Händler überflüssig: In der "Compunity" beraten sich die Kunden gegenseitig

03.06.1998

MÜNCHEN/GOTTLIEBEN: E-Commerce ist en vogue. Entrepreneurs alt und neu, groß und klein, in- und außerhalb der IT-Branche tanzen um das goldene Online-Kalb. Auch Ex-Compuserve-Chef Felix Somm wirft jetzt seinen Hut in den Ring und eröffnet einen virtuellen Treffpunkt für Computerkäufer.Und wieder macht im Internet ein Marketender seinen Bauchladen auf: Zwar verdienen dort bislang nur wenige wirklich Geld. Felix Somm ist sich seiner Sache - der Somm & Partner AG - dennoch sicher. Denn der ehemalige Compuserve-Geschäftsführer will natürlich alles besser machen als die anderen. Sein Vorwurf an die existierenden Online-Läden: Viele Sites orientieren sich nicht an den Bedürfnissen der Kunden, sondern ergehen sich in technischen Gimmicks und Selbstdarstellung. "Ist es dem Kunden gelungen, den Laden aufzuspüren, wartet er zuerst einmal am Eingang, bis die Graphiken geladen, Java-Applets gestartet und Plug-Ins installiert sind. Disqualifiziert sich der Interessent durch einen veralteten Browser, bleibt ihm der Zugang zum Laden verwehrt. Der Rest wird nun mit der Firmenphilosophie und der Technologie des Ladenbesitzers bekanntgemacht. Bevor der Kunde Einblick ins schmale Testsortiment erhält, muß er sich für eine eventuelle Bestellung registrieren und möglichst Zahlungsinformationen offenlegen. Das vollständige Angebot kann der Kunde im autorisierten Fachhandel oder im gedruckten Katalog einsehen", polemisiert der Schweizer.

Der Kunde im Online-Shop ersetzt den Händlerrat

Diesem Hürdenlauf setzt Somm sein Konzept der "virtuellen Communities" entgegen. Nach dem Vorbild etwa der US-Online-Buchhändlers Amazon soll der Web-Surfer in diesen elektronischen Handelsplätzen nicht nur einkaufen können: "Auch im Internet sucht der Mensch nicht die Abstraktion einer Datenbank, sondern die Kommunikation mit anderen Menschen. In einer virtuellen Community engagieren sich die Kunden in Chat-Foren und Schwarzen Brettern. Dort erhält der Kunde Beratung vor und Service nach dem Kauf, denn erfahrene Anwender sind die besten Supporter. Keine Empfehlung ist besser als die Erfahrung eines zufriedenen Kunden", erläutert Somm. Obendrein bekommen die Shopper mit Hilfe eines Nutzerprofils aus allen Informationen automatisch diejenigen zusammengestellt, die sie interessieren.

In den Somm-Marktplätzen beraten sich die Kunden also gegenseitig. Eine verlockende Vorstellung für viele Hersteller, könnten sie doch auf einen Großteil der mühsamen Interaktion mit den Käufern verzichten und so auch noch Kosten sparen. Sollte das Szenario der sich selbst und gegenseitig informierenden Konsumenten wirklich funktionieren, dann hätte der beratende Fachhandel ausgespielt. Eben diese Beratung und der Service vor allem bei komplexen Produkten rechtfertigen in anderen E-Commerce-Konzepten bislang noch das Einbinden der Handelspartner. Der deutsche Buchgrossist Libri zum Beispiel läßt seine Händler an seinem Internet-Auftritt mitverdienen (siehe ComputerPartner 3/1998, Seite 52). Somm hält solche Rücksichten offensichtlich für überflüssig.

Selbstverständlich braucht es für den händlerfreien Handel im Internet eine aufgeklärte und technisch versierte Klientel, und wo ist diese zu finden, wenn nicht im Computermarkt? Der erste einer ganzen Reihe geplanter Somm-Communities wird daher ""www.compunity.com" sein, ein Handelsplatz rund um das Thema Computer. Neben den erwähnten Bulletin Boards und Chat-Bereichen wird dort der Interessierte zu Online-Konferenzen mit Brancheninsidern geladen, kann Testberichte aus Fachzeitschriften studieren und Software "downloaden" (auch kommerzielle) sowie natürlich einkaufen. Das "breitgefächerte, preisgünstige Angebot an Computern, Software und EDV-Zubehör" wird von Distributoren direkt an den Endkunden ausgeliefert, wenn auch nicht zum Einkaufspreis. Wer diese Großhändler sind, will Somm noch nicht verraten.

Computer vom Großhandel, Service von wem?

Das Konzept erinnert an die Kooperation zwischen Karstadt und C2000, die gemeinsam die Computerabteilung im Online-Kaufhaus My-World betreiben. Während dort jedoch das Thema Reparatur und Garantieabwicklung durch ein Karstadt-eigenes Service-Unternehmen erledigt wird, verweist Somm diesbezüglich vage auf "die Hersteller". Sich selbst will er da offenbar raushalten. Trotzdem macht der Internet-Veteran frohgemut zur CeBIT '98 die Compunity-Ladentür auf und erwartet schon im ersten Jahr eine halbe Million registrierte Mitglieder. Nach fünf Jahren rechnet Somm mit mehr als 3,5 Millionen Teilnehmern bei einem Umsatz von 14 Millionen Mark. Schwarze Zahlen erwartet der E-Commerce-Enthusiast "frühestens 1999". (ld)

Über Computerprodukte reden und sie dann gleich kaufen - alles auf

deutsch und in der "Compunity".

Alte Bekannte: Neben Felix Somm (Mitte), Geschäftsführer der Somm & Partner AG, stecken auch noch Ex-Compaq-Chef Kurt Dobitsch (links) und der Schweizer Investor Christian Rutishauser Geld und guten Rat in das E-Commerce-Unterfangen.

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