Mit freundlichen Grüßen

21.02.2002

ComputerPartner

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Bechtle AG

Vorstand

Herrn Gerhard Schick

Kanzleistraße 17

74405 Gaildorf

München, 18.02.2002

Verkehrte Welt: Systemhäuser als Steigbügelhalter für Dell

Sehr geehrter Herr Schick,

Sie haben sich entschieden, als Servicedienstleister von Dell aufzutreten. Wie ich gehört habe, konnte einer Ihrer Kunden (Audi) das Angebot von Dell nicht ablehnen. Er soll aber zur Bedingung gemacht haben, dass der Service von seinem langjährigen Systemhaus Bechtle erbracht wird und nicht von Dells Standard-Servicefirmen Getronics und Unisys. Nicht der erste Fall dieser Art in Deutschland, andere Systemhäuser erbringen ebenfalls Serviceleistungen im Auftrag von Dell (mehr dazu in unserem Artikel auf Seite 10 dieser Ausgabe). Ich halte dies für eine falsche Entwicklung.

In dem konkreten Fall stellen sich zunächst einige Fragen. Zum Beispiel die, warum sich Ihr Kunde überhaupt für die Produkte von Dell entschieden hat. Sind diese besser, billiger oder besser verfügbar als die von IBM, Compaq oder HP, die er bisher eingesetzt hat? Die interessantere Frage aber lautet: Wenn der Kunde die Dell-Rechner nur unter der Bedingung kauft, dass Bechtle den Service erbringt, was wäre passiert, wenn Bechtle sich geweigert hätte? Hätte der Kunde dann trotzdem Dell bestellt? Oder hätte er den Dell-Verkäufern einen Korb gegeben ("Tut mir leid, Jungs, aber wenn Bechtle nicht mit im Boot ist, dann bleibe ich bei Compaq (HP, IBM ...). Vielleicht ein ander Mal. Trotzdem nett, dass Ihr vorbeigeschaut habt.")

In solchen Situationen wird gerne der Kunde vorgeschoben. "Der Kunde wollte dies so", heißt es dann, und: "Wenn wir es nicht gemacht hätten, hätte es ein anderer gemacht." In vielen Fällen stimmt das auch, aber oftmals eben auch nicht. Im obigen Fall weiß ich nicht, ob man wirklich scharf nachgefragt hat, was der Kunde am meisten will: die Produkte von Dell oder den Service von Bechtle. Eine konsequente Nachfrage gerade von Ihrer Seite aus wäre wichtig gewesen - auch um zu sehen, wie leicht Sie bei diesem Kunden austauschbar wären. Das Pikante ist ja, dass Dell nicht irgendein Hersteller ist. Sondern ein Hersteller, der seine Produkte direkt, ohne den Handel, an die Endkunden verkauft. Damit steht Dell nicht nur zu den sonstigen Computer-herstellern im Wettbewerb, sondern auch zum Handel und zu den Systemhäusern. Man muss es ganz deutlich so sehen: Dell ist der Konkurrent des Handels und nicht sein Partner. Überall, wo Dell einen PC oder einen Server hinstellt, kann der Handel keinen mehr aufbauen. Mit Ihrer Entscheidung, in eine Geschäftspartnerschaft zu Dell einzutreten, haben Sie auf jeden Fall ja auch selbst dafür gesorgt, dass Sie diesem Kunden keinen Rechner verkaufen. Das ist Punkt eins.

Punkt zwei ist: Welche Auswirkungen hat Ihre Entscheidung für Dell eigentlich auf Ihre Beziehungen zu Ihren angestammten Computerlieferanten wie IBM, HP und Compaq? Ich kann mir nicht vorstellen, dass diese zur neuen Allianz zwischen Bechtle und Dell Beifall klatschen. Im Gegensatz zu Dell haben die drei genannten PC-Hersteller eine lange Vertriebspartner-Historie. Sie haben viel Geld und Energie in diesen Kanal investiert. Dass nicht alles perfekt läuft, ist kein Argument gegen das Modell. Ihre Entscheidung für Dell ist in meinen Augen auch eine Entscheidung gegen Ihre angestammten Industriepartner. Denn auch die können überall dort, wo Dell einen PC hinstellt, keinen eigenen PC hinstellen.

Nächster Punkt: Wenn man Händler und Systemhäuser fragt, was für sie das wesentliche Kriterium in einer Beziehung zu den Herstellern ist, dann stehen Berechenbarkeit und Verlässlichkeit ganz oben. Man will sich zum Beispiel darauf verlassen können, dass sein Herstellerpartner nicht plötzlich auf den Direktvertrieb umschwenkt und beim Kunden als Wettbewerber auftaucht. Berechenbarkeit und Verlässlichkeit aber sind keine Einbahnstraße. Mit Recht erwarten Hersteller von ihren Vertriebspartnern dieselbe Loyalität, die von ihnen gefordert wird.

Für mich ist es nicht nur kein Zeichen von Stärke und Selbstbewusstsein, dass einige renommierte Systemhäuser in Deutschland als Servicepartner von Dell auftreten. Es ist darüber hinaus auch negativ für den indirekten Vertrieb insgesamt. Nicht nur, weil sie damit auch ihre übrigen Kunden ermuntern, ebenso zu verfahren und bei der nächsten Bestellung zu Dell zu wechseln. Sondern auch aus dem Grunde, dass dadurch die Anstrengungen der Hersteller mit einem indirekten Vertriebs-modell torpediert werden. Diese Systemhäuser machen den Direkthersteller Dell stark und schwächen die Indirekthersteller. Das kann vernünftigerweise keine Politik eines Händlers sein. Jetzt wäre der Augenblick gekommen, dass Sie sich mit Ihren Wettbewerbern von T-Systems, Compunet, Arxes etcetera an einen Tisch setzen und sich fragen, wer eigentlich Ihre Partner auf der Industrieseite sind und welche nicht. Es kann doch nicht sein, dass ausgerechnet die Systemhäuser die Steigbügelhalter für Dell sind.

Mit freundlichen Grüßen

Damian Sicking

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