Kommentar: Die neue Systemhaus AG ist ein gewaltiges Experiment

11.07.1997

Die Zeiten mögen sich ändern - die Schlagzeilen aber bleiben gleich. "Die Systemhauslandschaft bleibt in Bewegung" schrieben wir fast auf den Tag genau vor einem Jahr (vgl. ComputerPartner Nr. 17/96, Seite 6). Damals lieferte die Übernahme des Systemhauses Kühn & Weyh durch die Bechtle-Gruppe in Heilbronn den Hintergrund für diese Headline. Die aktuelle Fusion der Systemhäuser Hauser Computerorn & GörwitzSBCS und Computer Partner (vgl. Aufmacher auf Seite 1) zeigt: Die Schlagzeile des Jahres 1996 ist die Schlagzeile des Jahres 1997.

Also "The same procedure as last year"? Das nun auch wieder nicht. Denn der jüngste Schulterschluß der genannten Firmen bedeutet eine neue Qualität in der Konzentrationsbewegung der Branche. Die wesentlichen Gründe für die aktuelle Fusion sind:

- Systemhäuser, die nicht überregional tätig sind, kommen bei den Großunternehmen nicht zum Zuge.

- Nur große Systemhäuser können die erforderlichen Mitarbeiter mit Spezial-Know-how vorhalten, bezahlen und auslasten.

- Immer mehr Unternehmen wollen europaweit nur einen Ansprechpartner für IT-Probleme; daher ist der Gang über die deutsche Grenze für 1998 fest eingeplant.

- Eine lose Kooperation reicht nicht, weil ihr die Instrumente der Steuerung fehlen. Horn & Görwitz sowie Hauser machten ihre Erfahrungen als Mitglieder der Computer-Compass-Gruppe, Computer Partner und ECS waren in der CMCS/Computerland-Gruppe organisiert. Der bisherige Computer-Partner-Chef und frischgebackene Vorstand Rudolf Hotter bringt es auf den Punkt: "In einer Kooperation ist ein Lokalfürst nicht bereit, seine Rennpferde für andere laufen zu lassen."

Der letzte Punkt ist sicher einer derjenigen mit den größten Folgen für das eigene Unternehmertum. Denn die Entscheidung der fünf Systemhaus-Gesellschafter, ihre Unternehmen miteinander zu verschmelzen, bedeutet zwangsläufig die Aufgabe eines Stücks von Identität. Die Firmennamen verschwinden, man ist nicht mehr alleine Herr im Hause, sondern muß die Macht teilen. "Das schwierigste war", gibt der bisherige ECS-Chef und zukünftige Finanzvorstand Bernhard Bellmann zu, "die Altgesellschafter davon zu überzeugen, daß sie ihre Identität aufgeben müssen."

Daß sich diese Unternehmer, alles Gesellschafter durchaus erfolgreicher Systemhäuser, zu diesem für sie einschneidenden Schritt mit Folgen bis ins Privatleben (Umzug nach Frankfurt) entschlossen haben, zeigt zweierlei:

- Zum einen den unglaublichen Druck, der in zunehmendem Maße auf den Unternehmen lastet und sie unter Handlungszwang setzt.

- Und zum zweiten zeigt dieser Schulterschluß den konsequenten Willen der Gründungsväter zum Erfolg.

Die neue Systemhaus AG hat sich viel vorgenommen, und das in kürzester Zeit. Ein Spaziergang wird das sicher nicht. Eher ein Herkulesakt sondergleichen, ein Experiment, wie es in dieser Branche bisher einmalig ist. Denn zunächst einmal gilt es, die fünf Gründungsfirmen in ein gemeinsames Korsett zu schnüren. Schon das ist eine Aufgabe, die alle Beteiligten auf eine harte Probe stellen wird. Zudem müssen die geplanten Akquisitionen integriert werden; allein in der Gründungsphase zwei Firmen. Und weitere Unternehmen im Gesamtvolumen von rund 140 Millionen Mark sollen bis Mitte 1998 übernommen werden, davon ein oder zwei im europäischen Ausland, was die Sache auch nicht einfacher macht.

Nicht zuletzt aber ist die Verschmelzung der fünf Unternehmen ein Triumph des Kopfes über den Bauch. Niemand trennt sich leicht von dem, was er aufgebaut und geformt hat. Aber wenn der Kopf sagt "Lieber Minderheitsteilhaber an einem erfolgreichen Unternehmen als Mehrheitsgesellschafter eines erfolglosen Unternehmens", dann kann der Bauch nur leise grummeln.

Damian Sicking

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