Interview mit Markus Beckedahl

Netzaktivist warnt vor Ungleichheit im Netz

Armin Weiler kümmert sich um die rechercheintensiven Geschichten rund um den ITK-Channel und um die Themen der Distribution. Zudem ist er für den Bereich PCs und Peripherie zuständig. Zu seinen Spezialgebieten zählen daher Notebooks, PCs, Smartphones, Drucker, Displays und Eingabegeräte. Bei der inoffiziellen deutschen IT-Skimeisterschaft "CP Race" ist er für die Rennleitung verantwortlich.

Neue Geschäftsmodelle

?: Ihre Initiative warnt, dass der Fall der Netzneutralität die Zwei-Klassen-Gesellschaft im Internet herbeiführen wird. Was bedeutet diese für den einzelnen User?
Beckedahl: Es ist eine gesellschaftliche und auch soziale Frage. Fällt die Neutralität, so wird sich nicht mehr jeder ein Internet mit diskriminierungsfreiem Zugang leisten können. Neue Geschäftsmodelle werden aufkommen, bei man zwar E-Mail und bestimmte grundlegende Dienste günstig bekommt, darüber hinaus jedoch tiefer in die Tasche greifen muss. Auf der Anbieterseite heißt es, dass es unterschiedliche Zugangsberechtigungen geben wird. Diese gefährden den Mittelstand und nicht-kommerzielle Projekte und hemmen Innovationen.

?: Stand in Europa die Netzneutralität schon auf dem Spiel?
Beckedahl: Ja, etwa als die BBC begann, auf ihrer Webseite Video on demand zu liefern. Die British Telecom Group drosselte daraufhin zur Prime-Time die Geschwindigkeit bei den BBC-Videozugriffen deutlich, wodurch die Clips nicht mehr nutzbar waren. Die Besucher der Seite beschwerten sich bei der BBC, doch eigentlich wäre es Aufgabe der Telecom, ihre Netze weiter auszubauen. Sie schlug vor, dass die BBC einen Datenstrom wie früher erhält, wenn sie künftig mehr bezahlt. Letztlich baden diese Debatte jedoch die Bürger aus, die nun drei Pfund Aufpreis zahlen, um diese Videos zu erhalten. Oder nehmen Sie Skype und andere VoIP-Dienste, die in vielen Mobilfunknetzen diskriminiert werden.

?: Google, Verizon oder die deutschen Netzbetreiber sprechen sich ausdrücklich für Netzneutralität, jedoch mit Hintertürchen aus. Ist das Hinterfragen der Neutralität selbst ein Tabu?
Beckedahl: Ich denke schon, denn keiner will später dastehen als derjenige, der die Netzneutralität zu Fall bringt und Verhältnisse geschaffen hat, die denen des Kabelfernsehens gleichen.

?: Wie wird die Debatte weitergehen?
Beckedahl: Ich hoffe, dass die US-Regulierungsbehörde FCC wieder das Zepter in die Hand nimmt und in vielen Punkten Führungskraft beweist, wenn es um die Schaffung eines verbindlichen Rechtsrahmens geht. Es ist nicht gut, wenn sich die beiden mächtigsten Player auf dem Gebiet einen Kompromiss aushandeln und diesen durchbringen wollen. Wie es weitergeht, ist jedoch offen. Ich vermute, dass nächstes Jahr eine Entscheidung fällt.

?: Betrifft eine mögliche Entscheidung in den USA auch Europa?
Beckedahl: Sie ist insofern relevant, als dass sie große Signalwirkung hat. Die Diskussion in den USA läuft schon wesentlich länger als bei uns, deshalb blickt Europa in dieser Frage stets über den Atlantik. Besonders die großen Kommunikationsbetreiber der EU orientieren sich an der USA und fordern mehr Eingriffsmöglichkeiten, wie Vorstöße etwa seitens Telefonica mit der Forderung nach einer Durchleitungsgebühr bisher gezeigt haben. (pte/rw)

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