Lagerhaltungszeit wird kürzer, der Handel bestellt lieber just in Time

07.06.2001
Laut dem neuesten Channel-Tracker-Report von Morgan Stanley & Global Touch verkürzten sich in den letzten sechs Monaten bei den IT-Händlern in Europa und den USA die Lagerzeiten. Dabei wurden dennoch einige PC-Produkte etablierter Hersteller als Regalhocker geoutet.

Zum neunten Mal in Folge sammelte der britische Marktforscher Morgan Stanley & Global Touch für seinen Channel-Tracker-Report des ersten Quartals 2001 umfassende Informationen zu Lagerbeständen, Kundennachfragen und Abverkäufen bei Channel-Partnern in den USA und Europa. Als Resümee der Befragung kamen die Marktforscher zu dem Schluss, dass die Supply Chain in den letzten sechs Monaten spürbar verkürzt wurde. So halten die Channel-Partner nach Meinung der Analysten die Lagerzeit in "vernünftigen Grenzen" mit durchschnittlich vier bis sechs Wochen.

Die Einzelaussagen der Händler zu der Umschlaghäufigkeit der Rechner nach Herstellern sortiert, zeigen interessante und sehr unterschiedliche Trends. So sind bei den Servern starke Tendenzen zu immer kürzeren Lagerzeiten erkennbar. Nur 17 Prozent der Händler gaben eine hohe Verweildauer (vier bis sechs Wochen) im Lager an, 43 Prozent sprachen von einer normalen Zeit (drei bis vier Wochen). 28 Prozent der Channel-Partner gaben eine kurze Zeit (ein bis zwei Wochen) an und immerhin sieben Prozent der Händler verkaufen die Server sogar in noch kürzerer Zeit. Bei den Desktop-PCs verteilten sich die Angaben relativ gleichmäßig rund um die Normalzeit mit 23 Prozent hoch, 43 Prozent normal und 24 Prozent niedrig. "Am normalsten", also im Zeitrahmen von drei bis vier Wochen, werden portable PCs abverkauft (58 Prozent).

Bei der Aufteilung nach den Herstellern konnte sich Apple in den Kategorien Desktop und Portable als besonders rasanter Schnelldreher behaupten, während sich IBM-PCs auch schon mal besonders lange (mehr als sechs Wochen) in den Regalen aufhalten. HPs Mobile machen mit immerhin 31 Prozent in der Zeitkategorie "hoch" (vier bis sechs Wochen) auch einen etwas langsameren Eindruck. Im Gegensatz dazu sind die Server von Hewlett-Packard mit Abstand die Schnellsten beim Lagerkarussell.

Deutsche Händler geben Problem an Hersteller zurück

In Deutschland gehen die Händler noch deutlich selbstbewusster das Problem der Lagerhaltung an. Kaum einer belastet sich noch mit großen, teuren Lagern. "Wir bestellen in 90 bis 95 Prozent aller Fälle auftragsbezogen", berichtet Peter Churchill, Manager Supply Chain der Computacenter Rhein/Main GmbH. "Bei einem Gesamtumsatz von rund 300 Millionen Mark halten wir in der Regel nur Waren im Wert von sechs Millionen Mark auf Lager. Davon sind durchschnittlich 50 Prozent schon an den Kunden verkauft. Dadurch reduziert sich das Lagerrisiko für uns noch einmal. Die Lagerumschlagsfrequenz liegt bei 50 Mal, die durchschnittliche Durchlaufzeit beträgt also für alle Waren nur eine Woche."

Mit einer Umschlagfrequenz von 24 Mal pro Jahr liegt auch der PC Spezialist gut im Rennen. "Während Bücher und Software schon mal drei Monate in den Regalen liegen, sind Komponenten wie Festplatten, CPUs und Arbeitsspeicher bereits nach 48 Stunden wieder raus", stellt Frank Roebers, Vorstandssprecher der Franchise-Gesellschaft, klar. "PCs und Server unserer Eigenmarke werden auf Bestellung produziert, so dass die Geräte letztendlich nur einen Tag zur Abholung auf Lager sind."

Just-in-Time-Bestellung scheint in Deutschland das Zauberwort zu sein. Andreas Herch, Leiter Vertrieb bei der Augsburger Sahl Computer, bestellt ebenfalls erst dann Computer, wenn eine Bestellung vorliegt. "Es war ja schon immer so: Alles, was man auf Lager hat, wollen die Kunden nicht", ist Herchs Erfahrung. "In der Vergangenheit wälzten die Hersteller die Lagerproblematik auf die Händler ab, doch das funktioniert heute nicht mehr. Selbst die Distributoren als Logistikspezialisten lassen sich nicht mehr die Lager vollknallen. Sie haben in der Regel nur wenige gutgehende Produkte in kleineren Mengen vorrätig."

Das Problem liegt also wieder beim Hersteller. Er muss sein Produktionsvolumen an der Nachfrage ausrichten. Um diese Nachfrage zu kontrollieren, bieten viele so genannte Best-Buy- oder Top-Seller-Programme an. Aber es klappt nicht immer. Bestes Beispiel ist laut Herch die Produktpolitik von IBM. "Eigentlich ist die Top-Seller-Idee prima. Doch IBM macht zu viel des Guten. Die Stuttgarter haben allein 80 verschiedene PC-Modelle im Angebot, davon gehören 20 zu den Top-Sellern. Da kann es in Schottland bei der Produktion schon mal zu Engpässen kommen, selbst wenn sie bei Auftragsspitzen Extraschichten fahren." Vor gut zwei Jahren hatte IBM noch damit geworben, jede Bestellung innerhalb von 24 Stunden auszuführen. Durch die Produktvielfalt hat sich das Unternehmen selbst ein Bein gestellt und die Zeitspanne zwischen Bestellung und Lieferung liegt nun wieder bei zirka vier Wochen.

www.globaltouch.com

ComputerPartner-Meinung:

Vor allem die deutschen Händler haben den Spieß umgedreht und dem Hersteller die Verantwortung für die Bevorratung von ausreichend Geräten wieder zurückgegeben. Dadurch erhöht sich der Druck auf die Unternehmen, die richtige Menge zum richtigen Zeitpunkt und zum richtigen Preis anzubieten. Vielleicht ist das aber auch die Chance, den Wettbewerb in neue Bahnen zu lenken. Es muss nun wirklich nicht jeden Monat ein neues Produkt auf den Markt kommen. Viel wichtiger für den Kunden ist es doch, das gewünschte Gerät in akzeptabler Zeit zu erhalten. (go)

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