Der Chef als Vorbild

Kundenfokussierte Mitarbeiterführung - Schritt 3

21.06.2011

Kundenkontakt als lästige Pflicht?

Ist der regelmäßige Kundendialog für Sie ein willkommener Anlass, mehr über die Kunden des Unternehmens zu erfahren? Oder eine lästige Pflicht? Die meisten Manager kümmern sich um Vieles - aber viel zu wenig um ihre Kunden. Manche haben noch nie einen Kunden lebend zu Gesicht gekommen. Sie verbringen ihre Zeit viel lieber im Konferenzraum als im Kundengespräch. Sie kaufen lieber teure Beratung bei McKinsey & Co., als mal ausführlich mit Kunden zu reden. Sie glauben, für Kunden seien die Mitarbeiter aus dem Vertrieb und dem Marketing zuständig.

"Ich habe selbst gelegentlich Kundenkontakt", erzählte mir stolz der CEO eines Energieversorgers anlässlich einer exklusiven Kundenveranstaltung. Es hörte sich so an, als würde er sagen: Wir gehen bisweilen im Zoo die Affen besuchen. Beim Festessen nach dem Event saß er abseits und hat mit keinem einzigen Kunden gesprochen. Seine anwesende Verkäufergarde von mehr als zwanzig Mann tat es ihm nach. Sie saßen beieinander und machten sich einen schönen Abend.

Auf Messen sehen wir die Bosse mit einem Tross von Kofferträgern zu ihrem Stand eilen, wo sie der Presse mit stolzgeschwellter Brust ihre Produktneuheiten in die Mikrofone quatschen. Nur mit Kunden reden sie nicht. Nie wäre die Gelegenheit günstiger, mit ihren Zielgruppen hautnah in Kontakt zu kommen, doch das wird lieber dem Standpersonal überlassen. Die nächste Kamera zur Selbstprofilierung ruft.

Kundenähe in der Chefetage

In seinem Buch ‚Hidden Champions des 21. Jahrhunderts‘ macht Hermann Simon deutlich: die Besten betrachten langjährige Kundenbeziehungen als ihre größte Stärke und praktizieren eine Kundennähe, die über das übliche Maß weit hinausgeht. Dabei sucht die oberste Führung den regelmäßigen Kundenkontakt - nicht als Ritus, sondern aus echtem Interesse.

Simon hat folgendes festgestellt: Misst man die Kundennähe anhand des Prozentsatzes aller Mitarbeiter, die regelmäßig Kontakt zu Kunden haben, kommen normale Unternehmen in der Regel auf einen Anteil zwischen fünf und zehn Prozent. Bei den Hidden Champions bewegt sich der Prozentsatz zwischen 25 und 50 Prozent.

Je größer allerdings ein Unternehmen wird, desto mehr entfremden sich die Führungskräfte vom Kunden. Größe gefährdet die Kundennähe. Der Blick ist zunehmend nach innen und oben und nicht mehr nach draußen gerichtet. So gilt es im Sinne einer kundenfokussierten Unternehmenskultur, vor den Augen der Mitarbeiter wieder verstärkt Kundenkontakt zu suchen. Und zwar nicht als zwanghaft aufgesetztes Meet-the-Customer-Programm, sondern aus Einsicht.

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