Mitarbeiter von Service- und Reklamationsabteilungen stehen immer öfter aggressiven Kunden gegenüber. Zu diesem ernüchternden Fazit gelangt eine zweimonatige Befragung des Fachbereichs Wirtschaft der Hochschule Darmstadt. Im Rahmen des Studienprojekts "Aggression und Gewalt im Kundenkontakt" wurden 102 Firmen aus dem Finanzwesen, der Telekommunikation und dem Gesundheitswesen befragt.
"Die gesteigerte Gewaltbereitschaft vieler Kunden kommt nicht von ungefähr. Sie ist - und das wollen die meisten Firmen nicht gerne hören - ihrer eigenen ethischen Unfähigkeit geschuldet", erklärt Thomas Otte, Inhaber des gleichnamigen Beratungsunternehmens. Dem Experten nach haben Unternehmen Kunden, die sie sich selbst gezüchtet haben. "Ethische Geschäftspraktiken zahlen sich demnach aus."
Dass Kunden im Umgang mit Beschäftigten von Behörden und Unternehmen gewaltbereiter werden und es zunehmend zu aggressiven Auseinandersetzungen kommt, zeigt die Erhebung. Am häufigsten gibt es verbale Konflikte sowie Beleidigungen. Die Bedrohung durch Waffen und körperliche Angriffe haben seit dem Jahr 2008 zugenommen. Waren es damals noch 2,6 Prozent der Kunden, die Waffen genutzt haben, sind es 2010 bereits 3,3 Prozent gewesen.
"Wir leben in einer Welt der Veränderungen. Das merken die Menschen - spätestens seit der Finanzkrise. Ähnlich der gefühlten und tatsächlichen Inflation ist es bei vielen auch im Zuge von Produkten oder Dienstleistungen, die Kunden erwerben. Zwangsläufig steigt bei Fehlern die Unzufriedenheit, was bestehende Verlustängste nur noch weiter verstärkt", erläutert Otte die Ursachen des gesteigerten Aggressionspotenzials der Kunden.
Aus der Befragung der Firmen konnte ermittelt werden, dass der Anteil körperlicher Attacken aktuell bei 9,1 Prozent liegt. Kaum verwunderlich also, wenn 54 Prozent der Unternehmen an eine zunehmende Gewaltbereitschaft ihrer Kunden glauben. Zum Vergleich: 2008 lag dieser Wert bei lediglich 49 Prozent. Bei den auftretenden Konfliktsituationen spielt das Geschlecht des Mitarbeiters hingegen keine Rolle. Männer und Frauen sind gleichermaßen betroffen.
Den Forschern nach ist jedoch auffällig, dass Konflikte vor allem spontan und unvermittelt entstehen. Somit sind hauptsächlich persönliche oder telefonische Kontakte betroffen. Ganz anders dagegen im Schriftverkehr. Hier treten Untergriffigkeiten selten auf. Trotzdem setzt fast ein Drittel der Firmen derzeit vermehrt auf Schulungen sowie Mitarbeitergespräche. Ebenso haben mittlerweile rund 20 Prozent der Unternehmen Sicherheitsdienste engagiert. (pte/haf)