Informationselite: Stadtneurotiker von morgen?

11.10.2006
"Always-on" wird unsere Gesellschaft verändern: Die Wertigkeit des Privaten steigt, gleichzeitig wird mehr, schneller und über banalere Dinge kommuniziert. Beruflich sind wir flexibel wie nie zuvor. Und es entstehen unbewusst neue Kommunikationsnormen - etwa zur Unterscheidung von Arbeit und Freizeit.

"Eilig hetzt der moderne Mensch durch die hoch technisierte Stadt, dominiert von Produkten aller Art, immer erreichbar und doch abwesend. Schier erdrückt von raschen Wechseln äußerer und innerer Eindrücke sucht er sein Heil in nervöser Oberflächlichkeit." Das ist nicht etwa eine Beschreibung des heutigen Zustands, sondern des Lebens im Berlin des Jahres 1900, wie es der deutsche Philosoph Georg Simmel sah. Seine Vision der Zukunft: Der urbane Mensch werde zu einem blasierten Dandy, frei von Emotionen, aber gleichzeitig auch sehr einsam, denn nur durch Abstumpfung könne er der steten Reizüberflutung Herr werden.

Rückbesinnung auf das Private

Simmels Prophezeihung ist bislang nicht eingetreten: Hundert Jahre nach seinen Beobachtungen gibt es eher weniger dieser Großstadtneurotiker, obwohl Informationsfluss und Sinneseindrücke mit der Entwicklung moderner Technologien enorm angestiegen sind - ein Trend, der sich seit dem Handy- und Internetboom der 1990er Jahre fortsetzt. Schon heute dient das Internet jungen Amerikanern einer AOL-Studie zu Folge als primäres Kommunikationsmittel. Und bis zum Jahr 2007 erwartet das Marktforschungsunternehmen Gartner Group, dass 75 Prozent der Europäer 80 Prozent ihrer Freizeit in nächster Nähe zu mobilen, elektronischen Kommunikationsgeräten verbringen, die ständig mit dem Netz verbunden sind. "Always online", immer und überall erreichbar zu sein, wird die Gesellschaft von morgen prägen. Diese Entwicklung ist nicht jedem geheuer, denn angesichts des rasanten Fortschritts bleiben viele Fragen offen - etwa über die sozialen Auswirkungen von "Always-on".

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