Risikofaktor Unterschätzung

Kulturelle Unterschiede wahrnehmen und akzeptieren

Sabine Machwürth ist geschäftsführende Gesellschafterin der Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy) in Visselhövede (D). (ww.mticonsultancy.com).

Aus Vor-Urteilen werden schnell Pauschal-Urteile

Doch dann startet das Projekt. Und einige Zeit später merken die Verantwortlichen: Irgendwie läuft das Ganze nicht wie geplant. Ständig gibt es Reibereien. Und unsere Botschaften kommen beim Gegenüber nicht an. Dann reift in ihnen allmählich die Erkenntnis: Die kulturellen Unterschiede sind größer als gedacht. Doch leider ist es dann oft zu spät, das Ruder herumzureißen - beziehungsweise hierfür wäre ein enormer Energieaufwand nötig. Denn zu diesem Zeitpunkt haben sich die latenten Vor-Urteile, die jeder Mensch gegenüber Personen aus anderen Kulturen hegt, häufig bereits zu Urteilen verfestigt - Urteilen, die sich in pauschalisierenden Aussagen und Gedanken wie "Die Spanier..." oder "Die Amerikaner sind halt so" manifestieren.

Das heißt, es wird nicht mehr beachtet, dass es "den Spanier" oder "Amerikaner" ebenso wie "den Deutschen" oder Schweizer nicht gibt - selbst wenn gewisse Verhaltensmuster in den einzelnen Kulturen verschieden stark ausgeprägt sind. Es wird auch nicht mehr reflektiert, dass jedes Verhalten aus einem bestimmten Erleben resultiert. Deshalb ist vielfach kein Verstehen möglich. Vielmehr werden die Verhaltensmuster mit Werturteilen verknüpft - wie "Die Amerikaner sind halt oberflächlicher als wir" oder "Die Spanier sind wie alle Südländer unzuverlässig". Und diese Verknüpfungen wieder aufzulösen, ist meist schwer, denn sie sind in der subjektiven Wahrnehmung mit konkreten Erfahrungen hinterlegt.

Persönliches Kennenlernen ermöglichen

Solche Prozesse gilt es zu vermeiden, wenn Personen aus mehreren Nationen regelmäßig zusammenarbeiten und beim Erfüllen ihrer Aufgaben aufeinander angewiesen sind - und zwar frühzeitig. Denn in den ersten Wochen entscheidet sich meist, wie gut transnationale Teams langfristig funktionieren. Deshalb ist es in der Startphase solcher Projekte wichtig, Foren zu schaffen, die es zumindest den Schlüsselpersonen ermöglichen, sich persönlich kennen und verstehen zu lernen und sich auf gemeinsame Ziele sowie Regeln im Umgang miteinander zu verständigen.

Telefonate, E-Mails und Videokonferenzen können ein persönliches Sich-Begegnen und -Kennenlernen nicht ersetzen. Denn wie Menschen zusammenarbeiten, hängt stark davon ab, inwieweit sie die Reaktion des jeweils anderen einschätzen können und ihm vertrauen. Und dies setzt voraus, dass die betreffenden Personen ein wechselseitiges Bild voneinander und einen gemeinsamen Schatz an Erfahrungen haben.

Dieses persönliche Bild vom Gegenüber entsteht beim Kommunizieren per Telefon und E-Mail nur bedingt. Denn hierbei bleibt die Kommunikation weitgehend auf den Austausch fachlicher Infos beschränkt. Zudem ist die Wahrnehmung des Gegenübers stark eingeschränkt. Es fehlen sinnliche Erfahrungen, wie sie entstehen, wenn man einer Person die Hand reicht. Oder wenn man ihr beim Gespräch in die Augen schaut. Gerade solche Erfahrungen sind aber für den Aufbau von Vertrauen und einer persönlichen Beziehung wichtig. (OE)

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