Karrierefrauen in Wachstumsunternehmen: Sind sie eine Ausnahme?

13.09.2001
Die IT-Branche klopft sich beim Thema Gleichberechtigung gerne auf die Schulter: Männer und Frauen sei der Weg nach oben freigestellt, nicht das Geschlecht, sondern der Einsatz gebe den Ausschlag. Pustekuchen, sagen die Analysten von Rarecompany: Auch im neuen Wirtschaftszweig kommen Frauen nicht weit. Die Gründe liegen auch hier wieder in der traditionellen Rollenverteilung.

Hewlett-Packard-Chefin Car-ly Fiorina hat es geschafft. Genau wie Anne Mulcahy, die als neues Xerox-Oberhaupt zum Großteil Männer für sich arbeiten lässt. Beide werden gern als Vorzeigefälle bemüht, wenn es mal wieder an der Zeit ist, die Chancengleichheit in der IT-Branche herbeizubeten. Dabei haben sich die beiden Damen keinesfalls in der New Economy, sondern in traditionsreichen - wenn auch technikorientierten - Unternehmen an die Spitze gearbeitet.

"Die Annahme, in einem derart offenen, wachstumsstarken und jungen Marktbereich, wie der Internet-Economy würden Geschlechterunterschiede keine Rolle mehr spielen, ist leider ein Irrtum", lautet denn auch das Fazit der Marktanalysten von Rarecompany. Sie befragten Männer und Frauen zum Thema "Frauen und Wachstumsunternehmen - eine Ausnahme?" Neben einer Online-Umfrage führte das Unternehmen Interviews auf den Fachmessen "Multimedia Market" und "Internet World" durch.

Tradierte Rollenverteilung bremst den Aufstieg

Das eindeutige Ergebnis: Frauen bewerten die Möglichkeiten der Job- und Familienplanung im neuen Wirtschaftszweig meist als positiv - Karriere machen sie aber trotzdem nur selten. Die Gründe hierfür sind die gleichen wie in der Old Economy: die traditionelle Rollenverteilung, männliche Dominanz im Büro und mangelndes Selbstvertrauen.

So versprechen sich Frauen in der IT-Branche im Vergleich zu den männlichen Kollegen wesentlich höhere Aufstiegschancen und knüpfen auch höhere Erwartungen an die Verdienstmöglichkeiten. Mit 66 Prozent sehen weibliche Mitarbeiter die Gleichstellung mit männlichen Kollegen als sehr wichtig an, für 33 Prozent spielt dieser Aspekt nur eine untergeordnete Rolle. 70 Prozent der befragten Männer sprechen sich ebenfalls für Gleichberechtigung am Arbeitsplatz aus.

Männer halten Frauen für sozial kompetenter

Große Differenzen gibt es hingegen bei der Beurteilung der typisch weiblichen Stärken am Arbeitsplatz: So schätzen sich Frauen in ihrer Vorgehensweise als strategischer als die männlichen Kollegen ein. Männer sehen darin tendenziell hingegen keine hervorhebenswerte Stärke weiblicher Arbeitskräfte. 30 Prozent finden sogar, das Frauen weniger strategisch arbeiten. Was die soziale Kompetenz betrifft, sehen erwartungsgemäß drei Viertel der Mitarbeiterinnen hier ihren Vorteil. Aber auch Männer gestehen ihnen diesen Vorteil neidlos zu. Bei der Frage nach dem ergebnisorientierten Arbeiten scheiden sich wieder die Geister: Die Männer sind in diesem Punkt eher unentschlossen. Dreiviertel der Frauen sprechen sich diese Eigenschaft aber zu. Ganzheitliches Denken beanspruchen 35 Prozent der Frauen eindeutig für sich. Der überwiegende Teil der Männer schätzt diese Eigenschaft beim angeblich "schwachen Geschlecht" als eher bescheiden ausgeprägt ein.

Frauen haben tatsächlich eine Aversion gegen Technik

Obwohl die meisten Frauen also der Überzeugung sind, die nötigen Voraussetzungen mitzubringen, bleibt auch der neue Wirtschaftszweig weiterhin eine Männerdomäne. Die Meinungen, die sich hartnäckig bei beiden Geschlechtern halten, kommen bei der Frage nach den Gründen für den Karrierehemmschuh zutage. So ist man sich weitestgehend einig, dass Frauen mit Technik einfach nichts anfangen können: Ganze 73 Prozent der Männer glauben, dass die weibliche Konkurrenz eine "Aversion gegen Technik" hat, 70 Prozent der Frauen bestätigen das auch prompt. Weitere 53 Prozent der befragten Frauen schreckt der Leistungsdruck der Branche ab. Unmittelbar darauf folgt mit 50 Nennungen die Dominanz der männlichen Kollegen. "Dies lässt einen Schluss in zwei Richtungen zu: Frauen wollen ihre Arbeitszeit in diesem Umfeld nicht verbringen und bevorzugen andere Bereiche. Darüber hinaus drückt diese Meinung eine negative Wertung des Verhaltens männlicher Kollegen aus", so das Fazit der Analysten. Der Aspekt "Strukturen" ist für Männer wie Frauen gleichermaßen unbedeutend.

Dass die Gleichstellung von Männern und Frauen in Unternehmen noch nicht durchdringend realisiert wurde, darüber sind sich die Befragten einig. Die überlieferte Rollenverteilung ist der Umfrage zufolge dafür der ausschlaggebende Punkt. "Die Privilegien, die Männer traditionell zugebilligt bekommen, müssen sich Frauen erst erkämpfen - das schluckt Energie, die sonst anderweitig eingesetzt werden könnte. Sicherlich wird diese Tatsache abhängig von der Sichtweise von Frauen als Herausforderung angesehen, schreckt einen Großteil jedoch auch ab", so die Einschätzung der Marktforscher. Gewichtig ist auch der Kinderwunsch, er steht Frauen bei der Karriereplanung im Weg - ob in der New oder der Old Economy. Zieht man allerdings in Betracht, dass Mitarbeiter der schnelllebigen Internet-Economy durchschnittlich alle zwei Jahre das Unternehmen wechseln und der Kinderwunsch weitestgehend planbar ist, so wirft das die Frage auf, worin tatsächlich der Hinderungsgrund besteht.

Fehlende Annerkennung bremst den Ehrgeiz

Ein wichtiger Punkt ist auch die fehlende Anerkennung der Fähigkeiten von Frauen. Fehlendes Durchsetzungsvermögen sehen hingegen die wenigsten Männer und Frauen als Karrierebremse an. Aus der Sicht der Männer sogar noch weniger als aus dem Blickwinkel der Frauen.

Völlige Unstimmigkeit herrscht hingegen bei der Frage, ob der derzeitige Mangel an Fachkräften Frauen zum Durchbruch in den Wachstumsbranchen verhelfen kann. Nur 21 Prozent der Befragten sind von einer positiven Auswirkung überzeugt, weitere 21 Prozent tendieren immerhin leicht dazu. Insgesamt 47 Prozent äußern sich jedoch negativ: "Die meisten Frauen haben nicht gelernt, sich in den Vordergrund zu stellen. Viele haben noch immer einen enormen Hemmschuh an, der sie hindert, unbekümmert in der Arbeitswelt zu agieren." in dieser Art antwortete die Mehrheit der Frauen in den durchgeführten Interviews. Den-noch glauben die meisten weib-lichen Angestellten, dass es in der IT-Branche für sie einfacher ist: Flexible Arbeitszeiten würden die Planung zwischen Kind und Karriere deutlich leichter machen. Und obwohl sich die Frauen in vielen berufsrelevanten Eigenschaften den Kollegen überwiegend überlegen fühlen, fiel der Begriff "männliche Dominanz" in Zusammenhang mit dem Scheitern auf der Karriereleiter so häufig wie kein zweiter. Männer und ihre zahlenmäßige, aber auch positionsabhängige Dominanz in einer Firma scheinen zahlreiche Frauen nach wie vor abzuschrecken.

www.rarecompany.de

ComputerPartner-Meinung:

Frauen in führenden Positionen sind keine Seltenheit mehr. Die junge Generation schüttelt beim Schlagwort "Emanzipation" nur noch gelangweilt den Kopf. Doch die Aussichten sitzen fest - vor allem bei den Frauen selbst. Die meisten geben zunächst kräftig Gas und lassen plötzlich wieder ganz stark nach, weil sie nicht glauben wollen, eine reale Chance zu haben. Allerdings sind die Befragten durchschnittlich 29 Jahre alt und stehen nach einem erfolgreichen Berufsstart nun vor der Frage: "Kind oder Karriere?" Und die wird sich in keinem Wirtschaftszweig einfach aus der Welt schaffen lassen. (mf)

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