nämlich vor Augen, dass es in Deutschland keine staatliche Stelle gibt, die zum Beispiel Verstöße bei der richtigen Information über das Widerrufsrecht verfolgt, wird klar, dass die Selbstregulierung durch die Mitbewerber ein wichtiges Instrument dafür ist, dass jeder einzelne Akteur die Informations- und Kennzeichnungspflichten einhält. Dieses System hat in der Vergangenheit sehr gut funktioniert und droht nun auseinanderzufallen.

Auch wenn die Verfolgung von Verstößen gegen die Informations- und Kennzeichnungspflichten weiterhin möglich bleibt, werden viele Wettbewerber, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen künftig aus wirtschaftlichen Erwägungen von einer Verfolgung eines tatsächlichen Verstoßes absehen.

Denn wer einen solchen tatsächlichen Verstoß berechtigt abmahnt, muss die Kosten für die hierfür eingeschalteten Rechtsanwälte künftig selber tragen, und das unabhängig davon, ob der Verstoß unabsichtlich oder sogar böswillig erfolgte.

Im Gegenzug muss der böswillig Handelnde, also der Online-Händler, der vorsätzlich die dem Verbraucherschutz dienenden Informations- und Kennzeichnungspflichten missachtet, keine Kosten und im Zweifel auch keine weiteren Konsequenzen wegen seines Verstoßes befürchten. Künftig kann sich also derjenige, der die Kosten für einen gesetzeskonformen Online-Shop spart, im Wettbewerb einen wirtschaftlichen Vorteil verschaffen,. Letztlich begünstigt das nun geschaffene Gesetz die schwarzen Schafe unter den Online-Händler, die bewusst, für ihren eigenen (wirtschaftlichen) Vorteil auf die Einhaltung der gesetzlichen Informations- und Kennzeichnungspflichten verzichten.

Ungleichbehandlung von On- und Offline-Handel

Diese Neuregelung ist auch noch aus einem weiteren Gesichtspunkt wettbewerbsverzerrend, denn sie gilt lediglich für den Online-Handel. Hierdurch wird der Online-Handel allerdings einseitig gegenüber den übrigen Marktteilnehmern bevorzugt. Informations- und Kennzeichnungspflichten gelten auch außerhalb des elektronischen Geschäftsverkehrs, Verstöße hiergegen werden in diesem Bereich jedoch vom Gesetz nicht ebenso privilegiert.

Die Ungleichbehandlung wird deutlich, wenn man folgende Konstellation betrachtet:
Ein Online-Händler, der einen stationär tätigen Händler wegen Verstoßes gegen Informationspflichten abmahnt, kann für diese Abmahnung entstandenen Kosten ersetzt verlangen, weil der Verstoß gerade nicht im elektronischen Geschäftsverkehr erfolgt ist. Umgekehrt könnte ein stationär tätiger Händler bei einer Abmahnung des Online-Händlers seine hierfür entstandenen Kosten nicht ersetzt verlangen und bliebe auf diesen sitzen. Diese Ungleichbehandlung kann auch nicht dadurch begründet werden, dass Verstöße im Online-Handel tendenziell leichter zu entdecken sind.

Schwarze Schafe müssen keine Konsequenzen mehr fürchten

Mit der Neuregelung in § 13a Abs. 2 UWG (neu) soll in bestimmten Fällen ausgeschlossen werden, dass eine Unterlassungserklärung mit einer Vertragsstrafe abgegeben werden muss. Die Vertragsstrafe ist aus rechtlicher Sicht allerdings essenziell, um eine Wiederholungsgefahr ernsthaft auszuschließen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine Unterlassungserklärung ohne eine Vertragsstrafe nicht geeignet, die Gefahr der Wiederholung des Verstoßes auszuschließen. Hintergrund ist der Gedanke, dass derjenige, der bei einer Wiederholung die Zahlung einer empfindlichen Vertragsstrafe zu befürchten hat, eher bereit ist, sich künftig gesetzestreu zu verhalten.

Muss künftig für bestimmte Verstöße keine Vertragsstrafe versprochen werden, begünstigt auch dies den unseriös agierenden Online-Händler, da er keinerlei ernsthafte Konsequenzen nach einem Verstoß mehr befürchten muss. Nach der Neuregelung droht erst nach einem dritten Verstoß eine Vertragsstrafe. (bw)

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