Rechtmäßigkeit zweifelhaft

Hinterziehung von Umsatzsteuer

31.01.2011

Festsetzungsverjährung eingetreten

Aus den dem Gericht vorliegenden Akten sei nicht erkennbar, dass die Prüfung im Jahr 1998 auf die USt der übrigen Streitjahre erweitert worden sei, d.h., die umsatzsteuerlich relevanten Sachverhalte seien ausnahmslos erst nach der Wiederaufnahme der Prüfung ermittelt worden. Damit sei für die Jahre 1991 und 1993 bis 1995 Festsetzungsverjährung eingetreten.

Die AdV sei aber auch im Hinblick auf eine evtl. Verwirkung geboten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - sei die Einleitung eines Strafverfahrens zur Unterbrechung der Festsetzungsverjährung ohne Weiteres ausreichend. Die Unterbrechung der Verjährung dauere nach dieser Rechtsprechung fort, bis die Prüfung beendet und aufgrund der Prüfung Steuerbescheide erlassen würden, ohne zeitliche Begrenzung. Eine Verwirkung komme nur in Betracht, wenn zu dem Zeitmoment noch weitere Umstände hinzuträten, die den Steuerpflichtigen zu der Annahme veranlassen könnten, dass die Angelegenheit endgültig erledigt sei.

Es würden nach Auffassung des FG jedoch Bedenken bestehen, ob die Grundsätze des BFH zur Annahme von Verwirkung nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur überlangen Verfahrensdauer uneingeschränkt fort gelten könnten. In der Sache Nr. 17878/04 habe der Gerichtshof mit Urteil vom 11. Juni 2009 eine Verfahrensdauer von 10 Jahren für alle Instanzen als zu lang erachtet, auch unter Berücksichtigung der Komplexität des Falles.

Dass diese Rechtsprechung nicht ausschließlich für Gerichtsverfahren gelte, ergebe sich aus dem Urteil vom 17. Juni 2009 in der Sache 8453/04, mit dem der Gerichtshof für Menschenrechte in einem Disziplinarverfahren eine Verfahrensdauer von 9 Jahren und 8 Monaten als unangemessen lang erachtet habe. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze beständen erhebliche rechtsstaatliche Bedenken, ob unabhängig von der Dauer der Unterbrechung eine Verwirkung allein aufgrund Zeitablaufs niemals in Betracht kommen könne. Im Streitfall müsse berücksichtigt werden, dass die Dauer der Unterbrechung allein der Sphäre des FA zuzuordnen sei. Ebenso wie die Gerichte ihren Bürgern keine überlange Verfahrensdauer zumuten dürften, dürfe auch eine Eingriffsverwaltung - wie die Steuerbehörden - den Bürger belastende Verfahren nicht unbegrenzt ausdehnen.

Auch soweit der BFH ausführe, dass Ausgang und Zeitpunkt der Beendigung des Strafverfahrens für die Ablaufhemmung ohne Belang seien, müsse hinterfragt werden, ob dies auch gelten könne, wenn - wie im Streitfall - aufgrund der langjährigen Prüfungsunterbrechung Strafverfolgungsverjährung eingetreten sei und deshalb der eigentliche Zweck der Einleitung des Strafverfahrens, nämlich die Strafverfolgung, nicht mehr erreicht werden könne.

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