"Mit freundlichen Grüßen"

08.06.1998

Azlan Deutschland GmbHHerrn Michael Martin

Inselkammerstraße 10

82008 Unterhaching

Sehr geehrter Herr Martin, München, 06.08. 1998

der Automobilhersteller Ford wirbt zur Zeit mit "Ford - die tun was". Damit befolgt er den derzeitigen Marketingimperativ

"Tu Gutes und rede darüber!" aufs genaueste. In der Deutschlandfiliale des Unternehmens, das Sie als Geschäftsführer leiten, scheint dagegen zur Zeit die Devise "Kein Wort, kein Ton!" die Unternehmenskommunikation zu bestimmen. Denn wie

anders soll ich mir erklären, daß mit Ihnen ins Gespräch zu kommen seit längerem unmöglich ist.

Diese Gesprächs-"Unsituation" wundert mich ein wenig. Denn mir scheint, es gäbe allerhand Klärendes zu dem einst als Vorzeige-Value-added-Distributor gehandelten englischen Netzwerker Azlan zu sagen. Das jedenfalls entnehme ich den mündlichen und

E-Mail-Gerüchten, die derzeit über den Ärmelkanal schwappen und Ihnen gewiß nicht unbekannt sein dürften.

Zusammengefaßt besagen sie: Azlan sucht seit dem Börsencrash im letzten September nach einer Möglichkeit zu überleben, und: Azlan wird vielleicht an CHS oder den holländischen VAD Landis verkauft. CHS erscheint dabei wahrscheinlicher. Denn Landis-Chef Paul Koikon hat auf Anfrage von ComputerPartner Übernahmeabsichten energisch verneint. Und außerdem muß CHS etwas für seine Netzwerk-Tochter Compushack tun, soll diese wieder Geld verdienen Ebenso wird gemunkelt, Azlan rüste sich dafür, nur die profitablen Service- und Trainingsabteilungen zu behalten, den Verlustbringer Netzwerkkomponenten aber zu verkaufen.

Nun bin ich mir sicher, Herr Martin, daß außer Ihnen und mir auch Ihre Kunden mit diesen Gerüchten konfrontiert werden.

Ich frage mich: Wollen diese wirklich nicht wissen, ob sie bei einer Order in Unterhaching damit rechnen können, auch in drei Monaten mögliche Garantiefragen mit Ihnen klären zu können? Wie mir verschiedene Systemhäuser bestätigt haben, ist in dieser Frage Klarheit für das Gedeihen in der Netzwerkdistribution essentiell.

Um die Lage von europaweit agierenden Netzwerkdistributoren recht zu beleuchten: Wie Azlan kämpfen auch einige andere europäische Netzwerkdistributoren mit Schwierigkeiten. Die allgemeinen Gründe dafür sind: Die Margen fallen, die Preise für Netzwerkprodukte halbieren sich im Jahresschnitt; wer auf erhöhte Volumen setzt, kann sich keinen Kalkulationsfehler bei den Komponenten leisten. Nur mit einem sich schnell drehenden Lager und vermehrten Dienstleistungen kann man in der Distribution Geld verdienen.

Ersteres setzt ein ausgefeiltes Logistikkonzept voraus.Mehr Dienstleistungen aber kann man nur verkaufen, wenn die Glaubwürdigkeit des Unternehmens bei den Kunden garantiert ist. Dafür sind deutliche Aussagen zur Unternehmenspolitik nötig: beispielsweise zur Zukunft des Unternehmens.

Doch solche, Azlan betreffende Aussagen sind im Markt derzeit nicht zu haben. So ist beispielsweise der Wechsel an der Spitze des europäischen Azlan-Managements hierzulande niemanden bekannt. Dabei setzt die Azlan-Holding auf den neuen CEO Peter Bertram große Hoffnungen. Denn er soll den Azlan-Aktionären klar machen, daß das Unternehmen einen Strich unter die verlustreiche Vergangenheit gezogen habe. Auch was den angeblichen Orderstop des Azlan-Kunden Siemens betrifft - mit einem Auftragswert von jährlich zwischen acht und zehn Millionen bisher ein schöner Posten in der Azlan-Bilanz -, waren keine Stimmen zu erhalten. Es ist, als gäbe es Azlan nicht mehr. Ein fatales Zeichen, wie jedes Handbuch der Unternehmenskommunikation bestätigt.

Insofern glaube ich, Herr Martin, daß Sie mit "Kein Wort, kein Ton!" bei Ihren Kunden den denkbar schlechtesten Wahlspruch anwenden. Zumindest hierzulande, wo eben doch alle Channel-Partner gerne hören, daß über das Unternehmen, mit dem sie zusammen arbeiten, Gutes gesprochen wird. Ganz gemäß der konkurrierenden Devise "Azlan - die tun was".

Mit freundlichen Grüßen

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