Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz

Ist das ErbStG verfassungswidrig?

07.11.2012

Im Einzelnen

Im Einzelnen stützt der BFH seine Vorlage auf folgende Gesichtspunkte, so Passau.

1. Die weitgehende oder vollständige steuerliche Verschonung des Erwerbs von Betriebsvermögen, land- und forstwirtschaftlichem Vermögen und Anteilen an Kapitalgesellschaften oder Anteilen daran stelle eine nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigte und damit verfassungswidrige Überprivilegierung dar (Rz. 82 bis 94). Es könne nicht unterstellt werden, dass die Erbschaftsteuer typischerweise die Betriebsfortführung gefährde (siehe Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim BMF 01/2012; Rz. 89 ff.); es gehe weit über das verfassungsrechtlich Gebotene und Zulässige hinaus, Betriebsvermögen ohne Rücksicht auf den Wert des Erwerbs und die Leistungsfähigkeit des Erwerbers freizustellen, und zwar auch dann, wenn die für eine Erbschaftsteuerzahlung erforderlichen liquiden Mittel vorhanden seien oder - ggf. im Rahmen einer Stundung der Steuer - ohne weiteres beschafft werden könnten (Rz. 87).

Der Begünstigungsgrund "Arbeitsplatzerhalt" erweise sich als nicht tragfähig, weil weit mehr als 90 % aller Betriebe nicht mehr als 20 Beschäftigte hätten (Rz. 48) und schon deshalb nicht unter die "Arbeitsplatzklausel" fielen und ferner das Gesetz Gestaltungen zulasse, die es in vielen Fällen auf einfache Art und Weise ermöglichten, dass es für die Gewährung des Verschonungsabschlags auch bei Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten im Ergebnis nicht auf die Entwicklung der Lohnsummen und somit auf die Erhaltung von Arbeitsplätzen in dem Zeitraum nach dem Erwerb ankomme (Rz. 143 bis 148 mit Beispielen).

2. §§ 13a und 13b ErbStG wiesen ferner einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang auf (Rz. 95 bis 142). Sie ermöglichten es Steuerpflichtigen, durch rechtliche Gestaltungen nicht betriebsnotwendiges Vermögen, das den Begünstigungszweck nicht erfülle, in unbegrenzter Höhe ohne oder mit nur geringer Steuerbelastung zu erwerben. Es unterliege weitgehend der Dispositionsfreiheit des Erblassers oder Schenkers, Vermögensgegenstände, die ihrer Natur nach im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung gehalten würden, zu steuerbegünstigtem Betriebsvermögen zu machen (Rz. 97, 98). Die Bestimmungen hinsichtlich des sog. Verwaltungsvermögens (§ 13b Abs. 2 ErbStG) seien nicht geeignet, risikobehaftetes und deshalb zu begünstigendes Betriebsvermögen von weitgehend risikolosem und daher nicht begünstigungswürdigem Betriebsvermögen abzugrenzen, und widersprächen auch dem Folgerichtigkeitsgebot. So könne bei entsprechender Gestaltung der unschädliche Anteil des nicht begünstigungswürdigen Verwaltungsvermögens sowohl bei der Regelverschonung (85 % Befreiung) als auch bei der Optionsverschonung (100 Prozent Befreiung) deutlich über 90 Prozent des gesamten Betriebsvermögens betragen (Rz. 104 bis 116 mit Beispielen in Rz. 105 ff. und Rz. 113 ff.). Ferner gehörten Geldforderungen wie etwa Sichteinlagen, Sparanlagen und Festgeldkonten bei Kreditinstituten nicht zum Verwaltungsvermögen, sodass ein Anteil an einer GmbH oder GmbH und Co. KG, deren Vermögen ausschließlich aus solchen Forderungen bestehe (z.B. sog. "Cash-GmbH), durch freigebige Zuwendung oder von Todes wegen erworben werden könne, ohne dass Erbschaftsteuer anfalle (Rz. 117 bis 130).

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