Interview mit Hubertus Küpper, Vorstand der Stollcom AG & Co.

08.06.1998

Mit Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen stellten die ehemaligen Geschäftsführer der Stoll Datentechnik GmbH, Klaus-Peter Stoll und Klaus Ploschke, 1996 ein Projekt auf die Beine, das kleineren IT-Unternehmen größere Marktchancen eröffnen sollte. 20 Monate nach der Gründung haben die Initiatoren die Verbundgruppe verlassen. Wie es heute um das Unternehmen steht, erläutert Hubertus Küpper, zur Zeit alleine im Vorstand der Stollcom AG, im Gespräch mit ComputerPartner.Wenn die Stollcom AG heute zum Gesundheitscheck ginge, wie würde die Diagnose des Arztes lauten?

Küpper: Stollcom ist jetzt gut eineinhalb Jahre alt, und ich glaube, das Konzept, das auch das Wirtschaftsministerium in Düsseldorf überzeugt hat, ist heute zu einem großen Teil realisiert. Ich bin sicher, daß bei einem Gesundheitscheck hier und da ein paar kleine Krankheiten diagnostiziert würden, die man aber leicht in den Griff bekäme.

In den letzten Monaten sind ja wesentliche Organe, wie die Firmen-gründer Klaus-Peter Stoll und Klaus Ploschke, amputiert worden. Was waren die Gründe?

Küpper: Das Wachstum des Unternehmens wird es sicherlich erfordern, daß in einiger Zeit zusätzliches Kapital in das Unternehmen fließen muß. Hier haben beide Herren einem möglichen zukünftigen Investor Platz gemacht. Mehr möchte und kann ich heute darüber nicht sagen.

Sie sind zu Beginn des Jahres zur Stollcom gekommen. Worin besteht Ihre Aufgabe genau? Werden Sie auf Dauer die einzige Person im Vorstand bleiben?

Küpper: Als ich 1997 das erste Mal mit Herrn Stoll Gespräche aufnahm, lag meine Aufgabe darin, das Mittelstück des Unternehmens, das Call-center, aufzubauen. Das habe ich als freiberuflicher Mitarbeiter gemacht. Das Call-center in Dortmund ist jetzt fest etabliert und arbeitet stark ausgelastet. Dann bat man mich, die Vertriebs-organisation der Stollcom AG aufzubauen, und das ist meine Aufgabe seit dem 1. Januar 1998. Ich denke, daß sich der Vorstand mittel-fristig erweitern muß und wird.

Was ist eigentlich konkret der Unternehmensgegenstand der Stollcom AG?

Küpper: Stollcom ist eine Plattform, deren Aufgabe es ist, auf der Beschaffungsseite Kontrakte mit den großen Unternehmen dieser Welt herzustellen und auf der Absatzseite, nämlich unseren Verbundpartnern, möglichst günstige Preise bei der Hardware zu bieten. Stollcom ist zunächst ein sehr stark nordrhein-westfälisch geprägtes Projekt, das auch die Aufgabe hat, kleine und mittel-ständische Unternehmen stärker an die neuen Technologien heranzu-führen. Wir bieten auch kleinen Softwarehäusern, die bislang sehr stark regional tätig waren, weil ihre wirtschaftliche Kraft das nicht anders hergibt, die Möglichkeit, ihre Produkte im ganzen Land zu vermarkten. Unser Ziel ist es, bis zum Ende des Jahres 2000 deutschlandweit mit einer ausgedehnten Vertriebsorganisation zu arbeiten.

Wie läuft diese Zusammenarbeit mit den Softwarehäusern konkret ab?

Küpper: Da gibt es zum Beispiel das Softwarehaus GBO in Leer. Dieses Unternehmen ist in Ostfriesland und im Bremer Raum etabliert und hat eine exzellente Software für Baustoff- und Holzhändler entwickelt. Mit GBO haben wir nach ausgiebiger Prüfung einen Kontrakt geschlossen, ihre Software in unsere Outlets hinein zu vermarkten. Wir haben heute rund 65 Verbundpartner. Nach meinen Vorstellungen werden es im Jahr 2000 deutschlandweit rund 300 sein.

Diese Vertriebspartner stehen nun diesem Softwarehaus in Ostfriesland zur Verfügung, um flächendeckend im Baustoff- und Holzhandel diese Produkte zu etablieren. Unsere Aufgabe dabei ist es, die Partner vor Ort, zum Beispiel in München oder Köln, zu unterstützen, indem wir gemeinsam mit ihnen und dem Softwarehaus eine Marketingaktion machen. Zu dieser Präsentation werden Baustoff- und Holzhändler aus der Region eingeladen. Dort werden wir wirtschaftliche Größe zeigen und dem Softwarehaus, unserem Verbundpartner vor Ort, und uns die Möglichkeit geben, Quellen anzugehen, die bis heute nicht möglich sind.

Abschließend werden wir den Kunden in unsere Hotline übernehmen und in unserem Call-center alle seine Probleme vor Ort lösen. Der Verbundpartner wird mit einbezogen, braucht aber keine zusätzlichen Kapazitäten aufzubauen. Bei Bedarf kann das Softwarehaus zur Problemlösung elektronisch dazu geschaltet werden. Wir haben

heute etwa zehn dieser Branchenlösungen parat. Unser Ziel ist es, bis zum Ende dieses Jahres weitere 15 Partner zu gewinnen und Ende 2000 insgesamt 200 Branchenlösungen deutschlandweit, zu vermarkten.

Das Konzept hört sich interessant an, und man sollte erwarten, daß die Softwarehäuser bei Ihnen Schlange stehen. Da scheinen zehn Partner recht wenig. Laufen Sie Ihren Zielen nicht hinterher?

Küpper: Ein Softwareprodukt zu kreieren, auszuwählen und in das System hinein zu bringen, ist ein immenser Aufwand. Mehr als wir bis heute erreicht haben, ist personell mit unseren rund 60 Mitarbeitern nicht denkbar. Und es ist auch nicht umsetzbar, denn auch der Partner vor Ort ist ja ein kleines mittelständisches Unternehmen. Im Regelfall kann pro Monat ein neues Unternehmen entwickelt, dessen Produkt aufbereitet und in den Markt gebracht werden. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, daß wir bis heute absolut in der Ziellinie sind.

Früher kommunizierte Ziele waren weitaus höher angesetzt. 1997 sollten schon rund 100 Verbundpartner und 70 Kommanditisten an Bord sein. Für dieses Jahr lag das Ziel bei 250 Verbundpartnern und

110 Kommanditisten. Sind Ihre früheren Kollegen aus dem Vorstand zu optimistisch an den Markt herangegangen?

Küpper: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen, weil ich die Zielsetzungen der Vergangenheit nur sekundär mitbekam. Ich glaube aber, daß die Qualität entscheidend ist. Mir geht es hier nicht um Masse, sondern darum, daß der Partner, den ich gewinne, auch für uns und den Verbund arbeitet. Wir müssen Menschen gewinnen, an dieses Konzept zu glauben und es auch umzusetzen. 65 Partner, die mit uns Umsätze generieren und das Konzept verbreitern, sind wichtiger als 400, die sich hier und da mal sehen lassen. Das gleiche gilt auch für die Kommandi-tisten.

Wer sind die Verbundpartner? Wer sind die Kommanditisten?

Küpper: Die Verbundpartner sind Systemhäuser und ehemalige kleinere Computerläden, die sich entschlossen haben, in andere Betätigungs-felder hinein zu gehen. Die Kommanditisten sind zu einem Teil gewonnene Verbundpartner, die an das Unternehmen glauben und hier auch wirtschaftliche Erfolge sehen. Es sind aber auch Lieferanten als Kommanditisten tätig.

Was müssen ein Unternehmen oder eine Person tun, um als Verbund-partner beziehungsweise Kommanditist in die Stollcom-Familie aufgenommen zu werden?

Küpper: Vor allem müssen sie sich im klaren sein, was sie als Unternehmen eigentlich machen wollen. Im Bereich der Hardware können wir sicher ein guter Einkaufspartner sein. Wenn sie sich im Bereich Branchenlösungen etablieren wollen, müssen sie bereit sein, in dieses Wissen zu investieren. Das können und wollen wir ihnen nicht abnehmen.

Gibt es eine Aufnahmegebühr und/oder einen Mitgliedsbeitrag?

Küpper: Weder das eine noch das andere. Im Gegenteil, wir zahlen sogar Boni aus für getätigte Umsätze und machen damit Ansparmodelle für Kommanditisten-Teilhaberschaften möglich, wenn das gewünscht wird.

Stollcom ist ein Förderprojekt des Landes Nordrhein-Westfalen. Es heißt, Sie hätten 50 Millionen Mark Fördergeld bekommen.

Küpper: Das Land hat unser Konzept, kleine Unternehmen an die neuen Technologien heranzuführen, sehr gut gefunden und unseren Antrag auf Fördergelder entsprechend unterstützt. Für den Zeitraum von drei Jahren, vom 1.10.1996 bis zum 30.9.1999 bekommen wir Förderunter-stützung, und zwar in einem einstelligen Millionenbetrag. Die von Ihnen genannten 50 Millionen Mark sind illusorisch. Von den erforderlichen Investitionen für das Projekt über diese drei Jahre trägt das Land 40 Prozent. 60 Prozent muß das Unternehmen selber aufbringen.

Die Fördergelder sind aber nicht für den Aufbau der Stollcom AG und der Vertriebsorganisation gezahlt worden, sondern ganz speziell für das Call-, Clearing- und Support-center (VCCS). Das VCCS, das wir im

Oktober 1997 in Dortmund gegründet haben, ist das Herzstück der Stollcom AG. Es steht allen Verbundpartnern zur Verfügung, und eines guten Tages können darüber zum Beispiel Bestellungen abgewickelt werden.

Wie steht das VCCS heute da?

Küpper: Als das VCCS vor neun Monaten eröffnet wurde, habe ich mich gefragt, ob man dieses Call-center auch für andere Dinge nutzen kann, denn die Investition ist beträchtlich. Es steht dort Hardware für etwa 1,5 Millionen Mark, die nicht mitgefördert wird. Ich erfuhr damals, daß die Firma Cheyenne gerade ihre Hotline in andere Hände geben wollte. In noch nicht mal drei Monaten haben wir das gesamte Produktspektrum von Cheyenne in einer Hotline übernommen. 15 Mitarbeiter wickeln im Moment etwa 12.000 Calls pro Monat ab. Zur Zeit sind wir in einigen Gesprächen mit namhaften Unternehmen. Das Cheyenne-Projekt hat uns da einen großen Schub verschafft.

Was entgegnen Sie Brancheninsidern, die behaupten, ohne das Wirtschaftsministerium in Düsseldorf und die Fördergelder gäbe es die Stollcom AG gar nicht?

Küpper: Den Damen und Herren würde ich grundsätzlich Recht geben, weil es die Stollcom AG ohne das Wirtschaftsministerium tatsächlich nie gegeben hätte. Aber Ihre Frage war sicherlich anders gemeint. Ich bin davon überzeugt, daß es die Stollcom AG nach wie vor geben würde, selbst wenn das Land Nordrhein-Westfalen nicht da wäre. Ich glaube, wir haben heute einen gewissen Selbständigkeitsgrad erreicht. Wir haben das Geld zielorientiert ausgegeben. Vor Genehmigung des Projektes mußte ein Profitplan aufgestellt werden, der von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer auf Plausibilität geprüft wurde. Danach wird das Unternehmen regelmäßig durch den Regierungspräsidenten überprüft, ob die Gelder mittelgerecht eingesetzt wurden.

Stimmt es, daß Sie nach einer Prüfung durch den zuständigen Regierungspräsidenten Fördergelder zurückzahlen müssen?

Küpper: Das ist mir bis heute nicht bekannt.

Aber es hat eine solche Prüfung gegeben?

Küpper: Die Prüfung gibt es turnusgemäß einmal im Jahr.

Stehen die Abgänge der Herren Stoll und Ploschke im Zusammenhang mit der letzten Prüfung?

Küpper: Zum Ausscheiden dieser beiden Herren habe ich eingangs etwas gesagt, dem ich nichts hinzufügen möchte.

Bei dem Multimedia-Pilotprojekt Info-City NRW, bei dem 10.000 Haushalte an das Netz angeschlossen werden sollten, scheint noch Sand im Getriebe zu sein. Weshalb wird es nicht wie gewünscht angenommen?

Küpper: Unsere einzige Aufgabe besteht in dem logistischen Part und darin, die Kunden in unsere Hotline aufzunehmen. Wir verkaufen hier nicht und haben auch keine gestalterischen Möglichkeiten. Richtig ist sicherlich, daß das Projekt für alle Parteien nicht den Möglichkeiten entspricht, die es bieten könnte.

Plan war, eine Assemblierungsstraße in Erkelenz aufzubauen. Dafür sollte vom Land eine Bürgschaft übernommen werden. Gibt es das Projekt noch?

Küpper: Die Stollcom AG soll im Laufe des nächsten Jahres in Erkelenz etabliert werden. In diesem Rahmen ist die Assemblierungsstraße nach wie vor ein Thema. Wenn sie denn installiert wird, wäre das wiederum ein Bestandteil der Förderung. Im Augenblick ist das aber kein Thema.

Die Fördergelder für die Stollcom AG laufen im September 1999 aus. Wie geht es mit dem Unternehmen weiter?

Küpper: Wie gesagt, wird ja nur ein kleiner Teil unserer Aktivitäten gefördert. Bei den Branchenlösungen, in der Telekommunikation und anderen Bereichen arbeiten wir bereits heute selbständig ohne Fördermittel. Ich denke, daß wir zum 1.10.1999 in der Selbständigkeit nicht nur bestehen, sondern auch ein gutes Rüstzeug für die Zukunft haben.

(Das Interview führten Anne Krick und Damian Sicking)

Stollcom-Firmengebäuder in Köln: Für kommendes Jahr steht der Umzug nach Erkelenz an.

Stollcom-Vorstand Hubertus Küpper: Ich glaube, wir haben heute einen gewissen Selbständigkeitsgrad erreicht.

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